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Legalisierter Raub: Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen 1933–1945 (Legalised Theft: The Finance Ministry and the Plundering of the Jews of Hesse 1933-1945), Exhibition, Mainz, Germany, 10 March-10 May 2016

Events and Conferences
International Conferences

Eine Ausstellung des Fritz Bauer Instituts und des Hessischen Rundfunks. Mit Unterstützung der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen und des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst.

For the pdf of the programme of events, click here.
For the Fritz Bauer Institut Frankfurt, the Study- and Documentation Center on the History and Impact of the Holocaust, which organised the exhibition, click here.




Ausstellungsstation Mainz

(Die 27. Station der Ausstellung »Legalisierter Raub«!)

Donnerstag, 10. März bis Dienstag, 10. Mai 2016
im Ministerium der Finanzen Rheinland-Pfalz
Kaiser-Friedrich-Str. 5, Mainz
und im Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
Ernst-Ludwig-Str. 3, Mainz

Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft von Doris Ahnen, Ministerin der Finanzen Rheinland-Pfalz.
Informationen zu Öffnungszeiten und Führungen finden Sie in der Spalte rechts.

Eröffnung
Donnerstag, 10. März 2016, 19.30 Uhr
Landesmuseum Mainz, Forum, Große Bleiche 49, 55116 Mainz
Zur Begrüßung spricht Doris Ahnen, Ministerin der Finanzen Rheinland-Pfalz.
Dr. Katharina Stengel, Fritz Bauer Institut, führt in das Thema der Ausstellung ein.
Helge Heynold liest aus Dokumenten zum Thema.
Nitzan Bartana, Violine, und Michal Beck, Violoncello, spielen das Duo für Violine und Violoncello von Erwin Schulhoff

Die Ausstellung »Legalisierter Raub« beschäftigt sich mit den Gesetzen und Verordnungen, die ab 1933 auf die Ausplünderung jüdischer Bürger zielten. Sie stellt die Beamten der Finanzbehörden vor, die die Gesetze in Kooperation mit weiteren Ämtern und Institutionen umsetzten, und sie erzählt von denen, die Opfer dieser Maßnahmen wurden. Sie zeigt, wie das »Deutsche Reich« durch die Reichsfluchtsteuer, zahlreiche Sonderabgaben und schließlich durch den vollständigen Vermögenseinzug sowohl an denen verdiente, die in die Emigration getrieben wurden, wie an jenen, die blieben, weil ihnen das Geld für die Auswanderung fehlte oder weil sie ihre Heimat trotz allem nicht verlassen wollten. Nach den Deportationen kam es überall zu öffentlich angekündigten Auktionen aus »jüdischem Besitz«: Tischwäsche, Möbel, Kinderspielzeug, Geschirr, Lebensmittel wechselten die Besitzer.

Die Ausstellung wurde vom Fritz Bauer Institut, Frankfurt am Main, und dem Hessischen Rundfunk mit Unterstützung der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen und des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst erarbeitet.

Die regionale Präsentation der Ausstellung in Mainz wird unterstützt von: Anna-Seghers-Gesellschaft Berlin und Mainz e. V., Anni Eisler-Lehmann-Stiftung Mainz, CinéMayence, Deutsch-Israelischer Freundeskreis Ingelheim e. V., Dominikanerkonvent St. Bonifaz Mainz, Finanzamt Mainz-Mitte, Forum Anwaltsgeschichte e. V., Gegen Vergessen – Für Demokratie e. V., Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz - Direktion Landesmuseum Mainz, Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Mainz, Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e. V., Kulturamt Stadt Mainz, Katholische Pfarrgemeinde St. Stephan Mainz, Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz, Ministerium der Finanzen Rheinland-Pfalz, Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Rheinland-Pfalz, Stadtarchiv Mainz, Stadthistorisches Museum Mainz, Verein für Sozialgeschichte Mainz e. V.

Die Ausstellung wird von einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm mit Lesungen, Filmvorführungen, Stadtrundgängen und Vorträgen begleitet. Nähere Informationen finden Sie im Ausstellungsflyer mit dem Begleitprogramm.

Donnerstag, 10. März
bis Dienstag, 10. Mai 2016
im Ministerium der Finanzen
Rheinland-Pfalz
Kaiser-Friedrich-Str. 5, 55116 Mainz
und im
Ministerium der Justiz
und für Verbraucherschutz
Ernst-Ludwig-Straße 3, 55116 Mainz

Öffnungszeiten
Montag bis Donnerstag, 8.00–16.30 Uhr
Freitag, 8.00–14.00 Uhr
Sonderöffnungszeiten
Donnerstag, 17. März und
Mittwoch, 27. April: 8.00–20.00 Uhr
Eintritt: frei
Gruppenführungen
€ 60,– pro Gruppe

Begleitprogramm
... Programm Mainz (pdf-Datei)

Kontakt

Ministerium der Finanzen Rheinland-Pfalz
Iris Plöckes, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 06131.164142
iris.ploeckes@fm.rlp.de

Publikationen zur Ausstellung

Legalisierter Raub
Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen 1933–1945

Katalog zur Ausstellung
Redaktion: Katharina Stengel, Susanne Meinl, Bettina Leder-Hindemith
Mitarbeit: Nassrin Sadeghi, Birgit Körner, Stephan Wirtz
Gestaltung: Madlen Mühlender
Reihe selecta der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen,
Heft 8, 3. Auflage 2008, 72 S., € 5,–
Der Katalog kann in der Ausstellung erworben werden.

Legalisierter Raub
Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen 1933–1945
Materialmappe zur Vor- und Nachbereitung des Ausstellungsbesuchs
Herausgegeben von der Ernst-Ludwig Chambré-Stiftung zu Lich und dem Fritz Bauer Institut. Zusammengestellt von Klaus Konrad-Leder und Nadja Kuhl.
Gießen: Bookxpress-Verlag der Druckwerkstatt Fernwald, 2002
Vergriffen!


Regionaler Schwerpunkt

»Legalisierter Raub
Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen«
Ausstellungsstation Mainz


Für die Präsentationen in Mainz wurde die Ausstellung wie an jedem ihrer bisherigen Standorte mit einem neuen Schwerpunkt versehen. Er beschäftigt sich u. a. mit der Geschichte der Familie Ganz aus Mainz.

Felix Ganz vor seiner privaten Villa am Michelsberg.
© HR/Adam Ganz

Die Geschichte der Familie Ganz aus Mainz

»Es ist völlig unverständlich, – ja sogar empörend, dass man nicht einmal mehr eine Antwort erteilt. Mein Vater war Kriegsteilnehmer im ersten Weltkrieg, protestantisch getauft, wurde gezwungen den Judenstern zu tragen, sich mit Vornamen ISRAEL zu nennen, ist zusammen mit seiner zweiten Gattin nach Theresienstadt deportiert und Ende des Jahres 1944 in Auschwitz umgebracht worden. (Es widerstrebt mir, dieses grauenhafte Vorgehen mit Namen zu nennen.) Es darf nun wohl erwartet werden, dass der Rechtsnachfolger des III. Reichs seiner gesetzlichen Vorschrift nachkommend die Entschädigung auszahlt…« Mit diesen Worten brachte Annemarie Kaulla-Ganz am 12. Juli 1958 in einem Schreiben an das Bezirksamt Mainz ihre Empörung über den Verlauf des Entschädigungsverfahrens zum Ausdruck, das nach über sieben Jahren noch immer nicht abgeschlossen war.

Annemarie Kaulla-Ganz entstammte einer Familie, die schon im 16. Jahrhundert in die Region Mainz gezogen war. Ihr Urgroßvater, Hermann David Ganz, hatte hier um 1830 ein Manufaktur- und Möbelgeschäft gegründet, das zunächst von seinen Söhnen, später von seinem Enkel, Annamarie Kaulla-Ganz’ Vater Felix, übernommen worden war. Unter seiner Leitung wuchs das Unternehmen weiter: 1906 eröffnete er ein viergeschossiges Geschäftshaus am Schillerplatz 2. Die Firma wurde zu einem Großimporteur von Teppichen, Vorhängen und Möbelstoffen und besaß Vertretungen und weitere Ladengeschäfte in verschiedenen Städten. Auch privat liebte Felix Ganz Kunst und Kunsthandwerk: Er besaß eine umfangreiche Bibliothek und eine bedeutende Sammlung ostasiatischer Kunst.

Bald nach der »Machtergreifung« der Nationalsozialisten begann die Ausplünderung des einst hoch angesehenen Mainzer Bürgers: Schon 1935/36 wurde Felix Ganz’ Firma »arisiert«. Geld aus dem »Verkauf« erhielt er nicht.
Geschäftshaus der Firma Teppich Ganz in der
Ludwigsstr./Ecke Schillerplatz.

© HR/Stadtarchiv Mainz

Felix Ganz lebte in Mainz, Am Michelsberg 2, in einer Villa mit einem großen Grundstück; Am Michelsberg 6 hatte er für seinen Sohn Hermann und dessen Frau ein Haus bauen lassen. Ein Teil des Grundstücks wurde enteignet. Im Sommer 1941 musste Felix Ganz das Anwesen zwangsweise verlassen. Fortan wohnte er mit seiner zweiten Frau Erna (geborene Benfey) in verschiedenen »Judenhäusern«. Felix Ganz’ Möbel wurden aus dem Haus geräumt und zunächst wahrscheinlich nach Würzburg in die zentrale Sammelstelle für beschlagnahmte Möbel aus jüdischem Besitz gebracht. In Felix Ganz’ Villa zog Gestapo-Kommissar Wegner ein. Am 1. August 1941 vermerkte die Gestapo: »Die Angelegenheit Ganz-Möbel ist für die Gestapo erledigt«, und am 12. August: »Die Möbel Ganz, die von Würzburg zurückgesendet wurden, werden demnächst bei Dapper versteigert werden.«

Am 27. September 1942 wurden Erna und Felix Ganz nach Theresienstadt deportiert. Von Theresienstadt gelangten sie am 28. Oktober 1944 mit dem Transport »Ev-922« nach Auschwitz, wo sie ermordet wurden. 

Aus der Sammlung Felix Ganz:
Madonna des Bildhauers und Bildschnitzers Michel Erhart
(geb. um 1440/45, gestorben nach 1522).

