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Zentrum für Kulturgutverluste noch 2014 - Centre for Cultural Property to take shape in 2014

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Art Magazin 18 September 2014
By Birgit Sonna and Daniel Boese

Es gibt eine Villa als Dienstsitz; Bund, Länder und Kommunen haben sich auf eine Stiftungssatzung geeinigt, und ein Budget gibt es auch. Das Zentrum für Kulturgutverluste kann 2014 starten, erzählt Kulturstaatsministerin Grütters im Interview.


Monika Grütters (CDU), Staatsministerin für Kultur der Bundesrepublik Deutschland. Fotografiert auf ihrer Dachterrasse im Kanzleramt.

Die meiste Aufmerksamkeit in Ihrer noch jungen Amtszeit haben Sie bisher durch den Fall Gurlitt und die erneute Debatte um den Umgang mit Raubkunst erhalten. Schon in den ersten Tagen als Kulturstaatsministerin kündigten Sie ein Deutsches Zentrum Kulturgutverluste an. In der Haushaltsdebatte im Bundestag bestätigten Sie Magdeburg als Standort – warum?

Monika Grütters: Das Land Sachsen-Anhalt hat zugesagt, eine sehr gute Adresse für den Dienstsitz zu finden. Sie haben uns eine eindrucksvolle Immobilie zur Verfügung gestellt. Ich wollte nicht nur symbolisch deutlich machen, dass es sich nicht nur um eine Bundesaufgabe handelt, sondern dass die Pflicht zur Provenienzrecherche dezentral für ganz Deutschland und seine Museumslandschaft gilt. Deswegen ist Magdeburg der richtige Ort. Außerdem gibt es dort bereits zu diesem Komplex die Koordinierungsstelle und die "Lost Art"-Datenbank.

Wie groß ist das Budget?

Ich habe die Mittel bereits verdoppelt von zwei auf vier Millionen Euro und werde sie im nächsten Jahr noch einmal deutlich erhöhen.

Haben Sie schon eine Person im Kopf, die das leiten soll?

Im Kopf ja. Aber man soll sich da nicht durch zu enge Vorgaben behindern – die Person macht oft den Stil einer Leitung aus. Das war zum Beispiel beim Jüdischen Museum Berlin so – da hat anfangs auch keiner mit einem Mann wie Michael Blumenthal gerechnet ...

Der Kunstsammler Ronald Lauder hat als Vorsitzender des jüdischen Weltkongresses übergreifende Provenienzforschung gefordert. Sein Vorwurf war, dass die Kunsthistoriker der Museen natürlich die Werke im Museum behalten wollen.

Wir werden den Vereinigungen der freiberuflichen Provenienzforscher eine Geschäftsstelle finanzieren. Deren Arbeit ist existenziell wichtig für die Glaubwürdigkeit der Provenienzrecherche – eben weil sie unabhängig sind. Deshalb ist es auch ein gutes Signal für die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit, dass wir die Arbeitsstelle für Provenienzforschung von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz an das neue Zentrum überführen.

Wann soll das Zentrum seine Arbeit aufnehmen?

Ich bin zuversichtlich, dass wir das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste noch in diesem Jahr aus der Taufe heben werden. Die Länder, die Kommunen und ich, wir werden uns Ende Oktober erneut treffen – dann werden wir gemeinsam das Zentrum an den Start bringen. Die Stiftungssatzung ist geschrieben, die Beteiligung von Bund, Ländern und Kommunen ist sichergestellt. Die Stiftungsrechtsform war wichtig, weil wir dadurch eine gute Gremienstruktur unter Beteiligung der Länder geregelt haben.

Wie sind die Gespräche abgelaufen?

Wir hatten eine Sitzung mit den Kulturministern der Länder und Vertretern der drei kommunalen Spitzenverbände im Kanzleramt. Da haben wir ausführlich über das Thema gesprochen. Im Übrigen werden wir diese Gespräche generell – also für sämtliche Kulturthemen – im Sinne eines kooperativen Kulturföderalismus zweimal jährlich etablieren. Solche regelmäßigen Treffen hat es bisher nicht gegeben – das muss man sich mal vorstellen! Es ist aber wichtig, dass wir miteinander reden und uns vernetzen, weil die Länder 42 Prozent, die Kommunen 44 Prozent der Kulturleistungen aufbringen, der Bund dann den Rest.

Was ist Ihr persönlicher Bezug zum Thema Raubkunst und dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste?

