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Stiftung reagiert auf «Schwarzbuch»-Vorwürfe - Buehrle Foundations responds to 'Black Book'

1998
1970
1945
Neue Zuercher Zeitung 6 July 2016
Von Philipp Meier

Zwanzig Fallbeispiele von Kunstwerken mit lückenhafter Provenienz publizierte das «Schwarzbuch Bührle» letzten Sommer: Die Stiftung Bührle zerpflückt das Buch nun mit einer Richtigstellung.


Paul Cézannes «Paysage», einst in jüdischem Besitz, wurde von Emil Bührle 1947 legal auf dem Markt erworben.

Die Zürcher wollen sich nicht an Raubkunst erfreuen. Das sollen sie auch nicht. Auch nicht im voraussichtlich 2020 fertiggestellten Erweiterungsbau des Kunsthauses. Das sehen entschieden auch Thomas Buomberger und Guido Magnaguagno so. In ihrem letzten Sommer erschienenen «Schwarzbuch Bührle» schwärzten sie die Sammlung Bührle an, die in den Chipperfield-Bau einziehen soll. Der Historiker Buomberger und der frühere Vizedirektor des Kunsthauses Zürich Magnaguagno haben mit ihrem kritischen Buch die Debatte um Raubkunst in der bedeutenden Zürcher Kunstsammlung neu lanciert. Das ist gut so, denn die Zürcher Bevölkerung, die Ja gesagt hat zur Kunsthauserweiterung, hat ein Recht auf Transparenz in Bezug auf die Sammlung Bührle.

Archiv offen für die Forschung

Gemäss «Schwarzbuch» ist solche Transparenz aber keineswegs gegeben. In nicht weniger als zwanzig Fallbeispielen wollen die Autoren «Lücken in der Provenienz» sowie «obskure Handwechsel» festgestellt haben. Darauf reagiert nun Lukas Gloor mit einer der NZZ vorliegenden Richtigstellung in sämtlichen Fällen. Seit 2002 Direktor der Stiftung Bührle, ist Gloor dort mit der Provenienzforschung betraut. Die Vorwürfe der lückenhaften Provenienz widerlegt er in siebzehn Fällen, bei den restlichen drei Fällen entkräftet er den Verdacht auf obskure Handwechsel.

Ein prominentes Beispiel ist Edouard Manets Bild «La Sultane». Es soll gemäss «Schwarzbuch» dem Breslauer Sammler Max Silberberg gehört haben, der von den Nazis enteignet wurde und 1934 gezwungen gewesen sein soll, das Werk zu verkaufen. Bührle hatte es 1954 bei dem Pariser Händler Paul Rosenberg erworben. Gloor schreibt nun, es sei längst festgestellt, dass im gut erhaltenen Firmenarchiv der Galerie Durand-Ruel keine Unterlagen existierten, die den Verkauf des Bildes 1928 an Max Silberberg belegen. Das könne ein Hinweis darauf sein, dass Silberberg das Gemälde entweder bloss zur Ansicht erhalten hatte oder aber zur Zahlung auf Raten, die spätestens mit der Weltwirtschaftskrise eingestellt worden sein dürfte. Das Bild sei jedenfalls 1932 nicht mit den übrigen Werken der Sammlung Silberberg nach Paris gebracht worden. Dort hofften die Gläubiger an der Versteigerung der Sammlung des seit 1929 schwer verschuldeten Unternehmers einen Teil ihrer Kredite zurückzugewinnen. «La Sultane» wurde indes von Durand-Ruel einbehalten, wo man die Arbeit 1934 zusammen mit Rosenberg in New York zu verkaufen suchte. Wann genau Rosenberg sämtliche Anteile am Bild übernahm, lasse sich nicht mehr feststellen, so Gloor. Rosenberg habe beim Verkauf an Bührle die Provenienz Silberberg aber offengelegt, da er davon ausgehen durfte, das Werk rechtmässig erworben zu haben.

Ein anderes Beispiel, bei dem das «Schwarzbuch» von «obskurem Handwechsel» spricht, ist Cézannes «Paysage» um 1879. Das Gemälde gehörte Berthold und Martha Nothmann, Düsseldorf/Berlin, die 1939 nach London emigrierten, wo der Industrielle Nothmann 1942 verstarb. Gloor schreibt dazu, dass dem Ehepaar die rechtzeitige Emigration gelungen sei unter Mitnahme seiner Sammlung, weshalb die Bilder nach dem Krieg in den USA unter Angabe der Provenienz gehandelt wurden. Bührle hatte die Landschaft 1947 erworben. Den Verdacht auf «obskuren Handwechsel» kann Gloor nicht nachvollziehen. Ein Desiderat bleibe es, mehr in Erfahrung zu bringen über den Weg des Bildes in die USA.

Ist Gloor genügend unabhängig? Gegenüber der NZZ erklärt er, das Archiv der Stiftung Bührle werde der Forschung zugänglich gemacht, seine Arbeit ergebe nur Sinn, wenn seine Befunde nachgeprüft werden könnten.

Wenig Fingerspitzengefühl

Neu sind die im «Schwarzbuch» zusammengestellten Fakten übrigens nicht. Es ist bekannt, dass Bührle wenig Fingerspitzengefühl besass beim Sammeln von Kunst. Kein Geheimnis ist es auch, dass die Kriegskonjunktur seiner Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon Gewinne bescherte, mit welchen Bührle grosszügig Kunst ankaufen konnte. Und geklärt ist längst auch, dass während des Kriegs erworbene Werke aus Beständen stammen, die jüdischen Händlern in Frankreich von den Nationalsozialisten gestohlen worden waren: Emil Bührle hatte sie nach dem Krieg zurückgegeben und ein zweites Mal gekauft, was ihn zum rechtmässigen Besitzer machte.

Gewiss, in der Sammlung Bührle gibt es historisch belastete Werke: solche, die sich vor dem Krieg in jüdischem Besitz befanden. Oder solche, die durch Raub die Beute von Hitler und Göring wurden. Beides trifft zu auf den «Besuch» von Gerard ter Borch aus dem Besitz der Familie Rothschild, der 1943 in Hitlers Bilderlager gelangte. Bührle erwarb das Bild 1946, nachdem es an Maurice de Rothschild restituiert worden war. Nach der Restitution 1946 wieder legal in den Handel kam auch van Ruysdaels «Ansicht von Rhenen», die während des Kriegs in die Sammlung Göring gekommen war.

Im «Schwarzbuch» werden Bilder genannt auch allein wegen solcher Besitzverhältnisse. Dies kann aber kein Grund dafür sein, ein Kunstwerk nicht mehr öffentlich zu zeigen.

http://www.nzz.ch/zuerich/die-sammlung-buehrle-und-die-raubkunst-einst-bei-rothschild-dann-bei-goering-ld.104109#kommentare
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