© HR/Adam Ganz

Felix Ganz’ Kinder, Annemarie, Olga und Hermann Ganz, waren ins Ausland geflohen. 1951 stellten sie einen Antrag auf »Wiedergutmachung« für die Enteignung des Unternehmens und der Kunstsammlung des Vaters. Das Verfahren zog sich in die Länge, weil das Mainzer Bezirksamt für Wiedergutmachung trotz vorgelegter Dokumente darauf bestand, eigene Nachforschungen anzustellen. Neue Erkenntnisse ergaben sich dadurch nicht. 1956 erkundigten sich die Beamten bei Zeugen, die von den Antragstellern benannt worden waren, über den Wert des Besitzes und erhielten die Auskunft, dass Felix Ganz tatsächlich eine sehr wertvolle Kunstsammlung besessen hatte; deren geschätzter Wert von 167.440 DM erschien einem Zeugen sogar als zu niedrig. 1957 erkundigte sich die Behörde nach dem offiziellen Todeszeitpunkt von Felix Ganz, obwohl Dokumente hierzu schon vorgelegt worden waren. Das Bezirksamt wandte sich schließlich an die jüdische Gemeinde in Mainz, um herauszufinden, ob Felix Ganz tatsächlich einen Judenstern getragen habe und von Mainz deportiert worden war. Hermann Ganz, der Sohn von Felix Ganz und Antragsteller, starb am 9. September 1957, bevor über den Antrag entschieden wurde.

Als Annemarie Kaulla-Ganz den oben zitierten Brief an das Bezirksamt Mainz schrieb, hatte sie sich zuvor schon mehrfach nach dem Stand des Entschädigungsverfahrens erkundigt, ohne eine Antwort zu erhalten. Schließlich wandte sie sich an das Genfer Generalkonsulat der Bundesrepublik, und nun reagierte das Bezirksamt: »Wir sind ständig bemüht unnötige Härten zu vermeiden, aber bei dieser Vielzahl von Anträgen lassen sich Verzögerungen nicht immer vermeiden.«

Knapp zehn Jahre nach dem ersten Antrag, erhielten die Erben einen ersten Betrag nach dem Bundesentschädigungsgesetz: Für den auf 167.440 DM geschätzten, geraubten Besitz wurden ihnen 49.000 DM zuerkannt.

Der Verbleib der Einrichtung und der Sammlung Felix Ganz’ ist bis heute unbekannt.

Adam Ganz, Urgroßenkel von Felix Ganz, wird am 11. April 2016 um 18.00 Uhr gemeinsam mit Dr. Tillmann Krach in dem Vortrag »Ausplünderung und ›Wiedergutmachung‹« im Ministerium der Finanzen über die Geschichte von Felix Ganz sprechen.


Vorgeschichte der Ausstellung

Eine Ausstellung von Prof. Dr. Wolfgang Dreßen, die 1998 im Stadtmuseum Düsseldorf unter dem Titel „Betrifft: ‚Aktion 3'. Deutsche verwerten jüdische Nachbarn“ eröffnet wurde, rückte die fiskalische Ausplünderung der Juden im Nationalsozialismus erstmals in das Blickfeld einer weiteren Öffentlichkeit. Gezeigt wurden dort Unterlagen aus dem Bezirk der Oberfinanzdirektion Köln, doch die Ausstellung löste eine bundesweite Debatte aus: Sie warf einerseits erneut die Frage auf, was die deutsche Bevölkerung von der Ermordung der Juden gewusst hatte. Andererseits: Handelte es sich bei den nun veröffentlichten Dokumenten um Steuerakten, die dem Steuergeheimnis unterlagen oder handelte es sich um Akten der historischen Forschung?

Karl Starzacher, Hessischer Minister der Finanzen, wies die Finanzbehörden des Landes an, in ihren Beständen nach NS-Unterlagen zu suchen. Im Dezember 1998 übergab er im Rahmen einer Pressekonferenz vier Aktenkonvolute der ehemaligen Reichsfinanzverwaltung, die im Archiv der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main gelegen hatten, an die Frankfurter Jüdische Gemeinde. Seine Erkenntnisse und Fragen formulierte er so: „Es wurden Tausende vertrieben, alles sprach dafür, dass sie nie mehr zurückkehren würden“, doch Zweifel, weshalb die Opfer, die angeblich nur in die sogenannten „Ostgebiete“ umgesiedelt werden sollten, keinerlei Möbel, Gebrauchsgegenstände oder Wäsche mehr brauchten, seien in der Finanzverwaltung offensichtlich nicht aufgekommen. Stattdessen habe sie die Einziehung und Verwertung von Vermögen der Deportierten „reibungslos und ohne jede Skrupel“ administriert. Große Nachfrage aus der Bevölkerung verzeichnen die Dokumente auch nach dem gerade erst beschlagnahmten Besitz der Deportierten. Bei den öffentlichen Versteigerungen ihrer letzten Habseligkeiten sei der Zulauf „außerordentlich groß“ gewesen. Für Karl Starzacher ergab sich aus den Dokumenten: „Sehr viele haben gewusst oder haben wissen können, was tatsächlich vor sich ging. Und nicht wenige haben von der Vertreibung der Juden profitiert.“

Tafel aus Kapitel „Stufen der Ausplünderung“


Forschungsprojekt

Auch in den hessischen Staatsarchiven lagen umfangreiche Aktenbestände zum Thema vor, aber es fehlte an einer zusammenhängenden Darstellung. 1999 stellte das Land Hessen die Mittel für ein Forschungsprojekt zur Verfügung, das vom Fritz Bauer Institut in enger Zusammenarbeit mit dem Hessischen Hauptstaatsarchiv durchgeführt wurde.

Die gesichteten Devisenakten, Steuerakten, Vermögenskontrollakten und Handakten jüdischer Rechtsanwälte zeigen, dass unterschiedliche Dienststellen in Finanzbehörden, Zollfahndung und Devisenstellen gemeinsam mit der Gestapo und anderen Organisationen in gesetzlich legalisierten Aktionen Sparbücher, Devisenguthaben und Wertpapierdepots jüdischer Bürgerinnen und Bürger einzogen. Sie belegten ihre Opfer mit Sondersteuern und Strafkontributionen und versteigerten öffentlich das Hab und Gut der aus Deutschland Geflohenen oder Deportierten. In der Folge verdiente das „Deutsche Reich“ durch die Reichsfluchtsteuer an denen, die es in die Emigration trieb, wie an denen, die blieben, weil ihnen das Geld für die Auswanderung fehlte oder weil sie ihre Heimat trotz allem nicht verlassen wollten. Die Ausplünderung war ein wichtiger Teil der Vernichtungsmaschinerie und zugleich Bestandteil der NS-Kriegswirtschaft.

Das Forschungsprojekt des Fritz Bauer Instituts bildete die Grundlage für die gemeinsam mit dem Hessischen Rundfunk konzipierte und realisierte Ausstellung sowie den Film „Der große Raub“ (hr, 2002).

 

Blick in die Ausstellung während der Erstpräsentation im Hessischen Rundfunk in Frankfurt am Main, 2002.
Foto: © Hessischer Rundfunk / Manfred Roth


Die Ausstellung

»Da mein Sohn außerordentlich begabt ist, wie auch sein Lehrer bestätigt, bitte ich Sie, mir das Klavier des evakuierten Juden zu überlassen«. Mit dieser Bitte trat 1942 ein Offenbacher Bürger an sein Finanzamt heran. Zu dieser Zeit waren die Finanzämter bereits mit der sogenannten Verwertung des Eigentums der Deportierten befasst, das seit der 1941 erlassenen 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz dem »Reich verfiel«. Überall kam es zu öffentlich angekündigten Auktionen von Wohnungsinventar aus dem Besitz von Juden: Tischwäsche, Möbel, Kinderspielzeug, Geschirr, Lebensmittel usw. wechselten den Besitzer. Viele schrieben an die Finanzämter, um sich das begehrte Klavier oder die schönere Wohnung zu sichern.
Die Ausstellung gibt einen Einblick in die Geschichte des legalisierten Raubes, in die Biografien von Tätern und Opfern. Die einleitenden Tafeln stellen Franz Soetbeer, Walter Mahr, Artur Lauinger, Paul Graupe, Alexander Fiorino, Fritz Reinhardt, Martin Buber, Waldemar Kämmerling sowie die Familien Guthmann, Cahn, Grünebaum, Reinhardt, Pacyna und Goldmann mit ihren Lebensgeschichten bis zum Jahr 1933 vor. Ihnen allen begegnet der Ausstellungsbesucher im Hauptteil wieder, der – ausgehend von den Biographien und zu ihnen zurückkehrend – auf Tafeln und in Vitrinen erzählt, wie sich die Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung vollzog, was sie für die Opfer bedeutete und wer die Täter waren.

Die Tafeln im Hauptteil der Ausstellung entwickeln die Geschichte der Tätergesellschaft, die mit einem Rückblick auf die Zeit vor 1933 beginnt: Die Forderung nach einer Enteignung der Juden gab es nicht erst seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Sie konnten vielmehr auf weit verbreitete antisemitische Klischees zurückgreifen, insbesondere auf das Bild vom „mächtigen und reichen Juden“, der sein Vermögen mit List und zum Schaden des deutschen Volkes erworben habe. Vor diesem Hintergrund zeichnet das 2. Kapitel die Stufen der Ausplünderung und die Rolle der Finanzbehörden in den Jahren von 1933 bis 1941 nach. Im nachgebauten Zimmer eines Finanzbeamten können die Ausstellungsbesucher in Aktenordnern blättern: Sie enthalten u.a. Faksimiles jener Vermögenslisten, die Juden vor der Deportation ausfüllen mussten, um den Finanzbehörden die „Verwaltung und Verwertung“ ihrer zurückgelassenen Habseligkeiten zu erleichtern. Weitere Tafeln beschäftigen sich mit den kooperierenden Interessengruppen in Politik und Wirtschaft, aber auch mit dem „deutschen Volksgenossen“ als Profiteur. Schließlich wird nach der sogenannten Wiedergutmachung gefragt: Wie ging die Rückerstattung in Hessen und Berlin vor sich, wie erfolgreich konnte sie angesichts der gesetzlichen Ausgangslage und der weitgehend ablehnenden Haltung der Bevölkerungsmehrheit sein?
Menschenmenge bei einer Versteigerung von enteignetem Hausrat deportierter Juden in der Gegend von Hanau, ca. 1942. Der Fotograf Franz Weber war von 1935 bis 1966 Leiter der Hanauer Bildstelle. Foto: © Bildstelle Hanau

Versteigerung von enteignetem Hausrat deportierter Juden in der Gegend von Hanau, ca. 1942. Der Fotograf Franz Weber war von 1935 bis 1966 Leiter der Hanauer Bildstelle.
Foto: © Bildstelle Hanau

Im Zentrum der Ausstellung stehen Vitrinen, die die Geschichten der Opfer erzählen. Manche zeigen kleine Objekte, die wie durch ein Wunder erhalten geblieben sind – etwa den Klavierauszug, der Getrud Landsberg gehört hat: Nach Gertruds Emigration erwarb ihn Tilly Cahn unter falschem Namen bei einem Hamburger Auktionator, weil sie wusste, dass das Herz ihrer Freundin Gertrud an den Noten hing. Tillys Sohn Peter Cahn, der den Klavierauszug heute aufbewahrt, erzählt – wie auch Robert Goldmann, Zoya Fiedler, Wolfgang Lauinger und Charlotte Opfermann – in einem Filminterview von seinen Erinnerungen an den legalisierten Raub.

