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Gurlitt-Testament ist gültig: Sein Letzter Wille geschieht - Gurlitt will is valid: It should be implemented

1998
1970
1945
Der Spiegel
Von Ulrike Knöfel

Cornelius Gurlitt, Sohn eines NS-Kunsthändlers, hortete in seinem Haus wertvolle Kunstwerke. Er wollte sie einem Museum in der Schweiz vermachen, Verwandte gingen gegen das Testament vor. Ohne Erfolg.

Gurlitt, Sohn und Erbe eines NS-Kunsthändlers, hatte seinen letzten Willen am 9. Januar 2014 und damit wenige Monate vor seinem Tod verfasst. Verwandte hatten die Gültigkeit des Testaments wegen Gurlitts psychischer Verfassung angezweifelt. Ein Gutachten, das vom Oberlandesgericht München in Auftrag gegeben worden war, bestätigt jetzt: Er war testierfähig.

Als Alleinerben hatte der alte Herr seinerzeit das Kunstmuseum Bern eingesetzt. Und mit dieser Institution hat die Bundesregierung beziehungsweise das Kulturstaatsministerium in Berlin längst eigene Vereinbarungen geschlossen. Diese betreffen vor allem das für Deutschland so heikle Thema NS-Raubkunst und deren Rückgabe an jüdische Familien. Würde das Testament nicht anerkannt werden, wäre das peinlich für die Regierung.

Noch hat das Münchner Gericht keine Erklärung herausgegeben, aber man ist dabei, die Verfahrensbeteiligten zu informieren. Die Anwälte Christian Blum und Claus Thiery von der Kanzlei CMS vertreten das Berner Museum. Sie sagen, der Gerichtssachverständige habe sich ausführlich mit der Lebensgeschichte, der Krankenakte, den Stellungnahmen und dem Gutachten der Gegenpartei auseinandergesetzt.

Ein endgültiges Urteil steht noch aus

"Er kommt zu dem Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen nicht vorliegen, für den Tag der Testamentserrichtung Testierunfähigkeit anzunehmen." Und: "Wenn das Gericht dem folgt, wovon auszugehen ist, wäre bestätigt, dass das Kunstmuseum Bern Erbe ist. Dies würde die Aufklärung, Provenienzforschung und etwaige Restitution der fraglichen Werke vereinfachen."

Ein Urteil ist damit noch nicht gefällt worden. Noch gibt es nur das Gutachten, und dazu können die Parteien bis Anfang Februar Stellung nehmen.

Leer geht nach jetzigem Stand die Verwandtschaft aus: Eine in Freiburg ansässige Cousine Gurlitts hatte Anspruch auf das Erbe erhoben. Das Argument der betagten Dame (und ihrer Berater) lautete, ihr Cousin sei keineswegs testierfähig gewesen, das Erbe dürfe dem Museum in Bern nicht zugesprochen werden. Sie legte sogar das Gutachten eines bekannten Psychiaters vor, das sie in Auftrag gegeben hatte und das nach Gurlitts Tod angefertigt worden war. Darin wurde der Eindruck vermittelt, der Sammler habe früh paranoide Wahnvorstellungen entwickelt, habe sich von den Nazis verfolgt gefühlt und sein Erbe nur deshalb einem ausländischen Museum vermacht.

Gurlitt war demnach nicht in der Verfassung, angemessene Entscheidungen über sein Eigentum zu treffen, das zu einem großen Teil von seinem Vater Hildebrand Gurlitt in der NS-Zeit zusammengetragen worden war. Gemeint sind da vor allem die 1500 Kunstwerke aus dem Erbe, vorwiegend Zeichnungen, Grafiken und Gemälde. Bedeutende Namen sind vertreten, Pierre-Auguste Renoir, Claude Monet, Paul Signac, aber auch viele Künstler der deutschen Moderne.

