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Auf der Fahndungsliste - On the Search List

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Sueddeutsche Zeitung 12 July 2017
Von Michael Kohler

In Düsseldorf ist ein Streit um das Bild "Kalabrische Küste - Sicilia" von Andreas Achenbach entbrannt. Das Bild soll sich im Besitz Max Sterns befunden haben und wird nun von den Erben in den USA zurückgefordert.


Das Museum Kunstpalast in Düsseldorf: In der Achenbach-Ausstellung fehlt das Gemälde "Kalabrische Küste - Sicilia", das im vergangenen Jahr in Baden-Baden noch zu den Höhepunkten gehörte. Der Grund? Ein Raubkunststreit.

Über den Bergen geht die Abendsonne unter und schickt die Fischer in ihren Booten heim; unruhig schlagen die Wellen ans Ufer. Andreas Achenbach (1815-1910) malte die Landschaftsszene 1861 in Italien. Im vergangenen Jahr zählte die "Kalabrische Küste - Sicilia" zu den Höhepunkten einer Achenbach-Ausstellung im Museum für Kunst und Technik Baden-Baden. Nun ist die Schau über den Düsseldorfer Malerfürsten in dessen Heimatstadt zu sehen - doch das Bild fehlt im Museum Kunstpalast. Der Grund dafür könnte im Jahr 1937 liegen: Damals musste der mit Berufsverbot belegte Düsseldorfer Händler Max Stern (1904-1987) auf Druck des NS-Staates seinen Galeriebestand auflösen und - so glauben die Erben Sterns - auch Achenbachs "Kalabrische Küste" verkaufen.

Heute gehört das Werk dem in Baden-Baden lebenden Achenbach-Experten Wolfgang Peiffer. Er hat es 1999 beim Londoner Auktionshaus Philipps erworben, ohne, wie er sagt, von dessen Vorgeschichte zu wissen. Peiffer ist ein Achenbach-Enthusiast, der mehrere Bücher über den zu Lebzeiten bewunderten, im 20. Jahrhundert aber aus der Mode gekommenen Vertreter der Düsseldorfer Malerschule veröffentlichte. Seine rund 300 Werke umfassende Achenbach-Sammlung ist so bedeutend, dass ihr nicht nur das Museum in Baden-Baden eine Bühne bereitete, sondern auch der Düsseldorfer Kunstpalast darauf verzichtete, die Ausstellung durch eigene Werke oder weitere Leihgaben zu ergänzen. Die Erklärung ist einfach: Das Museum hofft auf eine großzügige Schenkung.

Im Sommer 2016 wurden die Erben Max Sterns, drei Universitäten in Montreal und Jerusalem, und das von ihnen geschaffene Max Stern Art Restitution Project auf die in Baden-Baden gezeigte "Kalabrische Küste" aufmerksam. Ein Vertreter des Projekts informierte Wolfgang Peiffer darüber, dass die Erben Sterns das Bild als ihren rechtmäßigen Besitz betrachten und das Bild bei Interpol als gestohlen zur Fahndung ausgeschrieben sei. Seitdem will Peiffer nichts mehr von den Stern-Erben gehört haben: "Das angekündigte Restitutionsbegehren wurde nie schriftlich fixiert", sagte er der SZ. Willi Korte, der die Interessen der Stern-Erben in Deutschland vertritt, betont hingegen, das Holocaust Claims Processing Office im Staat New York habe Peiffer das Restitutionsbegehren im Herbst 2016 zukommen lassen und im Februar dieses Jahres dem von Peiffer mit dem Fall betrauten Rechtsanwalt Ludwig von Pufendorf erneut zugestellt.

Die Geschichte Max Sterns ist in Düsseldorf wohlbekannt: Vor drei Jahren gab das Stadtmuseum ein Selbstporträt Wilhelm von Schadows an die Erben Sterns zurück; das Werk blieb als Leihgabe vor Ort und soll 2018 im Stadtmuseum in einer Ausstellung über Stern zu sehen sein. Der Fall ist auch deswegen so prominent, weil die Stern-Erben im Jahr 2008 vor einem US-Bundesgericht ein Urteil erstritten, das zu den wichtigsten in der Geschichte der Restitutionspraxis von NS-Raubkunst zählt. Es besagt, dass Kulturgüter, die während der Nazi-Herrschaft unter Zwang verkauft wurden, als gestohlen gelten können. Wer ein solches Stern-Gemälde erworben hat, besitzt demnach Diebesgut; die wahren Eigentümer sind Sterns Erben. Auch dank dieses Urteils stehen über 200 Werke aus den ehemaligen Galeriebeständen Sterns auf der Fahndungsliste Interpols, viele werden in deutschem Privatbesitz vermutet. In den USA wurden bereits Werke von den Behörden beschlagnahmt und den Erben ausgehändigt. Nach deutschem Recht gibt es gegen private Sammler, die NS-Raubkunst in gutem Glauben erworben haben, allerdings keine juristische Handhabe.

Wollte Wolfgang Peiffer die Sache aussitzen? Er bestreitet dies und sagt, dass er die Angelegenheit gern geklärt wüsste. Mehrmals sei die "Kalabrische Küste" als Leihgabe in Ausstellungen gezeigt worden, so Peiffer; das Motiv ziert überdies den Titel eines von ihm verfassten Bandes. Es könne keine Rede davon sein, so Peiffer, dass er das Bild versteckt habe. Peiffers Anwalt von Pufendorf sagt, es solle moralischer Druck aufgebaut werden, obwohl es "nicht die Spur eines legitimen Restitutionsgrundes" gebe. Anders als der Großteil des Stern'schen Galeriebestands wurde die Küstenszene nicht 1937 beim Auktionshaus Lempertz in Köln versteigert, sondern im selben Jahr direkt über die Galerie verkauft. Pufendorf vermutet deshalb, dass es sich bei dem Bild um Kommissionsware handelte, sich dieses Bild also gar nicht in Sterns Besitz befand. Stichhaltige Belege für die Annahme legt er derzeit allerdings nicht vor.

http://www.sueddeutsche.de/kultur/raubkunst-auf-der-fahndungsliste-1.3584315
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