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Ausstellung im Jüdischen Museum Gurlitt war überall

1998
1970
1945
Frankfurter Allgemeine Zeitung 28 November 2013
 

Eine Ausstellung im Jüdischen Museum zeigt, wie unerwünschte Maler, Händler und Kritiker von den Nazis aus dem Kunstbetrieb ausgeschlossen wurden - und wer davon profitierte.


Das Jüdische Museum in Frankfurt zeigt, dass das Thema Raubkunst nicht allein mit dem Fall Gurlitt aufgearbeitet ist.

Diese Ausstellung kommt wie bestellt. Während sich ganz Deutschland und die halbe Welt fragt, was mit den gut 1400 Werken des Kunsthändler-Sohns Cornelius Gurlitt geschehen solle, erklärt das Jüdische Museum, wer die Opfer und wer die Täter des großangelegten nationalsozialistischen Kunstraubs waren und wie das System der Enteignung und Bereicherung funktioniert hat. 1938 ist das entscheidende Jahr gewesen, in dem die jüdischen Künstler endgültig aus dem Kunstbetrieb ausgeschlossen, jüdische Sammler enteignet, jüdische Händler aus dem Geschäft gedrängt, jüdische Kritiker aller Veröffentlichungsmöglichkeiten beraubt wurden. Deshalb heißt die Schau im Jüdischen Museum auch „1938. Kunst - Künstler - Politik“.

Man musste nicht jüdischer Künstler sein, um den Repressionen des Regimes zum Opfer zu fallen. Der Maler Heinrich Ehmsen etwa war im NS-Sinn waschechter Arier. Er hatte freilich das Pech, dass er in der Zeit der Münchner Räterepublik auf seinen Bildern Geisel-Erschießungen zeigte - und dies auch noch in expressionistischer Manier. 1937 ließen die Nazi-Kunstfunktionäre Ehmsens Arbeiten aus den Museen entfernen und zeigten Gemälde von ihm in der berüchtigten Propaganda-Ausstellung „Entartete Kunst“. Doch der verfemte Maler näherte sich dem Regime wieder an. Seinem Antrag auf Aufnahme in die Reichskulturkammer wurde entsprochen, Ehmsen bekam daraufhin Aufträge vom Reichsluftfahrtministerium und arbeitete während des Krieges bei einer Propagandastaffel als Maler.

Kaum mehr Ausstellungsmöglichkeiten für die Malerin

Lotte Laserstein ihrerseits schuf alles andere als „entartete Kunst“. Sie studierte nach dem Ersten Weltkrieg als eine der ersten Frauen an der „Akademischen Hochschule für die bildenden Künste“ in Berlin und malte in der Tat ganz akademisch. Ihr Gemälde „Russisches Mädchen mit Puderdose“ zeigte sie 1928 in der renommierten Galerie Gurlitt in Berlin, die der Vater des Münchner Schätzehorters Cornelius Gurlitt betrieb.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten gab es für Laserstein freilich kaum mehr Ausstellungsmöglichkeiten, denn die Malerin war nach den Nürnberger Rassegesetzen eine „Dreivierteljüdin“. Laserstein emigrierte nach Schweden. Aus dem deutschen Kunstbetrieb ist sie auch nach dem Zweiten Weltkrieg ausgeschlossen geblieben. Denn jetzt ließ man in Deutschland nur noch die Moderne gelten, akademische Maler wie Laserstein blieben draußen vor der Museumstür.

Vor den Augen der Frau erschlagen

Die Kuratoren Julia Voss und Eva Atlan haben für Ehmsen und Laserstein sowie die bei einer „Euthanasie“-Aktion ermordete Malerin Elfriede Lohse-Wächtler je einen eigenen Raum mit vielen originalen Werken eingerichtet. Die kluge und kundige Ausstellung klärt aber auch über die NS-Kulturpolitik auf: Sie zeigt, wer gehen musste und wer dafür gekommen ist.

Hugo Helbing war neben Bruno und Paul Cassirer einer der bekanntesten Kunsthändler Deutschlands. In der Ausstellung ist ein schönes Gemälde von Max Slevogt zu sehen, das eine Auktion der Kunsthandlungen Cassirer und Helbing im Berlin des Jahres 1928 zeigt. In der Pogromnacht 1938 wurde Helbing in seiner Münchner Wohnung vor den Augen seiner Frau von Nazi-Schergen erschlagen. Seine führende Stellung als Kunsthändler übernahm in München Adolf Weinmüller. Er wurde der Beauftragte für die Gleichschaltung beim Bund der deutschen Kunst- und Antiquitätenhändler und schaltete in dieser Position fast die gesamte Konkurrenz aus. Den Geschäftsbüchern, in die das Nachfolge-Unternehmen vor drei Jahren Forschern Einblick gab und die jetzt im Jüdischen Museum gezeigt werden, kann man entnehmen, dass die Gestapo bei Weinmüller laufend Raubkunst einlieferte.

Profiteure der Raubzüge waren, auch dies belegt die Ausstellung, alle großen Museen des Reichs von der Kunsthalle Hamburg bis zum Kunsthistorischen Museum Wien. Auch das Städel und das Hessische Landesmuseum Darmstadt tauchen als Räuber, aber auch als Opfer von Beschlagnahmung „entarteter Kunst“ auf der Kunst-Landkarte auf. Vorrang beim Beutemachen hatte aber immer Hitler höchstpersönlich. Beim Verteilen des Raubgutes galt der „Führervorbehalt“ zugunsten seines geplanten „Führer-Museums“ in Linz.

http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/ausstellung-im-juedischen-museum-gurlitt-war-ueberall-12684865.html
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