Die Ausstellung wandert seit ihrer ersten Präsentation in Frankfurt am Main im Mai 2002 sehr erfolgreich durch Hessen. Da für jeden Präsentationsort neue regionale Vitrinen entstehen, die sich mit der Geschichte des legalisierten Raubes im Ausstellungsort beschäftigen, „wächst“ die Ausstellung. Waren es bei der Erstpräsentation 15 Vitrinen, die die Geschichten der Opfer erzählten, sind es heute weit über 60. Sie entstehen auf der Basis weiterer Recherchen und an manchen Orten in Zusammenarbeit mit Schülerinnen und Schülern. Für die Präsentation im Berliner Deutschen Historischen Museum wurden erstmals auch neue Ausstellungstafeln zu den Berliner Finanzämtern sowie weitere Tafeln zum Thema „Wiedergutmachung“ hinzugefügt.


Materialien: Regionale Ergänzungen zu den bisherigen Ausstellungsstationen

Exemplarische Rechercheergebnisse zur Lokal- und Regionalgeschichte der fiskalischen Ausplünderung der Juden in Hessen 1933–1945 an den  Präsentationsorten der Ausstellung.

Ausstellungsstation Michelstadt
(Die 26. Station der Ausstellung »Legalisierter Raub«!)

Dienstag, 10. November 2015 bis Sonntag, 28. Februar 2016
(Montag, 21. Dezember bis Freitag, 8. Januar geschlossen)
Odenwald- und Spielzeugmuseum Michelstadt
Einhardspforte 3, 64720 Michelstadt

Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft des Landrats des Odenwaldkreises Frank Matiaske.
Informationen zu Öffnungszeiten und Führungen finden Sie in der Spalte rechts.

Eröffnung
Sonntag, 8. November 2015, 14.00 Uhr
Odenwald- und Spielzeugmuseum, in der Kellerei
Es sprechen Stephan Kelbert, Bürgermeister der Stadt Michelstadt, Frank Matiaske, Landrat des Odenwaldkreises, Moritz Neumann, Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Hessen und Dr. Thomas Wurzel, Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen.
Gottfried Kößler, Fritz Bauer Institut, führt in das Thema der Ausstellung ein.
Helge Heynold liest aus Dokumenten zum Thema.
Die musikalische Umrahmung übernehmen Irith Gabrieli und Hans-Joachim Dumeier.

Die Ausstellung beschäftigt sich mit den Gesetzen und Verordnungen, die ab 1933 auf die Ausplünderung jüdischer Bürger zielten. Sie stellt die Beamten der Finanzbehörden vor, die die Gesetze in Kooperation mit weiteren Ämtern und Institutionen umsetzten, und sie erzählt von denen, die Opfer dieser Maßnahmen wurden. Sie zeigt, wie das »Deutsche Reich« durch die Reichsfluchtsteuer, zahlreiche Sonderabgaben und schließlich durch den vollständigen Vermögenseinzug sowohl an denen verdiente, die in die Emigration getrieben wurden, wie an jenen, die blieben, weil ihnen das Geld für die Auswanderung fehlte oder weil sie ihre Heimat trotz allem nicht verlassen wollten. Nach den Deportationen kam es überall zu öffentlich angekündigten Auktionen aus »jüdischem Besitz«: Tischwäsche, Möbel, Kinderspielzeug, Geschirr, Lebensmittel wechselten die Besitzer.

Die Ausstellung wurde vom Fritz Bauer Institut, Frankfurt am Main, und dem Hessischen Rundfunk mit Unterstützung der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen und des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst erarbeitet.

Die regionale Präsentation der Ausstellung im Odenwald- und Spielzeugmuseum Michelstadt wird unterstützt von: Sparkasse Odenwaldkreis, Evangelische Stadtkirchengemeinde Michelstadt, Evangelische Michaelsgemeinde Reichelsheim, Kulturamt der Stadt Michelstadt, Stolperstein-Initiative Michelstadt, Evangelische Kirchengemeinde Fränkisch-Crumbach, Evangelische Johannesgemeinde Reichelsheim-Beerfurth, ImDialog – Evangelischer Arbeitskreis für das christlich-jüdische Gespräch in Hessen und Nassau, Verein für Heimatgeschichte Höchst i. Odw. e. V., Akademie für lebenslanges Lernen – Volkshochschule Odenwaldkreis, Initiative Odenwald gegen Rechts, Stolperstein-Initiative Bad König, Spiellust e. V. Michelstadt, Finanzamt Michelstadt, Kreisarchiv Erbach, Landratsamt Erbach, Stadtarchiv Breuberg-Neustadt, Oberzent-Schule Beerfelden, Theodor-Litt-Schule Michelstadt, Georg-Ackermann-Schule Rai-Breitenbach, Georg-August-Zinn-Schule Reichelsheim

Die Ausstellung wird von einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm mit Lesungen, Zeitzeugengesprächen, Filmvorführungen, Stadtrundgängen und Vorträgen begleitet. Nähere Informationen finden Sie in der Spalte rechts.

Regionaler Schwerpunkt

»Legalisierter Raub
Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen«
Ausstellungsstation Michelstadt


Für die Präsentationen in Michelstadt wurde die Ausstellung wie an jedem ihrer bisherigen Standorte mit einem neuen Schwerpunkt versehen. Er beschäftigt sich u.a. mit der Geschichte der Familie Wassum aus Michelstadt.

Eginhard und Lothar Wassum beim Spielen, um 1930.
© HR/Lothar Wassum

Lizzie, Eginhard und Lothar Wassum aus Michelstadt

»Auf Grund eines Beschlusses der Geheimen Staatspolizei in Darmstadt ist das Vermögen Ihrer Mutter Lizzie Sara Wassum zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen«: Mit diesen Worten wandte sich das Finanzamt Michelstadt am 16. August 1943 an Eginhard und Lothar Wassum, die damals 21- und 17-jährigen Söhne Lizzie Wassums. Beigelegt war dem Schreiben ein Verzeichnis »der noch vorhandenen Gegenstände«, die der Finanzbeamte am selben Tag in der Wohnung der Familie, die damals in der Kellereibergstraße 1 lebte, »festgestellt« hatte. Die Liste ging verloren, das Schreiben hat Lothar Wassum aufbewahrt.
Viele Michelstädter kennen den heute 89-Jährigen: Seine Eltern, Lizzie und Jakob Wassum, waren 1926 wenige Monate nach seiner Geburt mit ihm und seinem älteren Bruder Eginhard von Erbach nach Michelstadt gezogen; er hat sein ganzes Leben in der Stadt verbracht. 2010 wurde auf Initiative einiger Michelstädter Bürger ein Stolperstein für seine Mutter verlegt: Sie war am 6. November 1888 als Tocher von Ludwig und Ida Ascher in eine jüdische Hamburger Familie hineingeboren worden. Vor ihrer Eheschließung mit Jakob Wassum war sie 1920 zum evangelischen Glauben konvertiert.
Wie haben Lizzie und Jakob Wassum die ersten Jahre nach 1933 erlebt? Über manches kann man nur spekulieren. In der Familie wurden Spannungen spürbar. Lothar Wassum erinnert, dass der Vater irgendwann den Umgang mit den jüdischen Verwandten mütterlicherseits verbot. Lizzie Wassum galt ab 1935 mit dem Erlass des Reichsbürgergesetzes und der folgenden 1. Verordnung trotz ihrer Taufe als Jüdin; die evangelisch erzogenen Kinder waren nun »Halbjuden«.
Lizzie Ascher als Krankenschwester, um 1916.
© HR/Lothar Wassum

Jakob Wassum, der seit Ende der 20er Jahre als Architekt gearbeitet hatte, konnte nicht Mitglied der Reichskulturkammer werden, weil er mit einer Jüdin verheiratet war. Die Mitgliedschaft war verpflichtend; wer nicht Mitglied war, erhielt beispielsweise keine öffentlichen Aufträge mehr. Um Geld zu verdienen, war Jakob Wassum nun viel unterwegs. Er lernte eine andere Frau kennen und lebte ab 1938 nicht mehr zu Hause.
Lothar Wassum und seinem Bruder Eginhard, der als »Halbjude« schon 1936 das Michelstädter Gymnasium hatte verlassen müssen, wurde vom Kreisamt nahe gelegt, dass auch sie die Mutter verlassen sollten – sie hätten es beim Vater besser. »Ich hab‘ gesagt: Ich geh‘  nicht«, erzählt Lothar Wassum. Er liebte seine Mutter.
Die Kinder blieben. Lothar Wassum absolvierte eine Schreinerlehre, sein Bruder wurde Drogist – doch darüber hinaus? »Wir konnten nichts machen, nicht Mitglieder in einem Sportverein werden, nichts, gar nichts«, erinnert er; und dann plötzlich ein Lichtblick: »Wir konnten in die Staatsjugend eintreten.« Das war vermutlich 1939, als in der Hitler-Jugend die »Dienstpflicht« eingeführt wurde. Lothar Wassum erlebt es als großes Glück, nun seinem Hobby, der Fliegerei, nachgehen zu können; doch es sollte nicht lange währen: 1941 wurde er aus der Organisation wieder ausgeschlossen.
Letztes Weihnachten der Familie Wassum 1942 vor der Deportation Lizzie Wassums: Lizzie Wassum (vorne rechts), ihre Söhne Eginhard (hinten links) und Lothar (hinten rechts). Neben Lizzie Wassum sind Frau Weiß und ihre Tochter zu sehen, die aufgrund der zunehmenden Luftangriffe auf Bremen zu dieser Zeit bei Familie Wassum lebten.
© HR/Lothar Wassum

In den ersten Jahren nach der Trennung hatte Lizzie Wassum einen bescheidenen Lebensunterhalt durch den Verkauf von Seifen und die Vermietung eines Zimmers erwirtschaftet: Hier wohnten Urlauber, die durch die NS-Organisation »Kraft durch Freude« nach Michelstadt kamen; aber eines Tages wollte die KdF »die Jüdin« nicht mehr unterstützen, die Urlauber blieben fort. Eine große Rolle in der Ernährung der Familie spielte der Garten – bis ihn sich eine Nachbarin aneignete. Die Not der Familie wurde größer und größer.
Anfang 1943 kam es in Würzburg zur Scheidung. Damit entfiel für Lizzie Wassum der relative Schutz, den die Ehe mit einem »Arier« bedeutet hatte: Am 6. März drangen zwei Gestapomänner und der damalige Polizeichef von Michelstadt in Wohnung ein und verschleppten sie.
Als das Finanzamt Michelstadt die Söhne am 16. August darüber in Kenntnis setzte, dass der »Herr Oberfinanzpräsident in Darmstadt … damit einverstanden (ist), daß die vorhandenen Einrichtungsgegenstände und die Wäsche vorerst Ihnen unentgeltlich zum Gebrauch überlassen werden«, war Lizzie Wassum wahrscheinlich schon tot. Die in Auschwitz ausgestellte Sterbeurkunde datiert ihren Tod auf den 13. Juli 1943.
Ausstellungsstation Rüsselsheim/Flörsheim am Main
(Die 25. Station der Ausstellung »Legalisierter Raub«!)

