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Der lange Schatten der NS-Raubkunst - The Long Shadow Cast by Nazi-Looted Art

1998
1970
1945
MDR 23 October 2014
 

Hitlers "Kulturpolitik" hatte einen klaren Schwerpunkt: Kunstraub. Welche Rolle Hitler selbst bei der gezielten Plünderung von Kunstschätzen quer durch Europa spielte, beschreibt jetzt erstmals ein neues Buch der NS-Raubkunst-Expertin Birgit Schwarz. Doch wie steht es um die Lösung der unklaren Eigentumsverhältnisse und die Herkunftsforschung in unseren Museen?


Die Kombo zeigt drei von 25 Werken aus dem spektakulären Münchner Kunstfund, die seit November 2013 online einsehbar in der Lostart-Datenbank aufgelistet sind.

Der Fall des Cornelius Gurlitt im Jahr 2013, der jahrzehntelang rund 1.000 Kunstwerke in seiner Wohnung hortete, erinnert an eine düstere Zeit. Eine Zeit, die bis heute nicht abschließend aufgearbeitet wurde. Während der NS-Herrschaft verloren zahlreiche Kunstsammler, vor allem jüdischen Bürger, aufgrund rassischer, politischer oder weltanschaulicher Verfolgung ihr Eigentum durch Raub, Erpressung und Enteignung.

Kunstraub als Kernstück von Hitlers Kulturpolitik

Dabei war der Kunstraub keine Begleiterscheinung des NS-Machtapparats, sondern ein Kernstück der Kulturpolitik Hitlers. Sie war ihm so wichtig, dass sie mit dem "Anschluss" Österreichs 1938 zur Chefsache wurde und er über jedes beschlagnahmte  Werk persönlich zu verfügen verlangte. Das Diebesgut sollte in Museen im Großdeutschen Reich, insbesondere in den Ostgebieten, ausgestellt werden. Organisieren sollte dieses Kunstprogramm der Direktor der Dresdner Gemäldegalerie Hans Posse. Einblicke in diese Geheimsache liefert das neue Buch der NS-Raubkunst-Expertin Birgit Schwarz: "Auf Befehl des Führers - Hitler und der NS-Kunstraub" (Theiss).


Cover des Buches "Auf Befehl des Führers" von Birgit Schwarz

"Gerechte und faire Lösung"

Nach wie vor lagern auch in deutschen Museen Kostbarkeiten, deren Herkunft bislang ungeklärt ist. Dabei hat sich Deutschland neben 43 weiteren Staaten 1998 bei der Washingtoner Konferenz dazu verpflichtet, die Provinienz aller seiner Kunstwerke auf Raubkunst zu untersuchen und die jüdischen Erben ausfindig zu machen, um Ansprüche zu prüfen und eine "gerechte und faire Lösung" zu finden. Diese Selbstverpflichtung veranlasste Ende 1999 die Bundesländer, Kommunen und Verbände zu einer Erklärung, gemeinsam die Aufklärung anzugehen. Um diese zu unterstützen wurde eine Handreichung erstellt, ein Regelwerk, das bei der Feststellung eines verfolgungsbedingten Entzugs helfen soll.

Appell verhallt?

Allerdings: Laut einer Umfrage des Instituts für Museumsforschung aus dem Jahr 2012 gaben von 6.355 Museen in Deutschland lediglich 340 an, in ihren Sammlungen nach NS-verfolgungsbedingtem Kulturgut zu forschen oder es zumindest zu planen. Demgegenüber stehen die hohen Kosten für die komplexe Provinienzforschung, aber auch Unwissenheit und die rechtliche Besonderheit in Deutschland, dass der Anspruch auf das Diebesgut nach 30 Jahren erlischt (siehe § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Ist der Appell aus Washington etwa verhallt? Zumal die Washingtoner Erklärung nur Einrichtungen der öffentlichen Hand betrifft, nicht aber private Sammlungen.

Es scheint sich einiges zu tun: So hat im Februar dieses Jahres der bayrische Justizminister Winfried Bausback dem Bundesrat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Verjährungsfrist bei abhanden gekommenen Kunstgütern auszusetzen, wenn der neue Besitzer wissentlich Kunst fragwürdiger Herkunft über Jahrzehnte versteckt.

Beschlossene Sache: Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg


Blick auf das Gebäude der Koordinierungsstelle Magdeburg

Konkret ist der Beschluss der Regierung am 8. Oktober, der die Errichtung eines Deutschen Zentrum Kulturgutverluste vorsieht. In Magdeburg sollen die verteilten Kapazitäten der Herkunftsforschung gebündelt werden. Kulturstaatsministerin Monika Grütters erklärte dazu, 60 Prozent der deutschen Museen hätten ihre Bestände noch nicht auf NS-Raubkunstverdacht hin untersucht. Nur in zehn Prozent der Fälle stünden die Mittel dafür bereit. Das von Bund, Ländern und Kommunen geplante Zentrum soll bei der Recherche unterstützen. Auch Privatsammler und Privatmuseen, können übrigens die Hilfe des "Deutschen Zentrums Kulturgutverluste" in Anspruch nehmen.

 

http://www.mdr.de/kultur/raubkunst110.html
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