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Angermuseum Erfurt: Kein neuer Kunst-Krimi in Sicht - Angermuseum Erfurt: No new art thriller in sight

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Thüringische Landeszeitung 26 July 2014
 

Wie landete das Ölgemälde einst im Angermuseum? Auf welchem Weg fand die Fayence vor Jahrzehnten ihren Weg in die Sammlung? Wer übergab die Serie von Grafiken ans Haus? Fragen, mit denen sich die Kustoden des Angermuseums immer wieder auseinandersetzen.


Der Heilige Georg zu Pferd entstand um 1500 und gibt keinen Anlass zur Sorge. Einen Kunststreit müssen Direktor Kai Uwe Schierz (links) und Kurator Karsten Horn derzeit nicht befürchten.

Altstadt. Ganz unabhängig von Fällen, die unter die Überschrift DDR-Unrecht, Raubkunst oder Beschlagnahme durch Nationalsozialisten passen. "Aktuell haben wir zu diesen Themen keine weiteren Fälle in Arbeit", sagt Kai-Uwe Schierz, Direktor der Kunstmuseen der Stadt. Derzeit sei das Angermuseum nicht mit weiteren Rückforderungen konfrontiert.

Nachdem der Fall Dietel mit einem Vergleich beigelegt wurde und mit der Abgabe von Stücken aus der Sammlung an den Erben in Boston ein für alle Seiten befriedigendes Ende fand (TLZ berichtete), scheint das Museum von weiterem schlagzeilenträchtigen Kunststreit verschont.

Schierz erinnert sich darüber hinaus nur an einen Fall aus den 90er Jahren: Damals wurde eine Privatsammlung aus dem Nordthüringer Raum zurückgefordert. Sie war in einem sowjetischen Truppenlazarett gelandet, dann 1049 im Angermuseum. Um Kunst des 18. und 19. Jahrhunderts habe es sich dabei gehandelt. Anfang der 90er Jahre wandten sich die alten Eigentümer an das Museum - und die einst beschlagnahmten Kulturgüter wurden der Familie zurückgegeben.

Anfragen zur Rückgabe von geliehenen Kunstgegenständen aber gebe es immer mal wieder, sagt Schierz. Im Kleinen, gewissermaßen. Insbesondere die Kirchgemeinden, die mit ihren Leihgaben einen Anteil an den Schätzen des Angermuseums haben, würden in diese Rubrik fallen.

So hat aktuell die Predigergemeinde um die Rückgabe von zwei Steinskulpturen aus der Mittelalterabteilung ersucht, die zukünftig im Portalbogen des Kirchgebäudes aufgestellt werden sollen. Ein Wunsch, dem sich das Museum nicht verwahren könne - auch wenn konservatorische Bedenken blieben. Aber auch der umgekehrte Weg - aus Kirchenhand ins Museum - sei keine Seltenheit: Aktuell gehe es um einen spätmittelalterlichen Flügelaltar, der als dauerhafte Leihgabe seinen Standort von einer Kirche bei Eisenach mit einem im Erfurter Angermuseum wechseln soll. "Ein sehr schönes Objekt, das zunächst in den Restaurierungswerkstätten aufbereitet werden muss", sagt Schierz.


Im Juni 2010 besuchte Matthias Dietel mit Gattin Patricia Scangas das Angermuseum. Er forderte seit der Wende die Herausgabe von Erinnerungsstücken an seinen 1974 verstorbenen Vater, nun sind diese 23 Kunstwerke Bestandteil eines Vergleichs geworden und auf dem Weg nach Boston in den USA.

Aber zurück zu Rückforderungen: Anders als in Weimar, wo sich ein eigens dafür eingestellter Spezialist im Auftrag der Stiftung Weimarer Klassik der Provenienz-Forschung der Kunstgegenstände widmet, tun dies in Erfurt die Kustoden des Angermuseums quasi nebenbei oder bei vorliegenden Anträgen dann gezielt.

Dazu bieten die Inventarbücher des Museums die Grundlage: "Manchmal sind die Einträge nur schwer zu entziffern, an anderer Stelle sind sie missverständlich oder widersprüchlich", benennt Schierz Schwierigkeiten bei der Recherche. "Dann ist echte Detektivarbeit gefragt", sagt der Direktor.

So sei im Fall der neun Ölgemälde aus dem Besitz der Familie von Wintzingerode der Vermerk "aus sowjetischem Truppenlazarett Erfurt" zu finden gewesen - ein Hinweis auf ungewöhnliche Wege, die die Kunst ins Museum nahm. Im Fall Dietel indes sei eine Übergabe durch den Rat der Stadt Erfurt vermerkt gewesen - was kaum als Indiz für möglicherweise zu Unrecht im Museum vorhandene Kunst herhalten könne.

Experten der Provenienz-Forschung indes - ein solcher war im Erfurter Kunstverein unlängst zu Gast - würden anhand von Stich- und Schlagworten hellhörig werden, auch versteckte Hinweise ausfindig machen.

Einen solchen Experten will Schierz für eine so genannte Kurzprüfung gern ins Haus holen: "Um die Inventarbücher nach unsicheren Kandidaten durchforschen zu lassen."

 

http://erfurt.tlz.de/web/lokal/kultur/detail/-/specific/Angermuseum-Erfurt-Kein-neuer-Kunst-Krimi-in-Sicht-1527969139
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