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Provenienzforscherin regt Runden Tisch zu Beethovenfries an - Provenance Researcher Lilli suggests Roundtable to resolve Beethoven Frieze

1998
1970
1945
APA 24 January 2014
 

Wien (APA) - Der Umgang mit den Budgetnöten der Kulturinstitutionen des Landes gilt als erste Bewährungsprobe für den designierten Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ). Doch auch in einer anderen heiklen Causa habe er eine Profilierungschance, glaubt Sophie Lillie. "Ich glaube ganz sicher, dass der Beethovenfries zurückgestellt gehört", sagt die Restitutionsforscherin. "Man sollte das proaktiv angehen."

Lillie hat für eine von zwei Erbengruppen nach Erich Lederer, die eine Rückstellung des in der Secession befindlichen weltberühmten Kunstwerks von Gustav Klimt verlangen, ein Gutachten erstellt. "Erich Lederer ist ganz massiv unter Druck gesetzt worden und hat über viele Jahrzehnte keine Ausfuhrgenehmigung bekommen." Es falle daher unter die Bestimmungen des novellierten Restitutionsgesetzes. Doch der Fall sei kompliziert, gibt die Expertin zu, eine Entscheidung unter normalen Bedingungen könne sich noch Jahre hinziehen. Die Kunsthistorikerin regt ein unorthodoxes Vorgehen an: Ein außergewöhnliches Bild verlange außergewöhnliche Maßnahmen.

Ausloten von Vergleichsmöglichkeiten

"Der Beethovenfries ist ein ganz zentrales Werk. Er verdient es, dass wir uns die bestmögliche Handhabe, die besten Ideen dazu überlegen. Er verdient es, dass sich viele kluge Köpfe zusammensetzen, um eine gemeinsame Lösung zu finden", sagt die 1970 geborene Wienerin im APA-Interview. Sie schlägt einen Runden Tisch vor, bei dem alle Betroffenen wie Vertreter von Bund, Secession und Belvedere gemeinsam mit den Erben Vergleichsmöglichkeiten ausloten. "So etwas sieht das Gesetz aber nicht vor. Dort heißt es nur: Hopp oder dropp. Die Frage ist: Ist das die wirklich einzige Möglichkeit?"

Bewegung wird in Kürze in einen prominenten Kunstfall kommen, der in den vergangenen Monaten vor allem in Deutschland für Schlagzeilen gesorgt hat. Im Fall der beschlagnahmten Sammlung des Kunsthändlersohns Cornelius Gurlitt soll Zusammensetzung und Arbeitsplan jener Task Force bekannt gegeben werden, die die Provenienzen jener rund 600 Bilder prüfen soll, die unter Raubkunstverdacht stehen. Sophie Lillie wird der Task Force angehören, nominiert von der Claims Conference, die jüdische Ansprüche in Deutschland vertritt. Angesichts der Fülle der zu überprüfenden Werke eine Mammutaufgabe, zu deren Details Lillie allerdings noch nicht Stellung nehmen möchte.

Das Thema Restitution hat in Deutschland erst durch den Fall Gurlitt jene Brisanz gewonnen, die das Thema in Österreich mit der Beschlagnahme von Schieles "Wally" und der Restitution von Hauptwerken der Sammlungen Rothschild und Bloch-Bauer schon vor Jahren bekommen hat. 2003 publizierte Lillie, die mittlerweile ihre Dissertation über die Wiener Kunstsammlerinnen Serena Lederer, Jenny Steiner und Aranka Munk fertigstellt, ihr Buch "Was einmal war", das auf über 1.400 Seiten 150 in der NS-Zeit enteignete Kunstsammlungen Wiens auflistet und längst als Standardwerk gilt. "Seither hat sich wahnsinnig viel getan. Ich könnte heute ohneweiteres noch ein Buch dieses Umfangs zusammenstellen. Und ich habe zu den bereits von mir beschriebenen Sammlungen viel zusätzliches Material. Was man aber bei einer Neuauflage vor allem ändern müsste, ist die Tatsache, dass seither vieles, das ich aufgelistet habe, restituiert wurde. In dieser Hinsicht ist es sehr gut, wenn es sich überholt..."

Nüchternere Herangehensweise

Tatsächlich habe Österreich so viele und so bedeutende Werke an die Erben der einstigen Besitzer zurückgegeben wie kein anderes Land, sagt Sophie Lillie. Auch das Prozedere für Rückstellungsverfahren sei gut geregelt. Nur eines stört sie: "Die Diskussion müsste nicht so emotional sein, wie sie geführt wird. Man sollte nüchterner an die Sache herangehen, nicht alles so persönlich nehmen." Für hohe Emotionen hat im Vorjahr auch die Gründung einer Privatstiftung rund um die umstrittene Sammlung des Klimt-Sohns Gustav Ucicky gesorgt. Der Filmemacher hatte in der NS-Zeit eine bedeutende Kunstsammlung zusammengetragen und dabei von den Enteignungen und Pressionen gegenüber jüdischen Sammlern profitiert. Weil der kaufmännische Direktor des Leopold Museums, Peter Weinhäupl, Vorsitzender des Stiftungsvorstandes wurde, trat der künstlerische Leiter Tobias Natter aus Protest zurück. Lillie zeigt Respekt vor diesem Schritt. Die Stiftung beinhalte ein Gemälde und mehrere Zeichnungen aus der Sammlung Gertha Felsövanyi, die nach dem "Anschluss" aus Österreich flüchtete. Dass diese Werke ungeprüft in die Stiftung eingebracht worden seien, hält Lillie für "maximal unglücklich", die dort nun mit Provenienzforschung befassten Kollegen hält sie jedoch für ausgewiesene Fachleute.

Es bleibt in Sachen Provenienzforschung noch viel zu tun. "Alle träumen von der universellen Datenbank, in die man ein Bild nur hineinstellen muss und es kommt Ja oder Nein heraus. Die wird es aber nie geben. Auch wenn sich die Hilfsmittel, auch die digitalen, deutlich verbessert haben." Durch den George-Clooney-Film "Monuments Men", der in wenigen Tagen bei der Berlinale uraufgeführt wird, dürfte das Thema noch zusätzliche Breitenwirksamkeit erhalten. Und ein Ende ist keineswegs abzusehen. "Ich habe nicht diese Sehnsucht nach dem Schlussstrich, die andere haben", sagt Lillie. "Ich weiß, dass Restitution noch viele Jahre ein Thema bleiben wird. Und das ist auch wichtig. Es hat keinen Sinn zu verdrängen. Es hat keinen Sinn zu vertuschen. Es hat keinen Sinn etwas schönzureden. Die Vergangenheit wirkt in die Gegenwart. Wenn wir nicht versuchen, sie zu lösen, bleibt das Trauma bestehen."

Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA

http://science.apa.at/rubrik/kultur_und_gesellschaft/Provenienzforscherin_regt_Runden_Tisch_zu_Beethovenfries_an/SCI_20140124_SCI39351351616626174
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