Dienstag, 27. Januar bis Sonntag, 19. April 2015

Stadt- und Industriemuseum Rüsselsheim,
Hauptmann-Scheuermann-Weg 4, (in der Festung), 65428 Rüsselsheim
und im Kunstforum Mainturm,
Dr.-Georg-von-Opel-Anlage 2, 65439 Flörsheim am Main
Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft von Dr. Norbert Blüm, Bundesminister a.D.
Informationen zu Öffnungszeiten und Führungen finden Sie in der Spalte rechts.

Eröffnung im Stadt- und Industriemuseum Rüsselsheim
Sonntag, 25. Januar 2015, 13.00 Uhr
Es sprechen Bürgermeister Dennis Grieser, Rüsselsheim, Bürgermeister Michael Antenbrink, Flörsheim am Main, Dr. Norbert Blüm, Schirmherr der Ausstellung und Bundesminister a.D., und Dr. Thomas Wurzel, Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen.
Dr. Katharina Stengel, Fritz Bauer Institut, führt ins Thema der Ausstellung ein.
Helge Heynold liest aus Briefen von Fanny Lang und Dokumenten zum Thema.
Die musikalische Umrahmung übernimmt der Klarinettist Roman Kuperschmidt.

Eröffnung im Kunstforum Mainturm. Flörsheim am Main
Sonntag, 25. Januar 2015, 16.00 Uhr
Es sprechen Bürgermeister Michael Antenbrink, Flörsheim am Main, Bürgermeister Dennis Grieser, Rüsselsheim und Dr. Norbert Blüm, Schirmherr der Ausstellung und Bundesminister a.D.
Schülerinnen und Schüler des Graf-Stauffenberg-Gymnasiums lesen aus Dokumenten zur »Wiedergutmachung« der Flörsheimer Familie Altmaier, zu deren Geschichte sie Ausstellungsvitrinen gestaltet haben.
Die musikalische Umrahmung übernimmt der Klarinettist Roman Kuperschmidt.

Die Ausstellung beschäftigt sich mit den Gesetzen und Verordnungen, die ab 1933 auf die Ausplünderung jüdischer Bürger zielten. Sie stellt die Beamten der Finanzbehörden vor, die die Gesetze in Kooperation mit weiteren Ämtern und Institutionen umsetzten, und sie erzählt von denen, die Opfer dieser Maßnahmen wurden. Sie zeigt, wie das »Deutsche Reich« durch die Reichsfluchtsteuer, zahlreiche Sonderabgaben und schließlich durch den vollständigen Vermögenseinzug sowohl an denen verdiente, die in die Emigration getrieben wurden, wie an jenen, die blieben, weil ihnen das Geld für die Auswanderung fehlte oder weil sie ihre Heimat trotz allem nicht verlassen wollten. Nach den Deportationen kam es überall zu öffentlich angekündigten Auktionen aus »jüdischem Besitz«: Tischwäsche, Möbel, Kinderspielzeug, Geschirr, Lebensmittel wechselten die Besitzer.

Die Ausstellung wurde vom Fritz Bauer Institut, Frankfurt am Main, und dem Hessischen Rundfunk mit Unterstützung der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen und des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst erarbeitet. Die regionale Präsentation der Ausstellung im Stadt- und Industriemuseum Rüsselsheim und im Kunstforum Mainturm, Flörsheim am Main, wird unterstützt von: Amt für Jugend, Soziales und Kultur und Stadtarchiv der Stadt Flörsheim am Main, Fachbereich Soziales und Kultur der Stadt Raunheim, Förderverein Jüdische Geschichte und Kultur im Kreis Groß-Gerau e.V., »Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.«, Sektion Südhessen, Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit im Main-Taunus-Kreis e.V., Graf-Stauffenberg-Gymnasium, Flörsheim am Main, Stolperstein-Initiative Rüsselsheim, Katholische Hochschulgemeinde Rüsselsheim, Katholische Pfarrgemeinde St. Gallus und St. Josef, Flörsheim am Main, Regionalstelle für Betriebsseelsorge Rüsselsheim/Bergstraße, Pfarrstelle Gesellschaftliche Verantwortung, Werner Schiele (Flörsheim am Main), Sophie-Scholl-Schule, Flörsheim am Main, Stadt Rüsselsheim Eigenbetrieb Kultur 123, Stiftung Alte Synagoge Rüsselsheim, Volksbildungswerk Kelsterbach, Werkstatt für Behinderte Rhein-Main e.V.

Die Ausstellung wird von einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm mit Lesungen, Zeitzeugengesprächen, Filmvorführungen, Stadtrundgängen und Vorträgen begleitet.


Regionaler Schwerpunkt

»Legalisierter Raub
Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen«
Ausstellungsstation Rüsselsheim/Flörsheim am Main


Für die Präsentationen in Rüsselsheim und Flörsheim am Main wurde die Ausstellung wie an jedem ihrer bisherigen Standorte mit einem neuen Schwerpunkt versehen. Er beschäftigt sich u.a. mit der Ausplünderung der Rüsselsheimer Familie Lang, deren Geschichte Schülerinnen und Schüler der Rüsselsheimer Friedrich-Ebert-Schule erforscht haben. Schülerinnen und Schüler des Flörsheimer Graf-Stauffenberg-Gymnasiums haben sich mit den Schwierigkeiten auseinander gesetzt, auf die Mitglieder der Familie Altmaier stießen, als sie nach 1945 Wiedergutmachung für die erlittenen Schäden beantragten.


Foto: Hermann Altmaier im Jahr 1930 in seiner Backstube.
© HR/Sammlung Lotte Reed/Werner Schiele

Die Geschichte von Hermann Altmaier aus Flörsheim

Hermann Altmaier wurde am 25. Mai 1884 in eine große, alt eingesessene Familie in Flörsheim hineingeboren. Von Beruf war er Bäcker.
Wie sein Bruder Jakob engagierte er sich politisch – zunächst in der linksliberalen Fortschrittspartei, nach dem Ersten Weltkrieg in der SPD. Von 1929–1933 war er Mitglied des Kreisausschusses des Landkreises.
Schon bald nach deren »Machtübernahme« bekam Hermann Altmaier den Hass der Nationalsozialisten zu spüren: Im September 1933 versandte der Hessen-Nassauische Bauernstand ein Schreiben an die angeschlossenen Genossenschaften und verlangte den Abbruch aller »Verbindungen mit dem jüdischen Handel im Einkauf und Verkauf«. Hermann Altmaier versuchte, sich zu wehren: In einem Schreiben an den Landrat verwies er darauf, dass er Weltkriegsteilnehmer sei; einem Erlass der Reichsregierung zufolge sollten für Frontkämpfer wie ihn Ausnahmen von jenen Maßnahmen gelten, die Juden ihre weitere Berufsausübung unmöglich machten. Für Hermann Altmaier gab es diese Ausnahme nicht: Ihm blieb nichts übrig, als seine in der Kirchgasse gelegene Bäckerei Ende September 1933 zu verpachten. Im Frühjahr 1938 musste er das Anwesen und die Bäckerei verkaufen. Wenig später wurde Hermann Altmaier inhaftiert und ins Konzentrationslager Buchenwald verschleppt. Nach seiner Freilassung musste er einer Minderung des ursprünglichen Kaufpreises um 2.200 RM zustimmen; nach der Pogromnacht wurde er noch einmal um 4500 RM gekürzt. Das Geld aus dem Verkauf stand ihm nur teilweise zur Verfügung: Mehr als die Hälfte des verbliebenen Betrages musste vom Käufer auf Anweisung des Oberfinanzpräsidenten auf ein Konto eingezahlt werden, das am 12. Januar 1939 durch die Devisenstelle des Finanzamts »gesichert« wurde.
Schon 1938 war Hermann Altmaier mit seiner Frau Klara und Tochter Lotte nach Frankfurt gezogen: Wie viele jüdische Familien erhofften sie sich Schutz durch die Anonymität der Großstadt und bereiteten ihre Auswanderung vor. Hermann Altmaier emigrierte 1939 nach Frankreich und gelangte unter abenteuerlichen Umständen schließlich in die USA; seine Tochter Lotte konnte im Frühjahr nach England entkommen. Klara Altmaier überlebte versteckt in einem Kloster in Jugoslawien. Erst nach dem Krieg fand die Familie wieder zusammen.
Hermann Altmaier und seiner Frau ging es wie vielen Emigranten: Beide waren alt und krank, ein beruflicher Neuanfang glückte ihnen nicht. Das Ehepaar lebte in Armut, wie auch das New Yorker Generalkonsulat der Bundesrepublik 1953 in einer Bescheinigung für die Wiedergutmachungsbehörde in Wiesbaden bestätigte. Drei Jahre zuvor hatte Hermann Altmaier dort Wiedergutmachung beantragt u. a. für Schaden im wirtschaftlichen Fortkommen, für die Beschlagnahme des Kontos und eines Autos sowie für diverse Sonderabgaben, die er als Jude an die NS-Finanzbehörden hatte bezahlen müssen. Obwohl er eine gewisse Unterstützung seiner Anträge erfuhr, zögerte sich die Bearbeitung hinaus, weil ihm Belege fehlten. So fahndete die Wiedergutmachungsbehörde Monate lang nach einem Beweis dafür, dass Hermann Altmaier tatsächlich ein Auto besessen hatte: Anwohner und Nachbarn der Wöhlerstraße, dem letzten Wohnsitz der Familie in Frankfurt, wurden dazu befragt, doch niemand konnte sich erinnern – die meisten waren erst nach dem Krieg in die Straße gezogen. Den endgültigen Abschluss der Verfahren hat Hermann Altmaier nicht erlebt. Er starb am 14.6 Juni 1960 in New York.


