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Flechtheim-Erben verlangen Bild des Macke-Schülers Seehaus zurück

1998
1970
1945
General-Anzeiger Bonn 4 April 2012
Von Thomas Kliemann 

Bonn.  Das Beben, das die Restitutionsforderungen der Erben des Kunsthändlers und Sammlers Alfred Flechtheim vor wenigen Jahren in der deutschen Museumswelt auslösten, erreicht jetzt mit zeitlicher Verzögerung auch Bonn.

Paul Adolf Seehaus: 'Leuchtturm mit rotierenden Strahlen' (1913), Kunstmuseum Bonn.  Foto: Archiv

Dessen städtisches Kunstmuseum besitzt seit dem Jahr 1949 ein Werk aus dem ehemaligen Besitz Flechtheims. Seit September 2009 laufen Verhandlungen zwischen den Flechtheim-Erben und dem Kunstmuseum Bonn. Es geht um ein "Restitutionsersuchen" für das Bild "Leuchtturm mit rotierenden Strahlen", das der rheinische Expressionist Paul Adolf Seehaus 1913 malte. Unter Restitution versteht man in diesem Fall die Rückgabe eines Kunstwerks aus ehemaligem jüdischen Kulturbesitz, das "verfolgungsbedingt entzogen wurde", wie es in der Amtssprache heißt.

Das Kunstmuseum kündigt für den Donnerstag kommender Woche einen Pressetermin zum Thema an. Man wolle die eigenen Nachforschungen sowie zwei Gutachten vorstellen. Der Flechtheim-Anwalt Markus Stötzel aus Marburg erklärte dieser Zeitung, es sei von beiden Seiten intensiv geforscht worden, und stellte eine "beidseitig gefundene Lösung" in Aussicht. Das Kunstmuseum will sich vor dem Pressetermin am 12. April nicht zum Thema äußern.

Von den Recherchen der Flechtheim-Erben sind außerdem die Staatsgemäldesammlungen in München, die Staatsgalerie Stuttgart, das Von-der-Heydt in Wuppertal, die Staatlichen Museen Berlin und weitere Institutionen, davon etliche in den USA, betroffen. Es geht um rund 60 Gemälde, die einst Flechtheim gehörten. Seit Ende 2008 befasst sich das Kölner Museum Ludwig mit einem Restitutionsverfahren der Flechtheim-Erben. Es handelt sich dabei um Oskar Kokoschkas "Porträt der Tilla Durieux" (1910).

Rückgefordert werden auch sechs Zeichnungen, allesamt Erwerbungen von Josef Haubrich. Von den Recherchen, die seitdem intensiv laufen, ist auch das Wallraf-Richartz-Museum betroffen. In Köln betreut Roswitha Neu-Kock vom Referat für Museumsangelegenheiten die Fälle. Laut ihrem Bericht vom November 2011 ergibt sich "für die Kölner Werke bisher kein verfolgungsbedingter Zusammenhang". Die Verhandlungen mit "dem Anwalt der Anspruchssteller" seien derzeit noch nicht abgeschlossen.

Grundlage der Restitutionsverhandlungen sind die Ergebnisse der "Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust, Washington, D.C." (1998), auf deren Basis sich die teilnehmenden Staaten zur Aufklärung des Vorkriegsbesitzes und zur Entwicklung gerechter Lösungen für die Rückgabe oder Entschädigung verpflichtet haben. Mit der "Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz" (1999) hat die Bundesregierung die eingegangene Verpflichtung bestätigt.

Bei dem Bonner Bild handelt es sich um ein Hauptwerk des August-Macke-Schülers Seehaus. Seehaus wurde 1891 in Bonn geboren, lernte 1911/12 bei Macke und ging dann auf die Universität Bonn, wo er unter anderem mit Max Ernst befreundet war. Sein Bild "Leuchtturm mit rotierenden Strahlen" lässt Anregungen durch die französische Moderne erkennen. Auf der von Macke in Bonn organisierten "Ausstellung Rheinischer Expressionisten" war er vertreten. Irgendwann kam das Bild in den Privatbesitz Flechtheims.

Was zwischen dessen Flucht ins Exil im Jahr 1933 und 1949 geschah, als das Bild bei Ketterer in Stuttgart versteigert und vom Kunstmuseum Bonn erworben wurde, wird man wohl am 12. April erfahren.

 

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