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Berlin vorbildlich bei Suche nach NS-Raubkunst - Berlin Exemplary in Search for Nazi Looted Art

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RBB Online 31 March 2014
Von Christian Titze

Experten informieren Kulturausschuss - Berlin vorbildlich bei Suche nach NS-Raubkunst

Noch immer müssen in den Berliner Museen, Archiven und Bibliotheken tausende Werke lagern, die von den Nazis gestohlen wurden. Seit dem Fall Gurlitt spricht man wieder über das Thema „Raubkunst". Auch im Berliner Abgeordnetenhaus, das sich am Montag über den aktuellen Stand der Suche nach entwendeter Kunst informieren ließ. Von Christoph Reinhardt.

Am liebsten hätten die Abgeordneten am Montag wohl klare Zahlen gehört. Soundsoviel Prozent der Bestände haben wir untersucht. So und so viele geraubte Werke haben wir gefunden. Und x Prozent davon konnten wir inzwischen den Erben zurückgeben. Aber so weit sind die Provenienz-Forscher noch lange nicht. Von: „Wir sind mittendrin" reichten die Einschätzungen über: „Wir haben ein gutes Stück Weg hinter uns gebracht", bis „Wir stehen noch ganz am Anfang."

"Wir können nach wie vor keine seriösen Zahlen nennen"

Auf jeden Fall sei die systematische Erforschung aller Bestände eine Sisyphusarbeit, darauf konnten sich die Experten einigen. In den Worten von Uwe Hartmann von der Arbeitsstelle für Provenienzforschung: "Wir können nach wie vor keine seriösen Zahlen nennen. Besonders nicht in der Frage: Wie Umfangreich war die Dimension des NS-Kunst- und Kulturgutraubes. Zum anderen auch nicht: Wie viel habt ihr denn schon geschafft?"

 

Viele Archive und Sammlungen nicht zugänglich

Immerhin so viel: Bei den bisher mit Unterstützung der Arbeitsstelle geprüften 90.000 Objekte aus Museen und 600.000 Büchern aus Bibliotheken bundesweit gab es in weniger als 5 Prozent der Bestände Raubkunst-Verdacht. Allerdings hätten sich von den rund 3.000 potenziell betroffenen Museen bisher gerade einmal 350 mit dem Thema befasst. Geschweige denn ihre gesamten Bestände bereits untersucht. Meike Hoffmann von der FU-Forschungsstelle "Entartete-Kunst" beklagte auch, dass viele kleinere Archive und Sammlungen gar nicht für die Forscher zugänglich sind: "Im Übrigen ist das aber nicht nur einem Unwillen geschuldet, viele kleine Einrichtungen haben gar nicht die Möglichkeit, ihre Archive so systematisch aufzuarbeiten, dass sie zur öffentlichen Nutzung zur Verfügung gestellt werden können."

Es fehlen qualifizierte Mitarbeiter

Bei vielen kleineren Museen sei der Leiter oft der einzige kunsthistorisch qualifizierte Mitarbeiter. Was dafür sorgt, dass Berlin mit seinen großen Einrichtungen wie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz oder der die Zentral- und Landesbibliothek deutlich weiter sei als andere Bundesländer. Die ZLB zum Beispiel, berichtete der noch amtierende Kulturstaatssekretär Björn Böhning, habe in den letzten Jahren sehr viel geleistet: "Dort sind bisher 48.000 Bücher und 50.000 Bände aus dem Zeitschriftenbestand überprüft worden. Das zeigt, dass hier eine riesige Aufgabe besteht. Die Prüfung im Bestand des Brücke-Museums ist inzwischen abgeschlossen. Das ist eine gute Entwicklung." Hartmann erklärte, allein Berlin habe in den vergangenen Jahren 23 Projekte zur Erforschung der möglicherweise zweifelhaften Herkunft von Kunstwerken beantragt. In einigen anderen Bundesländern sei das Interesse deutlich geringer. Rheinland-Pfalz etwa habe nur ein Projekt beantragt, das Saarland gar keines.

FU-Berlin bietet weltweit einmaligen Studiengang an

Abschließend diskutieren will der Kulturausschuss das Thema in einer der nächsten Sitzungen - denn bis zu den nächsten Haushaltberatungen müssen sich die Fachpolitiker klar werden, ob sie den bisher 300.000 Euro jährlich für Forschungsprojekte ebenfalls aufstocken wollen, so wie der Bund. Der statt der jährlich 2 Millionen für Provenienzforschung vier Millionen zur Verfügung stellen könnte. Arbeit gebe es in den nächsten Jahren mehr als genug, darin waren sich die Experten einig.

Dabei ist jedoch nicht nur die Finanzierung, sondern auch der qualifizierte Nachwuchs ein Problem. Zwar bietet die FU seit 2011 einen offenbar weltweit einmaligen Studiengang an, in dem sich Historiker und Kunsthistoriker gezielt auf die Provenienzforschung vorbereiten können. Die Teilnahme sei aber noch auf gerade einmal 30 Studierende beschränkt.


https://www.rbb-online.de/kultur/beitrag/2014/03/berlin-hat-vorbildfunktion-bei-umgang-mit-raubkunst.html
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