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Fall Gurlitt: Tod des Sammlers könnte Restitution verzögern - Gurlitt Case: Collector's death could delay restitution

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Tiroler Tageszeitung 7 May 2014
 

Düsseldorf - Nach dem Tod des Kunstsammlers Cornelius Gurlitt drohen die Verhandlungen über die Rückgabe von Kunstwerken aus seiner Sammlung ins Stocken zu geraten. „Es wird zu weiteren Verzögerungen kommen“, sagte der Anwalt Markus Stötzel, der die Erben des jüdischen Kunstsammlers Alfred Flechtheim vertritt, am Mittwoch der dpa. „Jetzt sind wir in einem Vakuum.“

Wegen der noch offenen Erbfrage fehlten den Anwälten nun Verhandlungspartner. Mit dem Tode Gurlitts am Dienstag habe auch dessen bisheriger Betreuer Christoph Edel, über den bisher mit Gurlitt Kontakt gehalten worden sei, keine Funktion mehr, sagte Stötzel. So lange unklar sei, wer der rechtmäßige Erbe der Gurlitt-Sammlung ist, könne es keine weiteren Verhandlungen geben.

Gurlitt starb vier Wochen nach der Vereinbarung mit der deutschen Bundesregierung und dem Freistaat Bayern. Darin hatte er zugesichert, seine Sammlung von Experten untersuchen zu lassen. Sollten Werke sich als Nazi-Raubkunst herausstellen, werde er diese zurückgeben. Stötzel sagte: „So lange ein Erbe das Erbe nicht antritt, hängt die gesamte Verfügung in der Luft.“

Der Berliner Rechtsanwalt und Kunstexperte Peter Raue widerspricht dem jedoch. Gurlitts Vertrag gelte über den Tod hinaus, sagte Raue am Mittwoch der dpa. „Ich glaube nicht, dass es sehr viel komplizierter wird.“ Auch das bayerische Justizministerium hatte mitgeteilt, dass die Vereinbarung mit Gurlitt auch für dessen Erben bindend sei.

Stötzel ist nach eigenen Angaben seit geraumer Zeit im Gespräch mit der von der Bundesregierung gebildeten Expertenkommission zur Aufklärung des Münchner Bilderfunds. Die Task Force verfüge über die Korrespondenz aus den 30er Jahren sowie Inventarbücher von Gurlitts Vater Hildebrand Gurlitt, der einer der vier begünstigten Kunsthändler Adolf Hitlers war, sagte Stötzel. Die Papiere seien in der Wohnung von Cornelius Gurlitt sichergestellt worden.

Cornelius Gurlitt hatte 2011 das Bild „Der Löwenbändiger“ von Max Beckmann versteigern lassen, das einst in Flechtheim-Besitz war. Vor dem Verkauf hatte Gurlitt sich mit den Flechtheim-Erben geeinigt. Die Anwälte hatten auch bereits die Rückgabe eines Kokoschka-Bildes aus dem Museum Ludwig in Köln erstritten.

Das Amtsgericht München prüft derzeit, ob Gurlitts Testament ordnungsgemäß ist und ob er Erben eingesetzt hat. Diese hätten sechs Wochen, falls sie im Ausland leben sogar sechs Monate Zeit, das Erbe anzunehmen. Sollten die Bilder ins EU-Ausland gehen, zum Beispiel nach Österreich, so wäre das rechtlich kein Problem, sagt der Jurist Anton Steiner, Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht. Nach dem Tod seiner Schwester Benita hatte der kinderlose und als menschenscheu geltende Gurlitt nur noch entfernte Verwandte. Dazu gehören ein entfernter Cousin in Spanien und sein Schwager, der in der Nähe von Stuttgart lebt; entfernte Verwandte haben allerdings keinen Anspruch auf einen Pflichtteil.

 

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