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«Wir klammern uns nicht an dieses Geschenk» - "We do not cling to this gift"

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1945
Der Bund 14 March 2015
Von Daniel Di Falco und Brigitta Niederhauser

Das Kunstmuseum bestreitet, einen Deal mit Dokumenten offeriert bekommen zu haben. Trotzdem steht es mitten 
im Konflikt, den sich ein Teil der Familie Gurlitt mit den deutschen Behörden liefert.

Chris­toph Schäublin, Präsident des Kunstmuseum-Stiftungsrats: «Niemand hat uns jemals Dokumente angeboten». Bild: Adrian Moser

Und jetzt auch noch «Conny-Leaks». Das ist der Kosename, unter dem diese Woche die neueste Zuckung in der Causa Gurlitt die Runde machte. Demnach will eine Gruppe von Anwälten und Beratern im Umfeld von Uta Werner schon sehr bald Tausende Seiten Geschäftspapiere von Cornelius Gurlitt im Internet publizieren, die sie behändigt und kopiert habe. Uta Werner ist jene Cousine des gestorbenen Kunsthändlers und -sammlers, die aus der Familie ausgeschert ist: Sie bestreitet Gurlitts Testament vor Gericht. Und damit den Anspruch des Kunst­museums Bern auf das Erbe.

Daten für eine halbe Million?

Was alles in den Papieren stehen könnte, hat die Gruppe Werner bisher nicht verraten. Aber sie sollen unabdingbar sein, um die Herkunft der Kunstwerke zu rekonstruieren und die Sammlung so weit wie möglich vom Verdacht auf NS-Raubkunst und andere unsaubere Machenschaften zu befreien. Die angekündigte Veröffentlichung scheint ein Versuch zu sein, Druck zu machen und diese Abklärungen zu beschleunigen. Umso mehr, als die Namen betroffener Händler und Sammler nicht zensiert sein sollen. Aber mehr noch: Wie die «Berner Zeitung» ­berichtet (freilich ohne Nennung von Quellen), wurden dem Kunstmuseum schon letztes Jahr dieselben Dokumente angeboten. Und zwar für 430'000 Franken. Das aber ohne Erfolg.

Beim Museum selber weiss man davon allerdings nichts. «Niemand hat uns jemals Dokumente angeboten», sagt Chris­toph Schäublin, Präsident des Stiftungsrats. Tatsächlich habe das Kunstmuseum alle Unterlagen der Bundesrepublik übereignet: Anders als die meisten Bilder sollen sie in Deutschland bleiben und der Taskforce zur Verfügung stehen, der Forschergruppe, die die Sammlung von Amts wegen untersucht. Wobei das Museum gemäss der Vereinbarung mit Deutschland und Bayern die Papiere einsehen kann. Sofern die Richter in München das Testament bestätigen. Bis dann sollte eigentlich der Nachlassverwalter die Akten verwahren.

Uta Werners Teil der Familie scheint sich um den Ruf des Namens Gurlitt zu sorgen; sie hat die deutschen Behörden wegen der angeblich schleppenden Arbeiten kritisiert. Sieht ganz danach aus, als sei das Kunstmuseum jetzt endgültig in diesen offenen Konflikt gezogen worden. Umso weniger diplomatisch äussert man sich dort mittlerweile über die Vorgänge hinter den Kulissen. Es habe durchaus Druckversuche aus Werners Umfeld gegeben, sagt Stiftungsratspräsident Schäublin: Einige Tage bevor sich das Museum letzten November entschieden habe, das Erbe anzunehmen, habe man ihm angeboten, Werner würde das Testament nicht anfechten – gegen einen siebenstelligen Betrag. Auch eine Erbteilung sei vorgeschlagen worden. Zudem sei der Filme­macher Maurice Philip Rémy, ein Vertrauter Gurlitts, ans Museum herangetreten: mit der Offerte, einen Teil der Sammlung mit ­einem eigenen Team zu erforschen. Gegen Bezahlung aus Bern.

Warten auf das Gericht

«Wir sind auf keines dieser Angebote eingegangen», sagt Christoph Schäublin. «Wir wollen die Verantwortung übernehmen, die sich aus diesem Erbe ergibt. Aber wir klammern uns auf keinen Fall mit allen Mitteln an dieses Geschenk.» Darum nehme man auch die Anfechtung des Testaments «gelassen». Fragt sich dann freilich, warum das Museum trotzdem in den Ring gestiegen ist: Wie Uta Werner hat es beim Münchner Amtsgericht einen Erbschein beantragt, um sich den Anspruch aufs Erbe bestätigen zu lassen (der «Bund» berichtete). Das sei eine «rein formaljuristische Frage», erwidert Schäublin: Anders als in Deutschland genüge bei Rechtshändeln im Ausland das Testament allein allenfalls nicht.

Wann die Münchner Richter entscheiden und Klarheit über das Testament schaffen, sei derzeit kaum absehbar. «Das kann sehr schnell der Fall sein. Oder auch erst im Herbst.» Ebenso offen scheint auch die Frage, ob das Museum Rekurs anmelden würde, falls es das Erbe an Uta Werner verlöre. Er habe sich seine eigenen Gedanken gemacht, sagt Schäublin. «Aber über einen Rekurs muss dann der gesamte Stiftungsrat entscheiden.» (Der Bund)

 

http://www.derbund.ch/bern/kanton/Wir-klammern-uns-nicht-an-dieses-Geschenk/story/10801996
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