Beispiel Max Stern. Der Jurist und Kunstforscher Willi Korte legt dar, dass der jüdische Kunsthändler seine Düsseldorfer Galerie nach Berufsverbot durch die Nazis liquidieren musste. Dabei sei der Restbestand der Galerie, darunter Franz Xaver Winterhalters "Mädchen aus den Sabiner Bergen", am 13. 11. 1937 bei Lempertz in Köln veräußert worden.
Als das Gemälde 2005 in einem US-Auktionshaus auftauchte, pochte Korte im Auftrag von Sterns Testamentsvollstreckern auf Rückgabe. Die Einlieferin lehnte ab, doch den klagenden Stern-Erben wurde, so Korte, in zwei Instanzen attestiert, dass dieses Bild schon durch die Versteigerung "diebstahlmäßig entzogen worden sei". Da es nach US-Recht keinen gutgläubigen Erwerb in diesem Fall gebe, wurde später ein weiteres Stern-Werk, das "Porträt eines Sackpfeifenspielers" von Amerikas Zollfahndung beschlagnahmt.
Lempertz-Inhaber Henrik Hanstein erklärt auf Anfrage dieser Zeitung, dass deutsche Gerichte "die Sache grundlegend anders werten". Zudem sei Stern mit seinem Großvater befreundet gewesen, habe den wichtigsten Bestand schon vor der Auktion verkauft, "die die Düsseldorfer Kollegen nicht durchführen wollten". Stern habe den Erlös bekommen, sich für die Gefälligkeit bedankt und später nie Ansprüche gestellt. Laut Korte ist Stern dann vom NS-Staat um diesen Erlös gebracht worden. Auch Korte stellt deutliche Unterschiede zwischen deutschem und amerikanischem Recht fest. Er ließ nach zusätzlichen Stern-Bildern über Interpol fahnden, und tatsächlich tauchten 2013 drei davon im Kölner Auktionshaus Van Ham auf. Zwei wurden daraufhin zurückgezogen, ein Achenbach-Gemälde konnte dank Vermittlung des Van Ham-Inhabers Markus Eisenbeis restituiert werden. Weder BKA noch LKA oder Kripo Köln leisteten Interpol Amtshilfe, da Stern nach hiesigem Recht nur den "Verschleuderungsschaden", die Differenz zwischen normalem Marktpreis und Erlösen in einer Zwangslage, hätte geltend machen können.
Einer der spektakulärsten Restitutionsfälle betrifft die Sammlung von Jacques Goudstikker. Er war in Amsterdam der bedeutendste Händler für niederländische und flämische Malerei des 16./17. Jahrhunderts. Auf einem der letzten Fluchtschiffe starb er am 16. Mai 1940 beim Sturz in eine Frachtluke.
Sogleich kaufte Hermann Göring 800 Goudstikker-Werke, 300 davon für seiner Privatsammlung. Nachdem die später von den Alliierten gefunden worden war, musste die Witwe des Sammlers jahrelang mit dem niederländischen Staat um die Rückgabe ringen. Inzwischen organisiert Kunstdetektiv Clemens Toussaint die Suche nach 500 verschollenen Werken, die nur dank Goudstikkers penibler Inventarliste Früchte trägt. Warum wird die nicht im Internet publiziert? Toussaint: "Weil diese Bilder dann manchmal verschwinden oder von verräterischen Aufklebern ,gesäubert' werden."
Immerhin: Von fünf zuletzt bei Van Ham aufgetauchten Goudstikker-Werken konnten drei restituiert werden.
Der internationale Druck war immens. Nun hat die Bundesregierung das Verfahren zum Münchner Kunstfund an sich gezogen. 25 Bilder von 1400 Werken wurden veröffentlicht. Doch die wichtigste Frage ist weiter offen: Wem gehören die Bilder?
Und Gurlitt? Toussaint erklärt, dass selbst Museen noch bis in die 80er Jahre aus dieser Sammlung gekauft hätten, "aus der Herr Gurlitt nie ein großes Geheimnis gemacht hat". Das bestätigt Journalist Stefan Koldehoff und meint: "Die wohlfeile Erregung über Cornelius Gurlitt lenkt davon ab, dass sich dieses Land seit seiner Gründung nicht für das Problem Raubkunst interessiert hat".
Er schlägt deshalb ein verbindliches Kunstrückgabegesetz sowie eine Bundesstiftung zur Entschädigung von Raubkunst-Opfern vor.