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Ein Gesetz für die Raubkunst - A Law for Looted Art

1998
1970
1945
Jüdische Allgemeine 6 November 2014

Auch ein Jahr nach dem Fall Gurlitt sind deutsche Museen und Politik gefordert
(English guide translation below)

 
Ronald S. Lauder
© Gregor Zielke

Knapp 70 Jahre nach dem Ende der NS-Herrschaft hat der Fall Gurlitt ein grelles Licht auf Deutschlands Umgang mit dem organisierten Raub von Kunst geworfen, die in jüdischem Besitz war. Gerade die deutschen Museen müssen sich seitdem fragen lassen, wie es sein kann, dass viele ihrer Bestände noch nicht einmal ansatzweise auf Raubkunst hin überprüft worden sind.

Gewiss, seit dem Fall Gurlitt vor einem Jahr hat sich einiges getan. Eine vom Jüdischen Weltkongress im Frühjahr durchgeführte Umfrage unter deutschen Museumsdirektoren zeigt: Das Bewusstsein für die Problematik ist deutlich gestiegen. Auch die Politik hat erste wichtige Schritte unternommen. So hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters eine neue Stiftung zur Provenienzforschung auf den Weg gebracht, die Museen und privaten Sammlern helfen soll, die Vorgeschichte ihrer Kunstwerke zu überprüfen. Wünschenswert wäre, dass alle Museen ihre fraglichen Bestände endlich ins Internet stellen, wie dies beispielsweise in Großbritannien der Fall ist, um so Licht ins Dunkel zu bringen.

besitzstandswahrung Die entscheidende Frage aber ist: Werden die deutschen Museen sich kooperativ verhalten? Besitzstandswahrung ist ein zutiefst menschlicher Zug, aber in diesem Fall wäre es moralisch verwerflich, wenn nicht alles getan würde, um geraubte Kunstwerke aufzuspüren und sie ihren rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben. Dazu braucht es auch ein Raubkunstgesetz, doch die Politik hat sich bislang darüber nicht einigen können. Notwendig sind klare Regelungen über die Verjährung von Rückgabeansprüchen; leider wurde die Initiative des Freistaats Bayern vom Bundesrat gestoppt.

Es gilt, den politischen Druck aufrechtzuerhalten, damit die Bemühungen um eine schnelle Überprüfung aller relevanten musealen Bestände nicht wieder erlahmen. Die 1500 Werke, die sich im Besitz von Cornelius Gurlitt befanden, sind ein Sonderfall. Auch hier muss nun eine anständige Lösung gefunden werden, die zuvörderst die Interessen der Opfer berücksichtigt. Solange die Herkunft vieler Werke in der Gurlitt-Sammlung unklar ist, wird uns dieses Thema erhalten bleiben.

Dennoch: Es ist genug diskutiert worden. Die Verantwortlichen in Politik und Museen müssen jetzt handeln, damit die letzten Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs – die geraubten Kunstwerke – endlich in die Freiheit entlassen werden können.

Der Autor ist Präsident des Jüdischen Weltkongresses.

English guide translation:

Almost 70 years after the end of Nazi rule the Gurlitt case has thrown a harsh light on Germany's handling of the organized looting of art which was owned by Jews. Especially one has to wonder about the German museums since there have not even been rudimentary checks for looted art in many collections.  

Certainly, since the Gurlitt revelation a year ago, much has happened. A study conducted by the World Jewish Congress in the spring among German museum directors shows that the awareness of the problem has increased significantly. Important first steps have been taken at a policy level. So Culture Minister Monika Grütters has launched a new foundation for provenance research that will help museums and private collectors to review the history of their art. It would be desirable that all museums finally put their questionable stocks on the Internet, as is the case for example in the UK, so as to bring light into the darkness.

The crucial question, however, is are the German museums cooperative? It would be morally reprehensible, if not everything were done to track down stolen art and return it to its rightful owners. This requires a stolen art law, but the politicians so far cannot agree. It is essential that there are clear rules on limitation of restitution claims; Unfortunately, the initiative of the Free State of Bavaria was stopped by the Federal Council.

http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/20673
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