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Steuervorwürfe gegen Gurlitt fragwürdig - Questionable Tax Allegations against Gurlitt

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1945
Süddeutsche Zeitung 16 November 2013
Von Stefan Mayr, Frank Müller und Klaus Ott

Behörden und Politik blamieren sich im Krimi um mögliche NS-Raubkunst. Der Verdacht der Steuerhinterziehung gegen Cornelius Gurlitt wird sich kaum halten lassen. Jetzt bricht ein grotesker Streit zwischen Bayern und dem Bund aus.

Die Vorwürfe gegen Cornelius Gurlitt, er habe Steuern hinterzogen, werden sich kaum nicht halten lassen. Wie aus bayerischen Behörden zu erfahren ist, soll der Sohn des Nazi-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt in Österreich für "bescheidene Einkünfte" Steuer gezahlt haben. Damit wäre der deutsche Fiskus für Cornelius Gurlitt möglicherweise gar nicht zuständig. Er wird im österreichischen Melderegister mit Hauptwohnsitz in Salzburg geführt.

Nach Darstellung aus Behördenkreisen wären die Gurlitt angelasteten Steuerdelikte ohnehin verjährt. Auch wenn die Staatsanwaltschaft Augsburg, die sich mit Cornelius Gurlitt und seiner Sammlung beschäftigt, "krampfhaft" nach Delikten suche, wie in Behördenkreisen kritisiert werde. Die Augsburger Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Gurlitt wegen Steuerhinterziehung und Unterschlagung.

Um die Verantwortung dafür, dass die bei Gurlitt beschlagnahmten 1400 Werke 20 Monate unter Verschluss blieben, gibt es inzwischen einen grotesken Streit zwischen Bayern und dem Bund. Nach Darstellung des Justizministeriums in München soll mit dem Fall schon seit langem auch das Berliner Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen befasst sein, das zum Geschäftsbereich von Finanzminister Wolfgang Schäuble gehört. Dieses Amt kümmert sich um die Rückgabe von Kulturgütern, die während der NS-Zeit ihren Besitzern abgepresst worden sein könnten.

Auf Anfrage schilderte Bayerns Justizressort im Detail, wie das Bundesamt von Anfang an unterrichtet worden sei. Die Staatsanwaltschaft Augsburg habe das für Raubkunst zuständige Amt bereits während der Beschlagnahmung der Bilder Ende Februar, Anfang März 2012 telefonisch über den Fund informiert. Bei späteren Besprechungen in Berlin sei ein Mitarbeiter des Amtes dabei gewesen. Außerdem habe der ermittelnde Staatsanwalt mehrmals direkt Kontakt mit diesem Mitarbeiter des Bundesamtes aufgenommen.

Zahlreiche Briefe von Nachkommen jüdischer Verfolgter

Diese Darstellung weist das Berliner Amt zurück. Dem Amt sei eine telefonische Unterrichtung während der Durchsuchung "nicht bekannt". Das gelte auch für den behaupteten Kontakt zwischen dem ermittelnden Staatsanwalt und einem Mitarbeiter des Amts. Und das mit den Besprechungen in Berlin stimme auch nicht. Die Pressestelle des Bundesamtes erklärte, man habe erst Anfang November aus den Medien "von dem konkreten Ausmaß und den Hintergründen des Falles erfahren".

Die Augsburger Staatsanwaltschaft hat nach Auskunft von Behördenchef Reinhard Nemetz "diverse Geschäftsunterlagen beschlagnahmt, darunter auch solche älteren Datums bis in die 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts". Hildebrand Gurlitt hatte in der NS-Diktatur als Bilderhändler zahlreiche Werke in seinen Besitz gebracht.

Nun wird offenbar auch anhand von Hildebrand Gurlitts alten Geschäftsbüchern geprüft, ob diese Werke in der NS-Zeit jüdischen Bürgern und anderen Verfolgten abgepresst wurden. Die Augsburger Staatsanwaltschaft hat mittlerweile zahlreiche Briefe auch von Nachkommen jüdischer Verfolgter bekommen, die Ansprüche geltend machen. Bei der Prüfung solcher Ansprüche könnten die sichergestellten Dokumente eine wichtige Rolle spielen.

Guide English Translation

Authorities and politicians embarrass themselves. The suspicions of tax evasion against Cornelius Gurlitt cannot be maintained. Now a grotesque dispute between Bavaria and the Federal Government has broken out.

The charges against Cornelius Gurlitt that he had evaded taxes do not hold water. The Bavarian authorities have said he should have paid "modest income" in Austria.  Thus, the German tax authorities would possibly be not at all responsible
for Cornelius Gurlitt. He is in the Austrian Register as having his main residence in Salzburg.

After representation from the authorities, charges of tax fraud were barred anyway . Even if the Augsburg
prosecutor who is dealing with Cornelius Gurlitt and his collection is "desperately" looking for an offense that has been committed. The Augsburg office is investigating Gurlitt for tax evasion and embezzlement .

Where the responsibility lies for keeping the 1,400 works of art under lock and key for 20 months is now the subject of a bizarre dispute between Bavaria and the Federal Government. According to the Ministry of Justice in Munich, the case has for a long time been dealt with by the Berlin Federal Office for Central Services and Unresolved Property which is under the authority of Finance Minister Wolfgang Schaeubl. The Office is responsible for the return of cultural objects that may have been seized from their owners during the Nazi era.

The Bavarian Justice Department described in detail how the Federal Office was informed at its request from the beginning. The Augsburg prosecution had already informed the Office when it confiscated the works of art in late February, early March 2012. In later meetings in Berlin, an employee of the Office was present. In addition, the investigating prosecutor had repeated and direct contact with the staff of the Federal Office .

The Berlin Office denies this. It also denies receiving a telephone briefing during the search through the works of art.  The same applies to the alleged contact between the investigating prosecutor and an employee of the Office. And to the meetings in Berlin. The press office of the Federal Office states that they only "learned of the actual extent and the background of the case" at the beginning of November from the media.

The Augsburg public prosecutor has "seized various business documents, including those dating to the 1930s," according to information from Chief Prosecutor Reinhard Nemetz. Hildebrand Gurlitt had bought numerous of the works in his possession during the Nazi dictatorship.

Now these books provide evidence of whether the works of art were squeezed from Jewish citizens and other persecuted in the Nazi period. The Augsburg public prosecutor has now also received numerous letters from descendants of Jewish victims seeking compensation. In considering such claims, the seized documents could play an important role.

http://www.sueddeutsche.de/kultur/muenchner-bilderfund-steuervorwuerfe-gegen-gurlitt-fragwuerdig-1.1820141
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