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"Da bekomme ich glänzende Augen" - "It makes my eyes sparkle"

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OVB Online 22 October 2014
Simone Dattenberger im Gespräch mit Klaus Schrenk, Generaldirektor der Staatsgemäldesammlungen

Zu seinem Abschied: Klaus Schrenk, Generaldirektor der Staatsgemäldesammlungen, über Pläne, Probleme und Glücksgefühle. Klaus Schrenk, seit März 2009 Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, geht zum Ende des Monats in Ruhestand.

Auf die angebotene Verlängerung verzichtete er. Mit Gelassenheit, kluger Personal- und Ausstellungspolitik sowie Konsequenz gegenüber der Politik hat der gebürtige Hamburger (Jahrgang 1949) die Riesentanker wie die Alte und die Neue Pinakothek, die Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne (PDM) und die kleinere Schack-Galerie in München, aber auch die 13 Zweig-Galerien in ganz Bayern in sicherem Fahrwasser gehalten. Trotz miserabler finanzieller Ausstattung. Trotz Sanierungsmaßnahmen. Trotz Turbulenzen wie den Streit um die (Nicht-)Ausleihe des Dürer-Selbstporträts nach Nürnberg oder die Fälle von Beutekunst. Kunstminister Ludwig Spaenle (CSU) möchte zum Jahresende den Nachfolger bekannt geben.

-Was macht einen guten Generaldirektor aus?

Da gibt es unterschiedliche Auffassungen. Meine ist, dass so internationale Museumskomplexe wie die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen auf einer wirklich teamorientierten Arbeitsgrundlage geführt werden müssen. Das heißt, das Gespräch mit den Konservatoren zu suchen. Genau das ist die große Herausforderung: Die Konservatoren der Alten Pinakothek beschäftigen sich mit ihren Problemen so wie die der Neuen Pinakothek, der Pinakothek der Moderne und des Museums Brandhorst – und trotzdem muss es für das Gesamthaus übergreifende Fragestellungen geben. Die müssen für alle Kollegen Bedeutung haben, weil nur so eine Haltung nach außen sichtbar wird. Die oberste Richtlinie für mich ist stets gewesen, dass nur eine inhaltliche Führung der Museen tatsächlich erfolgversprechend und zukunftsorientiert ist. Dass nicht die Eventisierung im Vordergrund stehen kann, sondern dass aus dem Rückhalt der Sammlungen heraus die Präsentationen entwickelt werden. Dadurch ergeben sich die Verbindungen zu den Museen in aller Welt. Wir haben das vorbildlich hinbekommen, weil wir trotz einer relativ geringen finanziellen Ausstattung für alle Häusern abgestuft ein, wie ich finde, international orientiertes Ausstellungsprogramm verwirklicht haben.

-Ich habe die vergangenen Jahre Revue passieren lassen und mich an unser erstes Gespräch erinnert: In der Tat ist alles so gekommen, wie Sie es damals angekündigt haben.

Da gibt es natürlich Höhepunkte, und die sind für die einzelnen Museen auch wichtig. Für mich war ein wunderbares Erlebnis, dass wir das Jubiläum 175 Jahre Alte Pinakothek mit dieser fulminanten Ausstellungsserie durchführen konnten – ohne dass wir zusätzliche Mittel bekommen hätten. Dass das gelungen ist! Wir hatten die Neo-Rauch-Schau in der Pinakothek der Moderne und auch „Frauen“, die uns vor große Geldprobleme stellten, und jetzt bieten wir Canaletto. Wir haben die Schaustelle (Interims-Aktionsstätte der PDM, Anm. d. Red.) bewältigt, während die PDM repariert wurde. Diese total negative Nachricht der Schließung wurde durch die Schaustelle umgedreht in etwas äußerst Positives – das wird als Beispiel in Marketing-Handbücher aufgenommen werden! Wir haben mit der Wiedereröffnung der PDM ein Riesenprogramm durchgezogen. Wenn ich das aufzähle, bekomme ich im Nachhinein glänzende Augen. Auch, weil man weiß, wie kompliziert die Realisierungen waren.

