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Düsseldorfer Galerist Herbert Remmert Experte: "Gurlitt ist kein Einzelfall" - Dusseldorf Gallery Herbert Remmert: "Gurlitt is not an isolated case"

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RP 4 December 2013
 

Düsseldorf. Für den Düsseldorfer Galeristen Herbert Remmert ist Cornelius Gurlitt ein Sammler wie viele andere. Etliche fürchten offenbar, dass Händler ihnen den Kunstbesitz abspenstig machen wollen. Besonders Auktionshäuser seien beharrlich. Von Bertram Müller

Vor gut 30 Jahren eröffneten Herbert Remmert, früherer Mitarbeiter der Berliner Galerie Nierendorf, und Peter Barth, Sohn des Düsseldorfer Malers Carl Barth, in Düsseldorf eine Galerie, die sich auf Werke von Expressionismus und klassischer Moderne sowie Kunst der 20er Jahre verlegte.

Das Programm dieser Galerie hat nun durch die Entdeckung der Sammlung Gurlitt in München ungeahnte Aktualität gewonnen. Denn Werke zahlreicher Künstler wie Otto Dix, Conrad Felixmüller, George Grosz und Emil Nolde, die im Zusammenhang mit der Sammlung Gurlitt genannt werden, zählen seit je zum Angebot von Remmert und Barth. Mit anderen Worten: Die beiden Düsseldorfer kennen sich aus.

Die Entdeckung der Sammlung Gurlitt in München hatte kürzlich Aufsehen erregt, weil ein Teil ihrer Werke unter dem Verdacht steht, dass es sich um Raubkunst handeln könne: um Werke, die Verfolgten des "Dritten Reichs" abgenommen oder unter Wert abgekauft wurden – unter anderem vom Kunsthändler Hildebrand Gurlitt, dem Vater des jetzigen Besitzers Cornelius Gurlitt.

"Es kommt nicht vor, dass ein Blatt vom Himmel fällt"

Wird sich der Kunstmarkt nach der Münchner Entdeckung ändern, werden die Händler künftig vorsichtiger zu Werke gehen? Herbert Remmert verweist darauf, dass der Kunsthandel schon immer nach der Herkunft der Werke gefragt habe, die er vermittelt – nicht in erster Linie, um Raubkunst zu erkennen, sondern um Sicherheit zu gewinnen, dass die Arbeiten echt sind. Auktionshäuser dagegen hätten die Werke einfach übernommen und sich lediglich bei besonders teuren Objekten zumindest für den unmittelbaren Vorbesitzer interessiert.

Wie aber sieht bei den Galeristen Herkunftsforschung aus? Remmert erzählt von seinem eigenen Verfahren: "Wenn ich Zweifel habe und nicht zügig die Provenienz herausbekomme, lasse ich die Finger von dem Objekt." Ohnehin sei es unmöglich, Provenienzen zu erforschen, wenn es sich um völlig unbekannte Werke handle: "Es kommt nicht vor, dass ein Blatt vom Himmel fällt."

13 Werke aus der Sammlung Gurlitt stammen offenbar aus der Sammlung Glaser. Remmert hat den Sohn des Rechtsanwalts und Kunstsammlers Fritz Glaser aus Dresden noch kennengelernt, einen Arzt. Fritz Glasers Kollektion umfasste Werke von Kandinsky, Klee, Kokoschka, Nolde, Schmidt-Rottluff und Dix. Den Weg eines Gemäldes von Dix, das nach der Wende nach Westdeutschland gelangte, hat Remmert verfolgt. Im Übrigen aber kümmert er sich um die Werke, die er selbst verkauft. Oft verbringt er mehrere Stunden mit alten Bestandskatalogen, um Aufschluss über die Geschichte eines bestimmten Bildes zu erlangen.

Eines Tages werden wohl auch die Werke der Sammlung Gurlitt auf den Markt gebracht. Werden die Preise für Dix, Felixmüller und Nolde sinken, weil auf einmal ein unerwartet hohes Angebot besteht? Remmert ist überzeugt: Das Gegenteil wird der Fall sein: "Je mehr Kunst in den Handel kommt, desto mehr erhöhen sich die Preise, weil mehr Preisvergleiche möglich sind und das Interesse der Käufer wächst." Umgekehrt würden die Preise von Werken weniger bekannter Künstler sinken.

"Es gibt weltweit viele verschrobene Sammler"

Die Namen solcher weniger bekannter Künstler sind dem Händler und Kenner Remmert nicht neu. Es sind Maler und Grafiker, mit deren Arbeiten er zum Teil selbst schon seit langem handelt: Lasar Segall, Otto Griebel und Bernhard Kretzschmar, allesamt Mitglieder der Dresdner Sezession. Kretzschmars Straßenbahn-Bild aus der Sammlung Gurlitt allerdings hat es inzwischen durch häufige Abbildung in den Medien bereits zu Weltruhm gebracht.

Immer wieder wird behauptet, die Sammlung von Cornelius Gurlitt sei nicht die einzige, die der Öffentlichkeit über Jahrzehnte verborgen bleibt. Remmert bestätigt das aus Erfahrung: "Es gibt weltweit viele verschrobene Sammler – Leute, die zum Beispiel heimlich Briefmarken sammeln und nach ihrem Tod Schätze hinterlassen, von denen niemand etwas geahnt hat."

Bis zur Entdeckung hat Remmert nach eigenem Bekunden von der Existenz der Sammlung Gurlitt nichts gewusst. Es könne jedoch sein, dass eine Grafik von Christian Rohlfs, die er vor 15, 20 Jahren kaufte und die auf ihrer Rückseite einen Stempel "Ausgeschieden aus den Kunstsammlungen Breslau" trug, eine Arbeit aus der Kollektion Gurlitt gewesen sei.

Remmert sieht die Diskussion über die Sammlung Gurlitt in einem gesellschaftlichen Zusammenhang: Nach dem Ende des "Dritten Reichs" habe man in der Bundesrepublik zunächst aufgedeckt, welcher Verbrechen sich Mediziner unter Hitler schuldig gemacht hatten. Auch Wirtschaftsbosse – so kann man anfügen – gerieten angesichts ihrer Nazi-Vergangenheit ins Zwielicht.

"Jetzt ist die Kunst dran", sagt Herbert Remmert. "Und das ist gut so."

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