Ausstellungsstation Bad Vilbel

Montag, 15. September bis Sonntag, 30. November 2014
Kurhaus Bad Vilbel, Niddastr. 1, 61118 Bad Vilbel
Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft von Landrat Joachim Arnold.
Informationen zu Öffnungszeiten und Führungen finden Sie in der Spalte rechts.

Eröffnung
Sonntag, 14. September 2014, 11.30 Uhr
Zur Begrüßung sprechen Dr. Thomas Stöhr, Bürgermeister der Stadt Bad Vilbel, Landrat Joachim Arnold, Guido Rahn, Bürgermeister der Stadt Karben, Rafael Zur, Jüdische Gemeinde Bad Vilbel, Dr. Thomas Wurzel, Geschäftsführer der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen und Claus-Günther Kunzmann, Fachbereich Kultur der Stadt Bad Vilbel.
Katharina Stengel, Fritz Bauer Institut, führt in das Thema der Ausstellung ein.
Jochen Nix liest aus Dokumenten zum Thema.
Die musikalische Umrahmung übernimmt der Chor »Zwischentöne«.

Die Ausstellung wurde vom Fritz Bauer Institut Frankfurt am Main und dem Hessischen Rundfunk mit Unterstützung der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen und des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst erarbeitet. Sie wandert seit 2002 sehr erfolgreich durch Hessen. Für die Präsentation in Bad Vilbel wurde ein neuer regionaler Schwerpunkt erarbeitet.

Die Präsentation in Bad Vilbel geht zurück auf Initiativen der Stadt Bad Vilbel und der Jüdischen Gemeinde. Sie wird in Zusammenarbeit mit der Stadt Karben und mit der Unterstützung zahlreicher Partner durchgeführt: dem Bad Vilbeler Verein für Geschichte und Heimatpflege e.V., der Christuskirchengemeinde Bad Vilbel, der Evangelischen Kirchengemeinde in Klein-Karben, dem Deutsch-Ausländischen Freundschaftskreis e.V. Karben, der Ernst Ludwig Chambré Stiftung zu Lich, dem Museumsdienst des Heimatmuseums Karben, der Initiative »Stolpersteine-in-Karben.de«, der Jüdischen Gemeinde Bad Vilbel, dem Karbener Literatur Treff e.V., dem Kunstverein Bad Vilbel e.V., der Kurt-Schumacher-Schule Karben, der Lagergemeinschaft Auschwitz-Freundeskreis der Auschwitzer e.V., Mayer´s Kreaktiv Werkstatt Karben, dem Morlant-Verlag Karben, der Stadt Bad Vilbel – Fachbereich Kultur und dem Finanzamt Friedberg.

Die Ausstellung »Legalisierter Raub« beschäftigt sich mit den Gesetzen und Verordnungen, die ab 1933 auf die Ausplünderung jüdischer Bürger zielten. Sie stellt die Beamten der Finanzbehörden vor, die die Gesetze in Kooperation mit weiteren Ämtern und Institutionen umsetzten, und sie erzählt von denen, die Opfer dieser Maßnahmen wurden. Sie zeigt, wie das »Deutsche Reich« durch die Reichsfluchtsteuer, zahlreiche Sonderabgaben und schließlich durch den vollständigen Vermögenseinzug sowohl an denen verdiente, die in die Emigration getrieben wurden, wie an jenen, die blieben, weil ihnen das Geld für die Auswanderung fehlte oder weil sie ihre Heimat trotz allem nicht verlassen wollten. Nach den Deportationen kam es überall zu öffentlich angekündigten Auktionen aus »jüdischem Besitz«: Tischwäsche, Möbel, Kinderspielzeug, Geschirr, Lebensmittel wechselten die Besitzer.

Die Ausstellung wird von einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm mit Lesungen, Zeitzeugengesprächen, Filmvorführungen, Stadtrundgängen und Vorträgen begleitet.


Regionaler Schwerpunkt

»Legalisierter Raub
Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden
in Hessen und Rheinhessen 1933–1945«


Für die Präsentation in Bad Vilbel wurde die Ausstellung wie an jedem ihrer bisherigen Standorte mit einem neuen Schwerpunkt versehen. Er beschäftigt sich mit der Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung in der Region und erzählt unter anderem von der Familie Rosenthal aus Groß-Karben:


Foto: Moritz Rosenthal zu Beginn der 30er Jahre.
© HR/Weigand/Polzer

Moritz Rosenthal, geboren am 7. Dezember 1881 in Langenhain, war von Beruf Ziegenhändler. Gemeinsam mit seiner Frau Rosa, die am 23. Juni 1878 als Rosa Junker in Groß-Karben geboren worden war, lebte er in der Heldenberger Straße 3, nur wenige Meter von der Synagoge entfernt. Im Nachbarhaus lebte Rosas Bruder Josef Junker mit seiner Familie.

Am 30. Mai 1920 kam Moritz‘ und Rosa Rosenthals Sohn Manfred, genannt »Fredi«, zur Welt.

Foto:
Ein Klassenfoto, ca. 1930 – Manfred Rosenthal steht in der 3. Reihe rechts außen.
© HR/Weigand/Polzer

Manfred Rosenthal war der einzige aus der Familie, dem nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten die Auswanderung gelang. Am 17. August 1938 emigrierte der 18jähige gerade noch rechtzeitig nach New York.
Nach der Pogromnacht wurde Moritz Rosenthal, nachdem das Haus geplündert und demoliert worden war, vom 12. November bis 14. Dezember im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert. Als er nach Groß-Karben zurückkehrte, wurde er zur Zwangsarbeit im Tiefbau verpflichtet.
Am 9. September 1942 füllten er und seine Frau Rosa die so genannten Vermögenserklärungen aus: Sie verzeichnen einige Möbel, eine Nähmaschine, ein Fahrrad, einen Kohlenkasten, eine Waage, Kochtöpfe, Federbetten, Matratzen, Holz sowie etwas Bekleidung und vermitteln einen Eindruck von der Armut, in der das Ehepaar lebte. Sechs Tage später wurden beide über Friedberg in ein Sammellager nach Darmstadt gebracht und von dort aus am 27. September nach Theresienstadt deportiert, wo Moritz Rosenthal am 6. April 1944 starb.
Das Vermögen des Ehepaares wurde vom Finanzamt Friedberg »verwaltet« und »verwertet«. Der Hausrat wurde versteigert und erbrachte 428 RM für das »Reich«. Das Haus wurde ab Februar 1943 durch die Gemeinde Groß-Karben genutzt, die es 1946 auf Befehl der Militärregierung instand setzte: Rosa Rosenthal hatte Theresienstadt überlebt und war nach Frankfurt zurück gekehrt, wo sie zusammen mit 50 weiteren Überlebenden in der Gagernstr. 36 im Gebäude des ehemaligen Jüdischen Krankenhauses untergebracht war. Sie wanderte zu ihrem Sohn Fredi in die USA aus, wo sie Anfang der 1950er Jahre starb.

Foto: Rosa Rosenthal nach ihrer Befreiung.
© HR/Weigand/Polzer


Ausstellungsstation Osthofen

Freitag, 17. Januar bis Donnerstag, 5. Juni 2014
Gedenkstätte KZ Osthofen, Ziegelhüttenweg 38, 67574 Osthofen

Eröffnung: Donnerstag, 16. Januar 2014
Zur Begrüßung sprachen: Wolfgang Faller, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz; Dr. Carsten Kühl, Minister der Finanzen des Landes Rheinland-Pfalz und Schirmherr der Ausstellung; Dr. Katharina Stengel, Fritz Bauer Institut, führt in das Thema der Ausstellung ein; Helge Heynold, Hessischer Rundfunk, liest aus Dokumenten zum Thema.
Musikalische Umrahmung: Leonie Flaksman (Violine) und Juliane Flaksman (Violoncello)

Die regionale Präsentation in Osthofen wurde veranstaltet von der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz und dem Förderverein Projekt Osthofen e.V.

Schirmherr der Ausstellung war der Minister der Finanzen des Landes Rheinland-Pfalz Dr. Carsten Kühl.

Die Ausstellung wurde vom Fritz Bauer Institut Frankfurt am Main und dem Hessischen Rundfunk mit Unterstützung der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen und des Hessi-schen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst erarbeitet. Sie wandert seit 2002 sehr erfolgreich durch Hessen. Die für die Region Rheinhessen überarbeitete Ausstellung »Legalisierter Raub. Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen und Rheinhessen 1933–1945« wird erstmals in Rheinland-Pfalz in der Gedenkstätte KZ Osthofen Station machen. Ein neuer regionaler Schwerpunkt ist dafür erarbeitet worden.

Die regionale Präsentation wurde unterstützt von:
Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz, Förderverein Projekt Osthofen e.V., Sparkasse Worms-Alzey-Ried, AG Juden im Alzeyer Land im Altertumsverein Alzey und Umgebung e.V., Anna-Seghers- Gesellschaft Berlin und Mainz e.V., Dominikanerkloster St. Paulus Worms, Evangelisches Dekanat Worms-Wonnegau, Evangelische Dekanate Alzey und Oppenheim/Fachstelle Gesellschaftliche Verantwortung, Evangelische Stadtkirchenarbeit Worms, Forum Anwaltsgeschichte e.V., Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V./Rhein-Main, Jugendhaus Oppenheim, Katholisches Bildungswerk Rheinhessen, Kulturdezernat der Landeshauptstadt Mainz, Landesarchiv Speyer, Landtag Rheinland-Pfalz, Museum Alzey, Museum der VG Eich in Gimbsheim, Oppenheimer Geschichtsverein e.V., Stadtarchiv Worms, Verein für Sozialgeschichte Mainz e.V., Warmaisa-Gesellschaft zur Förderung und Pflege jüdischer Kultur in Worms e.V., Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN in Mainz/Pfarrstelle für Landwirtschaftliche Familienberatung in Rheinhessen.