-Was hat Sie in Ihrer bayerischen Amtszeit am meisten gefreut?

Was mich am meisten beeindruckt hat, ist die großartige Unterstützung der Förderkreise. Das ist etwas, worauf München stolz sein kann. Die Rolle des Pinakotheks-Vereins, der PIN oder der Stiftung Pinakothek der Moderne kann man nicht deutlich genug hervorheben. Sie geben den Häusern einen echten Rückhalt. Was mich so bewegt, ist, dass nicht nur das Engagement der Unternehmen vorhanden ist, sondern dass es auch von Familien über Generationen hinweg als Aufgabe weitergegeben wird. Darin hat München eine einzigartige Stellung. Aus meiner Sicht ist die Partnerschaft mit Audi seit 2011 ein großer Erfolg, weil das die erste Markenpartnerschaft gewesen ist. Das hat uns sehr, sehr geholfen; das Gleiche gilt für die Allianz mit ihrem „Blauen Mittwoch“ (freier Eintritt, Anm. d. Red.). Da haben wir zukunftsweisende Verankerungen gefunden. Sie machen nach außen sichtbar, dass die großen Museen darauf angewiesen sind, diese Verbindungen zu entwickeln und Drittmittel einzufahren. Das sind alles Bausteine, die aber nie das dringend erforderliche Engagement des Freistaats ersetzen können, um die Entwicklung der Staatsgemäldesammlungen voranzutreiben. Wir sind die Leuchttürme bayerischer Kulturpolitik. Wenn wir die Internationalisierung der Pinakotheken und des Kunstareals weiter forcieren, müssen die Häuser in Ordnung sein.

-Was muss der Staat nun konkret in Angriff nehmen?

Jetzt läuft die energetische Sanierung der Alten Pinakothek. Das wird uns vier Jahre beschäftigen. Die vordringlichste Aufgabe ist die Generalsanierung der Neuen Pinakothek – und dass die Planungsmittel freigegeben werden. Nur so können die Schritte, die zur Komplettrenovierung führen, umgesetzt werden. Das ist eine Riesenaufgabe, denn nicht nur das Museum schließt, sondern alle Büros und auch das Doerner-Institut müssen raus und eine Bleibe finden.

- Um welche Summen handelt es sich dabei?

Die Planungskosten sind nicht hoch: sechs Millionen.

-Der viel zu winzige Etat Ihrer Museen ist eine chronische Krankheit.

Wir haben einen Globalhaushalt. Die Eröffnung des Museums Brandhorst ist mir ja gleich am Anfang meiner Amtszeit zugefallen. Für München ist das eine großartige Situation, dass innerhalb kurzer Zeit zwei große Häuser entstanden: 2002 die Pinakothek der Moderne, 2009 das Brandhorst. Innerhalb von sieben Jahren hat München den Anschluss an die internationale Moderne gefunden. Die Flexibilisierung der Museen bedeutete, dass sie über ihre Haushalte verfügen können. Die umgekehrte Sicht zeigt, dass 85 Prozent durch fixe Kosten davon weggehen. Wir haben darüber hinaus weitere feste Beträge, weil die Aufsichten ausgelagert wurden, aber nicht durch zusätzliche Mittel gedeckt werden. Die Folge war, dass wir überhaupt keine beweglichen Mittel für Erwerbungen hatten und dass wir gezwungen waren, für alle Ausstellungen Drittmittel einzuwerben. Deswegen war die Partnerschaft mit Audi so bedeutsam. Die Finanzierung unserer Projekte ist eine extreme Gratwanderung, die jedes Jahr aufs Neue gewagt werden muss. Was mich nach wie vor beeindruckt, ist, dass die Kollegenschaft das produktiv aufgenommen hat und wir gemeinsam größere und kleinere Ausstellungen hinbekommen haben. Dabei war es wichtig, dass sich nicht alles auf die Pinakothek der Moderne konzentriert hat. Dass wir diesen Kreis der Pinakotheken stets lebendig gehalten haben, war ein schöner Erfolg. Das war eine meiner schwersten Aufgaben, weil es eine langfristige Planung erforderte.

- Die Staatsgemäldesammlungen versuchen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, was Beutekunst angeht.

