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So löscht man einen Verdacht

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Die Welt 3 December 2011
By Stefan Koldehoff

Auktionshaus lässt Kunstwerk aus Register entfernen

Eigentlich können Bund und Länder ihre Datenbank Lostart.de auch gleich schließen, so weitreichend ist die Entscheidung, die vor zwei Tagen in Magdeburg getroffen wurde. Dort sitzen die föderalistisch betriebene Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste und die Datenbank. Ziel: die "Erfassung von Kulturgütern, die infolge der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs verbracht, verlagert oder - insbesondere jüdischen Eigentümern - verfolgungsbedingt entzogen wurden". Museen und Sammler hatten so die Möglichkeit, nach verschwundenen, enteigneten und gestohlenen Werken zu suchen und sich vor dem Weiterverkauf zu schützen.


Damit könnte nun Schluss sein. Zum ersten Mal ist es nämlich einem Auktionshaus gelungen, nach Androhung juristischer Konsequenzen ein eingestelltes Kunstwerk wieder aus der Datenbank entfernen zu lassen. Dabei ist der Weg, den Wassily Kandinskys Aquarell "Zwei schwarze Flecke" nahm, als es die Ehefrau des Künstlers El Lissitzky in Deutschland zurückließ, alles andere als geklärt. Ob Sophie Küppers es 1927 bei ihrer Auswanderung nach Russland in Hannover zurückließ, wo die Nazis später ihre Sammlung beschlagnahmten, oder wie und wann es sonst an jene Bekannte gelangte, deren Familie es bis 1989 besaß und von der es der heutige Besitzer ersteigerte - darüber streiten nach wie vor die Küppers-Erben und das Auktionshaus Lempertz, das das auf bis zu eine Million Euro geschätzte Blatt am Freitagabend in Köln versteigern wollte.

Ein belastbares Dokument, das die angebliche Schenkung belegen würde, kennt man in Magdeburg bislang nicht. Man habe nach Plausibilitätsgründen entschieden, begründet Koordinationsstellenleiter Michael Franz seine spektakuläre Entscheidung: "Eine Tiefenprüfung seitens der Koordinierungsstelle sieht weder deren Mandat vor, noch wäre dies tatsächlich leistbar." Nun allerdings kann sich jeder Sammler auf diese Entscheidung berufen und ebenfalls verlangen, dass sein Bild nicht mehr als NS-Raubkunst gelistet wird - ohne dafür Beweise vorzulegen. Die Restitutionspolitik von Bund und Ländern steht damit vor einem Scherbenhaufen.http://www.welt.de/print/die_welt/kultur/article13748462/So-loescht-man-einen-Verdacht.html
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