Die Ausstellung »Legalisierter Raub« beschäftigt sich mit den Gesetzen und Verordnungen, die ab 1933 auf die Ausplünderung jüdischer Bürger zielten. Sie stellt die Beamten der Finanzbehörden vor, die die Gesetze in Kooperation mit weiteren Ämtern und Institutionen umsetzten, und sie erzählt von denen, die Opfer dieser Maßnahmen wurden. Sie zeigt, wie das »Deutsche Reich« durch die Reichsfluchtsteuer, zahlreiche Sonderabgaben und schließlich durch den vollständigen Vermögenseinzug sowohl an denen verdiente, die in die Emigration getrieben wurden, wie an jenen, die blieben, weil ihnen das Geld für die Auswanderung fehlte oder weil sie ihre Heimat trotz allem nicht verlassen wollten. Nach den Deportationen kam es überall zu öffentlich angekündigten Auktionen aus »jüdischem Besitz«: Tischwäsche, Möbel, Kinderspielzeug, Geschirr, Lebensmittel wechselten die Besitzer.

Die Ausstellung wurde von einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm mit Lesungen, Zeitzeugengesprächen, Filmvorführungen, Stadtrundgängen und Vorträgen begleitet.


Regionaler Schwerpunkt

Für die Präsentation in Osthofen wurde die Ausstellung wie an jedem ihrer bisherigen Standorte mit einem neuen Schwerpunkt versehen. Er beschäftigt sich mit der Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung in der Region und erzählt unter anderem von Jacob Guthmann aus Eich, Sally Blum aus Bodenheim, Ludwig Ebert aus Osthofen, der Familie Reiling aus Mainz sowie von Moritz und Emmy Buchdahl.


Foto: Auf der Grundlage der am 28. Februar 1933 erlassenen
»Verordnung zum Schutz von Volk und Staat« ordnete Dr. Werner Best,
Staatskommissar für das Polizeiwesen in Hessen, zum 1. Mai 1933 die
Schaffung eines Konzentrationslagers im damals zum Volksstatt Hessen
gehörenden Osthofen bei Worms an. Heute befindet sich hier eine der
beiden zentralen Gedenkstätten des Landes-Rheinlandpfalz.

Foto: Moritz Buchdahl um ca. 1939.
© HR/P. Buchdahl


Aufruf der Ausstellungmacher

Nach einem im Juni 2013 erstmals veröffentlichten Aufruf in der Presse meldete sich Annemarie Lutz bei den Ausstellungsmachern: Ihre Großtante, die 1895 in Udenheim geborene Klara Knab, hatte bei der Mainzer Familie Buchdahl gearbeitet.
Moritz Buchdahl hatte 1910 in der Flacksmarktstraße 24 das »Mainzer Betten-Haus« gegründet. Das Geschäft ging gut: Schon zweieinhalb Jahre später kam eine Zweigniederlassung am Darmstädter Marktplatz 11 hinzu. 1912 heiratete er die am 15. August 1881 in Hameln geborene Emmy Bendix. Das Paar bekam zwei Kinder: Gerd, geb. 12. August 1914, und Hans Adolph, geb. 7. September 1919.
Ungefähr zu dieser Zeit kam Klara Knab als Dienstmädchen in die Familie. Wie es damals üblich war, bewohnte sie ein Zimmer in der großzügigen, über dem Mainzer Geschäft gelegenen Wohnung. Die Beziehung zwischen der jungen Frau und den Buchdahls scheint über die Jahre eng geworden zu sein. Annemarie Lutz schreibt: »…Damals hing in Buchdahls Esszimmer ein Bild, ein Druck, der eine Szene aus Wagners Tannhäuser zeigte.« Klara bewunderte das Bild so sehr, dass Frau Buchdahl es ihr zu ihrer Hochzeit versprach.

Foto: »Tannhäuser«

Klara Knab vermachte den Druck, den sie von den Buchdahls erhalten hatte, ihrer Großnichte Annemarie Lutz. Sie hat in den letzten Jahren Nachfahren der Familie Buchdahl gesucht und ausfindig gemacht. Im Frühjahr 2013 gab sie den Druck an die in Kanada lebende Enkelin von Moritz und Emmy Buchdahl, Tanya Tintner, weiter.
Als das 1935 verabschiedete Gesetz »zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre« in Kraft trat, dessen § 3 es Juden untersagte, »deutschblütige« Dienstmädchen unter 45 Jahren zu beschäftigen, hielt Klara Knab den Buchdahls die Treue: Sie arbeitete weiter für die Familie.
Während des Novemberpogroms wurde das Geschäft schwer verwüstet. Moritz Buchdahl wurde für ca. vier Wochen in Buchenwald inhaftiert und nur unter der Bedingung frei gelassen, Deutschland auf schnellstem Weg zu verlassen. Als er schwer krank nach Mainz zurück kehrte, war er durch den Erlaß der »Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben« vom 12. November gezwungen, sein Geschäft zu schließen und das Warenlager zu einem niedrigen Preis zu verkaufen.
Für die erzwungene Auswanderung bezahlten Moritz und Emmy Buchdahl 18.000 RM als so genannte Reichsfluchtssteuer. Ihrem Dienstmädchen Klara Knab schenkten sie vor ihrer Abreise den »Tannhäuser«-Druck.

In der Ausstellung erinnerte eine Vitrine an die Ausplünderung der Familie Buchdahl und an Klara Knab, die der Familie bis zu ihrer Auswanderung die Treue hielt und noch bei den Enkeln der Buchdahls als die »loyale Klara« bekannt ist. Die Ausstellungsmacher suchen noch ein Foto der Flacksmarktstraße aus den 1910er bis 1930er Jahren, auf dem nach Möglichkeit das Haus mit der Nummer 24 und dem Geschäft der Familie Buchdahl zu sehen sein soll. Wenn Sie ein solches Foto besitzen, sprechen Sie uns bitte an:

Gedenkstätte KZ Osthofen
Tel.: 06242.910819
info(at)ns-dokuzentrum-rlp.de

Ramona Dehoff
Förderverein Projekt Osthofen e.V.
Tel.: 06242.910825
info(at)projektosthofen-gedenkstaette.de


Ausstellungsstation Dreieich

Montag, 3. Juni bis Sonntag, 10. November 2013

Dreieich Museum, Burg Hayn, Fahrgasse 52, 63303 Dreieich
Eröffnung: Sonntag, 2. Juni 2013

Die regionale Präsentation in Dreieich stand unter der Schirmherrschaft von Oliver Quilling, Landrat des Landkreises Offenbach. Sie wird unterstützt von der Stiftung Sparkasse Langen-Seligenstadt, dem Hessischen Ministerium der Finanzen, dem Bischöflichen Ordinariat Mainz, der Ernst Ludwig Chambré Stiftung zu Lich, der Mediengruppe Offenbach-Post, Dr. Bodo Sponholz-Stiftung für Wohlfahrt, Kunst und Wissen, dem Dekanat Dreieich, der Evangelischen Burgkirchengemeinde, der Evangelische Petrusgemeinde Langen, der Evangelisch-Reformierte Kirche Am Marktplatz Neu-Isenburg, der Dreieichschule Langen, der Ricarda-Huch-Schule Dreieich, der Volkshochschule Dreieich e.V., Volkshochschule Kreis Offenbach, der Stadtbücherei Dreieich, Frauenbüro Dreieich, Sprendlinger Bücherstube, den Bürgerhäusern Dreieich, dem Finanzamt Langen, dem Geschichts- und Heimatverein e. V. Dreieichenhain, dem Heimat- und Geschichtsverein Dietzenbach e.V., dem Museum für Heimat-kunde und Geschichte Dietzenbach, den Freunden Sprendlingens und dem Stadtarchiv Drei-eich.

Die Ausstellung »Legalisierter Raub« beschäftigt sich mit den Gesetzen und Verordnungen, die ab 1933 auf die Ausplünderung jüdischer Bürger zielten. Sie stellt die Beamten der Finanzbehörden vor, die die Gesetze in Kooperation mit weiteren Ämtern und Institutionen umsetzten, und sie erzählt von denen, die Opfer dieser Maßnahmen wurden. Sie zeigt, wie das »Deutsche Reich« durch die Reichsfluchtsteuer, zahlreiche Sonderabgaben und schließlich durch den vollständigen Vermögenseinzug sowohl an denen verdiente, die in die Emigration getrieben wurden, wie an jenen, die blieben, weil ihnen das Geld für die Auswanderung fehlte oder weil sie ihre Heimat trotz allem nicht verlassen wollten. Nach den Deportationen kam es überall zu öffentlich angekündigten Auktionen aus »jüdischem Besitz«: Tischwäsche, Möbel, Kinderspielzeug, Geschirr, Lebensmittel wechselten die Besitzer.

Die Ausstellung wurde von einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm mit Lesungen, Zeitzeugengesprächen, Filmvorführungen, Stadtrundgängen und Vorträgen begleitet.


Regionaler Schwerpunkt

Für die Präsentation in Dreieich wurde die Ausstellung wie an jedem ihrer bisherigen Standorte mit einem neuen Schwerpunkt versehen. Er beschäftigt sich mit der Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung in der Region und erzählt unter anderem von vier Silberbechern, die Corinna Molitor vor zwei Jahren in den Beständen des Museums fand:


Silberbecher der Familie Pappenheimer aus Sprendlingen. Vor ihrer
Deportation hatte die Familie Pappenheimer die Becher an die
Nachbarfamilie Schäfer übergeben. Sie befinden sich heute im
Museum Dreieich. Foto: © HR/Corinna Molitor


Nachdem sie 2011 die Leitung des Museums in Dreieichenhain übernommen hatte, begann sie, sich einen Überblick über die Bestände des Museums zu verschaffen und nicht mehr benötigte Leihgaben zurückzugeben. Dazu gehörten auch Leihgaben der Evangelischen Burgkirchengemeinde, die in der so genannten Kirchenvitrine des Museums gezeigt worden waren. Doch als Pfarrerin Nicole Oehler ins Museum kam, um die Kostbarkeiten abzuholen, stellte sich heraus: Vier silberne Becher stammten nicht aus dem Besitz der Gemeinde. Aber wem gehörten sie? Corinna Molitor studierte das Bestandsverzeichnis und wurde auf einer alten Karteikarte fündig. Der Text lautete:

         4 Silberbecher
         vermutlich aus dem Besitz der Familie Alfred Pappenheimer
         Hauptstr. 3, Sprendlingen

         vor der Deportation zur Aufbewahrung übergeben an:
         Anna und Ludwig Schäfer
         Hauptstr. 10, Sprendlingen

         Wieder entdeckt im Nachlass von Anna Schäfer von den
         Enkeln Hans Ludwig und Wilhelm Schäfer und 1997 dem
         Dreieich-Museum übergeben.