Es gibt ja eine wirklich positive Entwicklung. Es ist, glaube ich, ganz unstrittig, dass es viel zu lange gedauert hat, in den Museen auch nur ansatzweise die Voraussetzungen für die Provenienzforschung zu schaffen. Ich bin aber immer noch entsetzt und entgeistert, wie die Staatsgemäldesammlungen zeitweise in der Presse völlig zu Unrecht angegriffen wurden. Wir waren nicht nur das einzige Haus, das 1999 in Washington (das Abkommen zur Beutekunst wurde da beschlossen) teilgenommen hat, sondern wir haben von 1999 bis 2002 mit der Öffnung der Göring-Sammlung die erste Forschungsstelle eingeführt; wir haben Andrea Bambi, die sich seit 2008 in einem festen Referat ausschließlich mit Provenienz beschäftigt. Es ist natürlich spürbar, dass das Staatsministerium für Kultur und Medien zusätzliche Millionen Euro für spezielle Projekte zur Verfügung gestellt hat: Wir haben seit vergangenem Jahr noch eine Kraft, die den Bestand der Staatsüberweisungen aufarbeitet. Das sind die Werke, die im Collecting Point übrig geblieben sind. Die Amerikaner übergaben sie dann der Bundesrepublik, und die hat sie verteilt. Man kann es nicht laut genug sagen: Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen besitzen keinen einzigen Restitutionsfall durch Ankäufe aus den Dreißiger- und Vierzigerjahren. Was wir haben, sind alles Problemfälle aus Stiftungen und Sammlungen, die in den Sechziger- und Siebzigerjahren zu uns gekommen sind. Das betrifft die Flechtheim-Sammlung ebenso wie das „Zitronenscheibchen“ aus der Sammlung Thyssen.

-Sie machen sich also keine Vorwürfe?

Wie wir damit umgegangen sind, ist nicht zu beanstanden. Wir haben auf der einen Seite die Verpflichtung die Provenienz zu untersuchen, und auf der anderen zu entscheiden: Rückgabe oder nicht. Das, was sich jetzt im Zusammenhang mit dem Fall Gurlitt an Vorwürfen gegen unser Haus gerichtet hat, traf mich sehr. Vieles wird sensationalisiert. Aber natürlich sind so manche Fragestellungen nur dank Gurlitt wieder virulent geworden. Wenn es diesen internationalen Aufschrei nicht gegeben hätte, wäre das neue Institut des Bundes für Kulturgutverluste nicht gegründet worden.

-Wie hat sich die Situation der Zweig-Galerien entwickelt?

Es hat sich einiges getan. Die Probleme, die wir in München haben, existieren spiegelbildlich auch dort. Bamberg ist auf gutem Wege, es ist neu gehängt worden; es gab Geld, das zu einer Renovierung geführt hat. Die meisten Galerien sind in einem ordentlichen Zustand. Allerdings haben einige echten Sanierungsbedarf, deswegen sind überraschende Entscheidungen zur Hilfe schön, etwa bei der Galerie Aschaffenburg. Die Zweig-Galerien werden von München aus mitbetreut. Wir können daher keine Bespielung leisten. Das Programm muss am Ort entstehen. Die Lokalpolitiker wünschen sich größere Aktivitäten, aber wir schaffen das nicht. Wir kooperieren mit den jeweiligen Kulturämtern oder der Schlösserverwaltung. Oft gibt es eine Erwartungshaltung. Wenn es indes zum Schwur kommt und die guten Ratschläge umgesetzt werden sollen, dann wird auf die leeren Kassen verwiesen. Man darf aber nicht vergessen, dass das alles großartige Sammlungen sind.

-Und für den Sommer ist noch die Ausstellungsreihe „Königsklasse“ auf Herrenchiemsee dazugekommen.

Ich hoffe, dass sich das Projekt fortführen lässt. Es ist ein wunderbares Verbindungsglied zwischen München und den Salzburger Festspielen – und toll für den Tourismus in Bayern.

 

http://www.ovb-online.de/kultur-tv/bekomme-glaenzende-augen-4197631.html
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