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Gurlitt sei dank - Thanks to Gurlitt

1998
1970
1945
K West 30 January 2014

[English summary below}

Paul Adolf Seehaus: Leuchtturm mit rotierenden Strahlen, 1913; Öl auf Leinwand, 49 x 55,5 cm. Foto: Kunstmuseum Bonn / Reni Hansen. Das Kunstmuseum Bonn zahlte eine Entschädigung für das Gemälde an die Erben des Vorbesitzers Alfred Flechtheim; so konnte das Bild in der Sammlung verbleiben.

Raubkunst, Provenienz, Restitution – der »Fall Gurlitt« hat solche Begriffe wieder mal durch die Medien gewirbelt. Man könnte meinen, seit dem letzten Skandal sei nichts zur Lösung der zugrundeliegenden Probleme geschehen. Falsch, sagt Christoph Brockhaus. Der frühere Direktor des Lehmbruck Museums befasst sich seit Jahren mit dem Thema.

TEXT: MARTIN KUHNA

Zu viel Aufregung in den Medien? »Über die Berichterstattung sage ich jetzt mal nichts«, antwortet Christoph Brockhaus. Als Mitglied des Beirates der Berliner »Arbeitsstelle für Provenienzforschung« möchte er stattdessen einige Fakten darstellen – woraus man indirekt schließen kann, dass er Fakten und Sachlichkeit in der öffentlichen Diskussion hier und da vermisst. Ein Gutes habe die Diskussion aber allemal, sagt Brockhaus: Zu lernen sei aus dem Fall Gurlitt, dass nicht nur öffentliche Institutionen wie Museen, Archive und Büchereien aufgefordert seien, ihre Bestände mit Blick auf zweifelhafte Herkunft zu prüfen, sondern auch private Besitzer. Und das, fügt Brockhaus hinzu, »schließt Händler mit ein«. Er sieht es als eine »gesamtgesellschaftliche Aufgabe«, die Folgen nationalsozialistischer Kunstpolitik und Raubzüge transparent aufzuarbeiten und »in absehbarer Zeit reinen Tisch zu machen«.

Christoph Brockhaus räumt ein, dass er und Kollegen seines Alters die Ankaufspolitik deutscher Museen nach dem Krieg früher viel zu unkritisch als eine Art Wiedergutmachung an zuvor verfemter Kunst akzeptiert hätten. Sie hätten »nicht nachgefragt, woher denn die Kunst auf dem Markt kam; da waren wir zu unsensibel«. Das Problem sei zwar im Prinzip bekannt gewesen, »aber es war nicht in unseren Köpfen«. Wer nicht schon früher durch eine Restitutionsforderung darauf gestoßen wurde, sei in der Regel erst 1998 durch die »Washingtoner Erklärung« über Rückgabe geraubter Kunst mit dem Thema konfrontiert worden. Es gebe da noch viel nachzuholen. Doch wenn jetzt im Zusammenhang mit »Gurlitt« zu lesen sei, dass Museen die Aufarbeitung blockierten, dass es für Provenienzforschung kaum Ressourcen gebe, sei das falsch. In Wahrheit habe sich seit 2008 viel getan.

English Summary:

As a result of the Gurlitt case, not only public institutions such as museums, archives and libraries are being encouraged to check their holdings but also private owners, dealers too. It is the responsibility of the "whole society" to be transparent about the consequences of Nazi art policy and seizures and to "come clean" about them, says Christoph Brockhaus, former director of the Lehmbruck Museum and Advisory Board member of the German Provenance Office. He and his contemporaries were too uncritical about the post-war purchasing policy of German museums and saw looted art as "a kind of reparation". They had "not asked" where did the art on the market come from as "we were too insensitive". They were aware "in principle, but it was not in our minds".  

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