Das war eins meiner ersten Projekte als Kulturstaatsministerin. Ganz passend dazu ist, dass ich als Kunsthistorikerin viel Praxiserfahrung zu dieser Fragestellung mitbringe. In der Stiftung "Brandenburger Tor" haben wir viele Ausstellungen mit Werken aus der fraglichen Zeit gezeigt, daher kenne ich das Thema in seinen Facetten. Der Fall Gurlitt hat auf sehr spektakuläre Art ein Licht darauf geworfen.

Warum braucht es so ein Zentrum?

Es gibt Gott sei Dank seit der Washingtoner Konferenz 1998 viele Initiativen, die wir jetzt bündeln und verstärken müssen. Aber viele kennen die Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste in Magdeburg und die Arbeitsstelle für Provenienzforschung gar nicht. Übrigens auch viele adressierte Museen wissen das nicht, gerade auch solche, die sich keine eigenen Provenienzforscher leisten können. Mit dem Zentrum wird es jetzt einen nationalen institutionellen Ansprechpartner in Deutschland geben – mit professioneller Öffentlichkeitsarbeit und juristischem Sachverstand.

Was hat der Fall Gurlitt verändert?

Der Fall Gurlitt war eine Herausforderung – er hat das öffentliche Bewusstsein für diese große moralische Pflicht zur Aufklärung geschärft. Spätestens jetzt sehen die Museen, dass sie nicht nur auf ihre Ankaufspolitik und ihre Ausstellungen hin bewertet werden, sondern auch darauf, wie sie mit ihrer Geschichte umgehen. Das ist ein ganz wichtiges Charakteristikum geworden. Es melden sich zunehmend auch Privatleute bei uns, die jetzt aufgeweckt sind. Dabei geht es in den seltensten Fällen um materiellen Ausgleich, sondern uns geht es vor allem um die Anerkennung der Opferbiografien. Das ist eine bleibende Mahnung – auch 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges.

Cornelius Gurlitt hat das Verfahren nicht überlebt, noch ist kein Bild zurückgegeben – wie ist Ihre Bilanz vom Fall Gurlitt?

Der Bund und Bayern haben eine Taskforce eingerichtet, die mit Hochdruck an den Raubkunst-Fällen arbeitet. Für uns ist selbstverständlich, dass wir diese Arbeit zu Ende bringen. Unabhängig davon, wo die Werke liegen und wem sie gehören werden. Zwei Aspekte sind wichtig: Uns ist es gelungen, mit Cornelius Gurlitt zu einer gütlichen Einigung zu kommen und zur Provenienzrecherche der Werke in seinem Besitz sicherzustellen. Die Herkunft der Kunstwerke mit NS-Raubkunstverdacht wird jetzt durch Wissenschaftler erforscht und dokumentiert. Es ist das erste Mal, dass ein privater Besitzer so eine Vereinbarung geschlossen hat. Jetzt bekommt das Berner Kunstmuseum in der Schweiz die Bilder. Für den weiteren Umgang mit der Sammlung ist das fast ein Glücksfall, sowohl mit Blick auf die Geschichte als auch aktuell. Der Umgang mit den Berner Verantwortlichen gestaltet sich sehr kooperativ.

Warum ist die Kommunikation mit den Erben der Opfer so schwierig? David Toren beschwert sich in der Presse und hat Klage eingereicht, um den Max Liebermann seines Onkels zurückzuerhalten.

Die juristische Seite ist nur eine – die menschliche Seite kann ich gut verstehen, gerade auch die Ungeduld. Bei dem Liebermann gab es mehrere Antragsteller, dennoch scheint der Fall relativ klar. Das ist die seriöseste Aussage, die ich machen kann, denn ich forsche ja nicht selbst. Ich bin zuversichtlich, dass es hier bald ein Ergebnis der Taskforce geben wird. Im Moment kann aber weder dieses Bild, noch der Matisse zurückgegeben werden, weil alle diese Werke Teil des Erbes sind und erst nach Annahme des Erbes durch den neuen Eigentümer restituiert werden können. Das Kunstmuseum Bern braucht bis Ende des Jahres, um zu prüfen, ob es das Erbe annimmt.

Dauert die Aufklärung nicht insgesamt zu lange?

Der erste Eindruck der Ermittlungsbehörden vor Ort war, dass es sich hauptsächlich um sogenannte entartete Kunst handelte. Dass es aber auch um Raubkunst, also um naziverfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut geht, ist erst Monate später erkannt worden – wir haben dann sehr schnell mit der Einrichtung der Taskforce reagiert. Nicht zu vergessen ist das juristische Verfahren, das gegen Herrn Gurlitt lief; die Staatsanwaltschaft Augsburg war Herrin des Verfahrens. Durch die Vereinbarung mit Herrn Gurlitt kann und muss das aber jetzt beschleunigt werden. Und das geschieht auch.

 

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