Als Corinna Molitor die Karteikarte fand, plante sie schon, die Ausstellung »Legalisierter Raub« in das Museum nach Dreieich zu holen. Im neuen Ausstellungsschwerpunkt zu Dreieich und Umgebung erzählen die Ausstellungsmacher u. a., was sie über die Familie Pappenheimer, die Familie Schäfer und die vier Silberbecher herausgefunden haben.

Ausstellungsstation
Wolfhagen

Die Ausstellung war vom 16. Januar bis 7. April im Regionalmuseum Wolfhager Land zu sehen.

Die regionale Präsentation in Wolfhagen steht unter der Schirmherrschaft von Uwe Schmidt, Landrat des Landkreises Kassel. Sie wird unterstützt von der Sparkassenstiftung Landkreis Kassel – Kultur, der Ernst Ludwig Chambré Stiftung zu Lich, der vhs Region Kassel, der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung, vom Arbeitskreis Rückblende – Gegen das Vergessen e. V., von Gegen Vergessen – Für Demokratie (Reg. Arbeitsgruppe Nordhessen), vom Internationalen Suchdienst (ITS) Bad Arolsen, vom Evangelischen Kirchenkreis Wolfhagen, von der Katholischen Kirchengemeinde Wolfhagen, von der Gedenkstätte Breitenau, der Region Kassel-Land e. V. (Ecomuseum), dem Kino Cinema Wolfhagen, der Stadt Wolfhagen und der Wilhelm Filchner Schule Wolfhagen.

Die Ausstellung »Legalisierter Raub« beschäftigt sich mit den Gesetzen und Verordnungen, die ab 1933 auf die Ausplünderung jüdischer Bürger zielten. Sie stellt die Beamten der Finanzbehörden vor, die die Gesetze in Kooperation mit weiteren Ämtern und Institutionen umsetzten, und sie erzählt von denen, die Opfer dieser Maßnahmen wurden. Sie zeigt, wie das »Deutsche Reich« durch die Reichsfluchtsteuer, zahlreiche Sonderabgaben und schließlich durch den vollständigen Vermögenseinzug sowohl an denen verdiente, die in die Emigration getrieben wurden, wie an jenen, die blieben, weil ihnen das Geld für die Auswanderung fehlte oder weil sie ihre Heimat trotz allem nicht verlassen wollten. Nach den Deportationen kam es überall zu öffentlich angekündigten Auktionen aus »jüdischem Besitz«: Tischwäsche, Möbel, Kinderspielzeug, Geschirr, Lebensmittel wechselten die Besitzer.

Wie an jedem ihrer bisherigen Standorte wurde die Ausstellung auch für die Präsentation in Wolfhagen mit einem neuen Schwerpunkt versehen. Er beschäftigt sich mit der Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung in der Region und erzählt unter anderem vom Schicksal der Familie Kron:


Foto: Salomon und Emma Kron
©: HR/Hans-Peter Klein

Foto: Theodor und Charlotte Kron um 1910

©: HR/Hans-Peter Klein

Salomon Kron, geboren am 9. November 1869, stammte aus einer in Wolfhagen alt eingesessenen, wohlhabenden Familie. Gemeinsam mit seiner Frau Emma und den beiden Kindern Theodor und Charlotte lebte er in einem mehrstöckigen Fachwerkhaus in der Mittelstraße 26, in dem das Ehepaar auch sein Manufakturwarengeschäft betrieb.
In den zehner und zwanziger Jahren trafen die Familie schwere Schicksalsschläge: Die Tochter Charlotte starb mit 11, Ehefrau Emma mit 48 Jahren.
Nach der »Machtübernahme« durch die Nationalsozialisten gelang Sohn Theodor, der in Wolfhagen und Arolsen zur Schule gegangen war, in Würzburg Medizin studiert und in Kassel als HNO-Arzt praktiziert hatte, im Sommer 1938 die Emigration in die USA. Salomon Kron blieb allein in Wolfhagen zurück. Nach der Pogromnacht 1938 war er gezwungen, sein Haus und seinen Grundbesitz zu verkaufen. Den Verkaufserlös erhielt er nicht: Er war, wie zu dieser Zeit bereits üblich, »auf ein Sperrkonto bei der Devisenbank einzuzahlen, über das nur mit Genehmigung der zuständigen Devisenstelle verfügt werden« durfte.
Salomon Kron zog nach Kassel. Auch er wollte auswandern, doch am 11. April 1941 wurde er im Arbeitserziehungslager Breitenau inhaftiert. Trotz seines hohen Alters und einer Herzschwäche wurde er zu Arbeitseinsätzen in der Landwirtschaft herangezogen. Er starb wenige Monate später in Breitenau am 21.6.1941.

Ausstellungsstation Butzbach


Die Ausstellung war vom 18. April bis 1. Juli 2012 im Museum der Stadt Butzbach zu sehen.

Die regionale Präsentation in Butzbach stand unter der Schirmherrschaft von Norbert Kartmann, Präsident des Hessischen Landtages. Sie wurde unterstützt von der Stadt Butzbach, der Ernst-Ludwig-Chambré-Stiftung zu Lich, dem Lions Club Butzbach, der Lagergemeinschaft Auschwitz, dem Wetteraukreis, der Buchhandlung Bindernagel, der Evangelischen Markus-Kirchengemeinde Butzbach, dem Butzbacher Bündnis für Demokratie und Toleranz, dem Geschichtsverein für Butzbach und Umgebung, dem Arbeitskreis Museum und Archiv Butzbach, dem Freundes- und Förderkreis Museum Butzbach, den Oberhessischen Versorgungsbetrieben AG (OVAG), dem Lauftreff Butzbach, der Sportjugend Hessen, der Volkshochschule des Wetteraukreises und dem Kino Capitol Butzbach.

Wie an jedem ihrer bisherigen Standorte wurde die Ausstellung auch für die Präsentation in Butzbach mit einem neuen Schwerpunkt versehen, der sich mit der Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung in Butzbach und Umgebung beschäftigt. An den regionalen Forschungen waren Schülerinnen und Schüler der Stadtschule Butzbach beteiligt, die sich mit dem Schicksal der aus Pohl Göns stammenden Familie Simon beschäftigten und einen Film mit einem der letzten noch lebenden Zeitzeugen drehten, der von seinen Erinnerungen an die Pohl Gönser Juden erzählt. Zwei Schüler der August-Hermann-Francke Schule in Gießen erforschten das Leben der Bankiersfamilie Moritz Herz, Schülerinnen und Schüler der Butzbacher Weidigschule das Leben von Paula (Pauline) und Hermann Löb.


Pauline Löb, geborene Heumann (geb. am 8.8.1870 in Guntersblum, gest. am 31.12.1938 in Gießen an den Folgen der ihr in der Pogromnach zugefügten Verletzungen) und ihr Ehemann Hermann Löb (geb. am 16.3.1874 in Wohnbach, gest. am 28.3.1948 in Wyoming, USA).
Die Fotos sind den 1935 ausgestellten Pässen entnommen.
©: Museum der Stadt Butzbach


Das Ehepaar Löb betrieb in seinem Haus in der Griedeler Str. 9 ein großes, gut gehendes Uhren- und Geschenkartikelgeschäft. Am 29. September 1938 wurde im Grundbuch eine Sicherungshypothek auf das Haus in Höhe von 16.000 RM »für etwaige Reichsfluchtsteueransprüche des Reichsfiskus, vertreten durch den Vorsteher des Finanzamts Friedberg« eingetragen. Die Reichsfluchtsteuer war 1931 zur Eindämmung der Kapitalflucht während der Weltwirtschaftskrise erlassen worden und betrug 25 % des steuerpflichtigen Vermögens. Nach der »Machtergreifung« der Nationalsozialisten wurde die Vermögensfreigrenze von 200.000 RM auf 50.000 RM sowie die Einkommensgrenze von 20.000 RM auf 10.000 RM herabgesetzt und damit der reichsfluchtsteuerpflichtige Personenkreis erheblich ausgeweitet. Zudem erhielt die Finanzverwaltung nun die Möglichkeit, beim bloßen Verdacht auf Auswanderungsabsichten einen Sicherheitsbescheid in der Höhe der Reichsfluchtsteuer zu erlassen. Damit konnte sie praktisch als Vorauszahlung erhoben werden.

Beglaubigter Auszug aus dem Grundbuch.
Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. Z 460 Nr. F 1866

Mit dem Eintrag der Reichsfluchtsteuer ins Grundbuch hatte die Familie Löb ihr Haus de facto verloren. 1940 wurde es von Hermann Löb für 14.000 RM an den Fotografen Philipp Pfaff verkauft, der Verkaufserlös an das Finanzamt abgeführt. Zusätzlich überwies Hermann Löb 2.000 RM von seinem Privatkonto, um die »Steuerschuld« zu tilgen. Die Flucht aus dem »Reich« gelang ihm nicht: Im Januar 1943 wurde er nach Theresienstadt deportiert. Zuvor war er gezwungen, für einen sogenannten Heimeinkaufsvertrag zur Unterbringung im »Reichsaltersheim« rund 42.000 RM zu bezahlen.

Ausstellungsstation Eschwege


Die Ausstellung war vom 27. Januar bis 5. April 2012 in der Sparkasse Werra-Meißner in Eschwege zu sehen.

Die regionale Präsentation der Ausstellung wurde unterstützt von der Ernst-Ludwig-Chambré-Stiftung zu Lich, dem Geschichtsverein Eschwege, dem Archiv der Stadt Eschwege, der Historischen Gesellschaft des Werralandes, der Buchhandlung Heinemann, der Musikschule Werra-Meißner und der Paul-Moor-Schule.

... hr4-Beitrag zur Ausstellungsstation Eschwege (mp3, 3 MB)

»Da mein Sohn außerordentlich begabt ist, wie auch sein Lehrer bestätigt, bitte ich Sie, mir das Klavier des evakuierten Juden zu überlassen.«
Mit dieser Bitte trat 1942 ein Offenbacher Bürger an sein Finanzamt heran. Zu dieser Zeit waren die Finanzämter bereits mit der so genannten Verwertung des Eigentums der Deportierten befasst, das seit der 1941 erlassenen 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz dem »Reich verfiel«. Überall kam es zu öffentlich angekündigten Auktionen aus jüdischem Besitz: Tischwäsche, Möbel, Kinderspielzeug, Geschirr, Lebensmittel wechselten den Besitzer. Viele schrieben an die Finanzämter, um sich das begehrte Klavier oder die schönere Wohnung zu sichern.