Kurzer Rückblick: Wegen eines möglichen Steuervergehens war Gurlitts Sammlung Anfang 2012 beschlagnahmt worden - zumindest jener Teil, der sich in seiner Münchner Wohnung befand. Von diesem "Schwabinger Kunstfund" erfuhr die Öffentlichkeit erst im Herbst 2013. Gurlitt galt als der Mann, der auch NS-Raubkunst hortete, also solche Werke, die einst jüdischen Besitzern entzogen worden waren. Die Regierung versprach rückhaltlose Aufklärung, die Herkunft aller Werke solle untersucht werden; eine Taskforce wurde dazu gegründet.

Gurlitt, gesundheitlich angeschlagen, wurde Ende 2013 unter Betreuung gestellt, diese wurde im Februar 2014 verlängert. Im Zuge dieses Verfahrens war er bereits von einem Psychiater untersucht worden. Sein Testament setzte der Sammler Anfang 2014 auf, als er sich im Krankenhaus befand. Nach einer Herzoperation kam im April 2014 noch eine Vereinbarung mit der Bundesrepublik Deutschland zustande. Darin stimmte der Kunsteigentümer überhaupt erst der Erforschung seiner Bestände durch die Taskforce zu und erlaubte auch Rückgaben, sollte Raubkunst gefunden werden. Im Mai 2014 starb Gurlitt mit 81 Jahren in seiner Schwabinger Wohnung.

Vieles an der Angelegenheit ist bizarr

Zwischenzeitlich war herausgekommen, dass er auch in seinem Salzburger Haus große Bestände an wertvoller Kunst aufbewahrt hatte, Werke, die Millionen wert sein dürften, außerdem viele Kisten mit wichtigen Unterlagen; sie lassen wohl auch bessere Rückschlüsse über weitere Raubkunstbilder zu.

Und eben das Thema Raubkunst sorgt dafür, dass sich der Fall Gurlitt vielleicht wieder zum Politikum entwickelt. Berlin hatte bereits mit dem erbenden Museum ausgemacht, dass all jene Bilder in Deutschland verbleiben, die Raubkunst sind oder bei denen der Verdacht naheliegt, dass es sich um welche handeln könne - vielleicht auch solche, bei denen dieser Verdacht einfach nur nicht ausgeschlossen werden kann. Genaue Zahlen, um wie viele Werke es sich handelt, werden von der Taskforce aber erst im Januar 2016 genannt. Dann wird es neuen Gesprächsbedarf geben.

Nichts an der Angelegenheit ist einfach, vieles ist nahezu bizarr. So wurden, als Gurlitt noch lebte und er unter Betreuung stand, die Salzburger Kartons mit den für die Aufklärung so wichtigen Unterlagen nicht an die Experten der Taskforce, sondern an einen Filmjournalisten weitergereicht; nach dem Tode Gurlitts dauerte es lange, bis die Dokumente dorthin gelangten, wo sie eigentlich aufzuarbeiten waren. Viele Dinge werden noch zu klären sein. Nicht nur die Geschichte der Bilder.

Und Berlin? Dort gibt man sich dennoch erfreut. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) betonte gestern auf Anfrage des SPIEGEL jedenfalls: "Wenn das Sachverständigengutachten offiziell die Testierfähigkeit von Herrn Gurlitt für sein Erbe bestätigt, wäre das vor allem für die Opfer des Nazi-Kunstraubs eine große Erleichterung, weil Aufklärung, Provenienzforschung und vor allem die Restitution der fraglichen Werke dann viel unkomplizierter und zügiger geleistet werden können." Sie hoffe, so sagt Grütters auch, dass die Werke bald der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können."

Dass sie in Bonn (nicht in Bern) eine große Gurlitt-Schau plant, hatte Grütters dem SPIEGEL schon vor Wochen verraten.

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/cornelius-gurlitt-testament-ist-gueltig-erbe-geht-in-die-schweiz-a-1068256.html
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