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"Lex Gurlitt": Bayern wirft Justizminister Maas Untätigkeit vor - "Lex Gurlitt": Bavaria accuses Justice Minister Maas of being inactive

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Spiegel Online 3 June 2014
Von Björn Hengst


CSU-Politikerin Haderthauer: Kritik an Bundesjustizminister Maas

Bayern will die Rechtsansprüche für Nazi-Raubkunst neu ordnen - als Reaktion auf den Fall Gurlitt. Nun übt der Freistaat scharfe Kritik an Bundesjustizminister Heiko Maas: Der unternehme in dieser Frage viel zu wenig.

München - Der Titel klingt sperrig, birgt aber einige Brisanz: Wenn der Bundesrat sich am 13. Juni trifft, steht unter Tagesordnungspunkt 8 der Entwurf eines Gesetzes "zum Ausschluss von Herausgabeansprüchen bei abhanden gekommenen Sachen, insbesondere bei in der NS-Zeit entzogenem Kulturgut".

Im Kern besagt die Regelung: Personen, die sich wissentlich im Besitz von NS-Raubkunst befinden, sollen im Rechtsstreit mit Erben der NS-Verfolgten keine Verjährungsfrist geltend machen können. Das sorgt nun für Diskussionsstoff.

Bei dem Entwurf handelt es sich um eine Initiative Bayerns, die der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) erstmals am 14. Februar in der Länderkammer vorgestellt hatte. Die Initiative ist eine Reaktion auf den als Fall Gurlitt weltbekannt gewordenen Schwabinger Kunstfund - nur tritt der Freistaat mit seinem Anliegen bislang auf der Stelle und ist darüber offenbar verärgert.

Einen Verantwortlichen glaubt man in München bereits gefunden zu haben: Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Die bayerische Staatsregierung warf dem Minister in der Angelegenheit jetzt ziemlich unverblümt Untätigkeit vor, was für die Stimmung in der Großen Koalition in Berlin zwischen CSU und SPD nicht unbedingt förderlich sein dürfte.

Deutliche Kritik aus Bayern an Bundesjustizminister Maas

Monatelang sei die Initiative Bayerns im Bundesrat vertagt worden, sagte Christine Haderthauer, Chefin der Münchner Staatskanzlei, am Dienstag. SPD-geführte Bundesländer hätten signalisiert, man wolle einen Gesetzentwurf von Maas abwarten. Es gebe aber bislang "keinen Vorschlag vom Bundesjustizminister", kritisierte die CSU-Politikerin, Maas habe bisher "in keiner Weise Planungen aufgenommen". Entsprechend wolle Bayern jetzt eine Befassung im Bundesratsplenum erzwingen.

Das Bundesjustizministerium teilte am Dienstag auf Anfrage mit, dass es derzeit unter Beteiligung mehrerer Ressorts intensiv prüfe, "wie Eigentümern oder früheren Eigentümern durch gesetzgeberische Maßnahmen zu einer Restitution verholfen werden kann. Wir planen, hierzu im Laufe dieses Jahres einen Gesetzentwurf vorzulegen".

Zwar zielt der bayerische Gesetzentwurf nicht allein auf Fälle aus der Zeit des Nationalsozialismus, diese stehen aber im Mittelpunkt des Vorstoßes. Die geltende Rechtslage sei besonders in diesen Fällen "nur schwer erträglich, weil auf diese Weise durch den NS-Staat geschaffenes Unrecht auf Dauer perpetuiert wird", heißt es in dem Entwurf.

"Verfassungsrechtlich fragwürdig"

Mehrere Bundesländer hatten bereits im März signalisiert, die bayerische Gesetzesinitiative abzulehnen, darunter auch Nordrhein-Westfalen. Der Passus, der die Verjährungsfristen aushebeln solle, sei "verfassungsrechtlich fragwürdig", hatte der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kuschaty (SPD) erklärt. Auch Kunstrechtsexperten hatten sich zurückhaltend geäußert.

Ermittler hatten im Februar 2012 in der Münchner Wohnung des inzwischen verstorbenen Cornelius Gurlitt Hunderte Kunstwerke beschlagnahmt, unter anderem Bilder von Marc Chagall, Pablo Picasso und Max Beckmann. Gurlitt hatte die Bilder einst von seinem Vater vermacht bekommen, der nach 1933 als Kunsthändler Geschäfte mit den Nationalsozialisten gemacht hatte.

Zuletzt hatte Gurlitts vormaliger Betreuer, der Rechtsanwalt Christoph Edel, erklärt, dass nach derzeitigen Erkenntnissen nur wenige Bilder des verstorbenen Kunstsammlers unter Raubkunst-Verdacht stehen würden.

 

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