Vorausgegangen waren ab 1933 zahlreiche Gesetze und Verordnungen, die auf die Ausplünderung jüdischer Bürger zielten. Umgesetzt wurden sie von Beamten der Finanzbehörden in Kooperation mit weiteren Institutionen. In der Folge verdiente das »Deutsche Reich« durch die Reichsfluchtsteuer an denen, die es in die Emigration trieb, wie an denen, die blieben, weil ihnen das Geld für die Auswanderung fehlte oder weil sie ihre Heimat trotz allem nicht verlassen wollten. Die Ausstellung gibt einen Einblick in die Geschichte des legalisierten Raubs, in die Lebensgeschichten von Tätern und Opfern.

Sie ist vom 28. Januar bis 5. April 2012 auf Einladung der Sparkasse Werra-Meißner und der Stadt Eschwege in den Räumen der Sparkasse (Friedrich-Wilhelm-Str. 40–42) zu sehen. Für die Präsentation wird die Ausstellung mit einem neuen, regionalen Schwerpunkt versehen, der sich mit der Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung in Eschwege und Umgebung beschäftigt. Darüber hinaus ist ein umfangreiches Begleitprogramm mit Zeitzeugenveranstaltungen, Führungen und Vorträgen geplant.


Dokument: Vermerk eines Finanzbeamten auf der Innenseite des Deckels
der Einkommenssteuerakte Ludwig Goldschmidts:
»Aktenvermerk:
Der Rohproduktenhändler Ludwig Goldschmidt hat seinen aus  nach Palästina ausgewanderten Kindern Beträge geschenkt. –siehe Vermögenssteuerakten– Diese Beträge sind bei einer Auswanderung des Ludwig Goldschmidt u. seiner Ehefrau geb. Plaut, nach § 3 Abs. 3 Ziffer 6 des Reichsfluchtsteuergesetzes dem reichsfluchtsteuerpflichtigen Vermögen zuzurechnen.
Eschwege, 3. März 1938
I.A. Unterschrift (unleserlich)«
Die Reichsfluchtsteuer war 1931 zur Eindämmung der Kapitalflucht während der Weltwirtschaftskrise erlassen worden und betrug 25% des steuerpflichtigen Vermögens. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurde die Vermögensfreigrenze von 200.000 RM auf 50.000 RM sowie die Einkommensgrenze von 20.000 RM auf 10.000 RM herabgesetzt und damit der reichsfluchtsteuerpflichtige Personenkreis erheblich ausgeweitet. Zudem erhielt die Finanzverwaltung nun die Möglichkeit, beim bloßen Verdacht auf Auswanderungsabsichten einen Sicherheitsbescheid in der Höhe der Reichsfluchtsteuer zu erlassen. Damit konnte sie praktisch als Vorauszahlung erhoben werden. Die Reichsfluchtsteuer wurde zu einer Steuer, die vor allem die aus dem »Reich« flüchtenden Juden traf. Sie zielte auf eine Teilenteignung der Emigranten und traf auch Ludwig Goldschmidt. Am 4.3.1938 ordnete das Finanzamt mit »Rücksicht auf einen eventuellen Verkauf der Rohproduktenhandlung sowie Darmgroßhandlung u. eventuelle Auswanderung … den Erlass eines Sicherheitsbescheides … an«. Bevor Ludwig, Martha und Karl Goldschmidt Eschwege am 8. Februar 1939 verließen, waren sie gezwungen, die Reichsfluchtsteuer in Höhe von 33.000 RM zu bezahlen. Dazu kamen weitere Zwangsabgaben.
©: Staatsarchiv Marburg, Bestand 601 / 11, Nr. 18
Foto: Familie Goldschmidt, 1921.
Ludwig Goldschmidt (hinten stehend), Ehefrau Martha, geb. Plaut (Bild Mitte, sitzend), die Töchter Adelheid (links neben ihrer Mutter stehend) und Margret (rechts; auch Margaret) sowie Sohn Karl.
©: Anna-Maria Zimmer

Ausstellungsstation Gelnhausen


Die Ausstellung war vom 1. September bis zum 30. November 2011 auf Einladung des Main-Kinzig-Kreises im Main-Kinzig-Forum Gelnhausen zu sehen. Für die Präsentation wurde die Ausstellung mit einem neuen, regionalen Schwerpunkt versehen, der sich mit der Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung in Gelnhausen und Umgebung beschäftigt. Darüber hinaus ist ein umfangreiches Begleitprogramm mit Zeitzeugenveranstaltungen, Führungen und Vorträgen geplant

Die regionale Präsentation der Ausstellung wurde unterstützt von Stadt Gelnhausen, Sparkasse Hanau, Kreissparkasse Gelnhausen, Kreissparkasse Schlüchtern, Kreiswerke Main-Kinzig GmbH, Überlandwerk Fulda Aktiengesellschaft, Brüder Grimm-Haus Steinau, Staatliches Schulamt für den Main-Kinzig-Kreis.


Die Villa Sondheimer in Gelnhausen

Hier lebten bis zum September 1938 der Rechtsanwalt und Notar Dr. Elkan Sondheimer und seine Frau Gudrun mit ihren Kindern Hans, Fritz und Lotte.
Nachdem die Familie Gelnhausen verlassen hatte, erschien in der »Kinzig-Wacht« vom 4. Oktober 1938 ein Artikel, der sich auf einen Aushang am schwarzen Brett des Gelnhäuser Finanzamtes bezog: Der Rechtsanwalt sei zu 3400 RM Strafe wegen der Hinterziehung von Umsatz-, Einkommens- und Vermögenssteuer in den Jahren 1927 bis 1937 verurteilt worden.
Die Fingierung von Steuerschulden oder auch die Beschuldigung der Steuerhinterziehung waren ein beliebtes Mittel der NS-Finanzämter, um jüdische Steuerpflichtige an den Pranger zu stellen und auszuplündern.
©: Sammlung Karin und Christian Frick

Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung
in Korbach, Frankenberg, Volkmarsen und Umgebung


Die Ausstellung, die durch das Fritz Bauer Institut und den Hessischen Rundfunk mit Unterstützung der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen und des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst erarbeitet wurde, ist vom 8. November 2010 bis zum 27. März 2011 auf Einladung des Wolfgang Bonhage MUSEUMs Korbach im Museum zu sehen. Für die Präsentation wurde die Ausstellung mit einem neuen, regionalen Schwerpunkt versehen, der sich mit der Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung in Korbach, Frankenberg, Volkmarsen und Umgebung beschäftigt. Darüber hinaus ist ein umfangreiches Begleitprogramm mit Lesungen, Zeitzeugenveranstaltungen, Filmvorführungen, Stadtrundgängen und Vorträgen geplant

Neben dem Museum haben sich zahlreiche Institutionen und Organisationen an der Vorbereitung der Präsentation beteiligt: Hessischen Landeszentrale für politische Bildung, dem Stadtarchiv Korbach, der Alten Landesschule, vom Arbeitskreis Rückblende – Gegen das Vergessen e. V., „Gegen Vergessen-Für Demokratie“, Reg. Arbeitsgruppe Nordhessen, Finanzamt Korbach-Frankenberg, Jugendhaus Korbach, KVHS Waldeck-Frankenberg Nebenstelle Korbach, Förderkreis Synagoge in Vöhl, Waldeckischer Geschichtsverein e.V. – Bezirksgruppe Korbach, Zweigverein Frankenberg für hessische Geschichte und Landeskunde.


Familie Lichtenstein. Von links: Ilse Lichtenstein, die Großeltern Rosa und Selig Frankenthal, die Eltern Käthe und Meinhard Lichtenstein sowie die jüngere Schwester Inge.
Foto: ©: Ernst Klein
Ilse und Inge Lichtenstein flohen nach der Pogromnacht mit einem Kinder- und Jugendtransport in die Niederlande, wo sie in einem christlichen Kinderheim auf die Auswanderung in die USA warteten. Im März 1940, als Ilses Überfahrt bevorstand, bat sie ihre Eltern um die Zusendung eines Schlafanzugs und zweier Kissenbezüge, die sie in einem Handarbeitskurs selbst genäht hatte. Ihr Vater schickte die Textilien in zwei Päckchen als „Muster ohne Wert“, ohne seinen Absender anzugeben. Das Postamt benachrichtigte die Devisenstelle, die ein aufwändiges Ermittlungsverfahren gegen Meinhard Lichtenstein einleitete. Er wurde schließlich zu einer Strafe von 55 RM verurteilt, der Schlafanzug und die beiden Kissenbezüge wurden in Kassel öffentlich versteigert. Der Gewinn für die Reichskasse betrug 13,10 RM. Foto: ©: Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 519/3, Nr. 35631, Devisenakte Meinhard Lichtenstein


Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung
in Rotenburg, Bad Hersfeld, Bebra und Umgebung


So wie bei allen zur Deportation erfassten Juden wurde auch bei Jachet Katz überprüft, ob sie einen geeigneten Koffer besaß. Zu diesem Zweck reiste am 3. Januar 1941 ein Gerichtsvollzieher aus Sontra an. Auftraggeber war die beim Landesfinanzamt angesiedelte Devisenstelle, die eine maßgebliche Rolle bei der wirtschaftlichen Verdrängung, Überwachung und Ausplünderung deutscher Juden spielte. Den Wert des Handkoffers taxierte der Gerichtsvollzieher auf 9 Reichsmark, für die Schätzung stellte er Jachet Katz 20 Mark in Rechnung, plus 2,16 Mark Reisekosten und 50 Pfennig Schreibgebühren.

Kennkarte von Jachet Katz. So wie bei allen zur Deportation erfassten Juden wurde auch bei Jachet Katz aus Nentershausen überprüft, ob sie einen geeigneten Koffer besaß. Zu diesem Zweck reiste am 3. Januar 1941 ein Gerichtsvollzieher aus Sontra an. Auftraggeber war die beim Landesfinanzamt angesiedelte Devisenstelle, die eine maßgebliche Rolle bei der wirtschaftlichen Verdrängung, Überwachung und Ausplünderung deutscher Juden spielte. Den Wert des Handkoffers taxierte der Gerichtsvollzieher auf 9 Reichsmark, für die Schätzung stellte er Jachet Katz 20 Mark in Rechnung, plus 2,16 Mark Reisekosten und 50 Pfennig Schreibgebühren. Foto: © Jüdisches Museum Rotenburg

 

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