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Kunstmuseum Bern erbt Gurlitts Sammlung - Museum of Fine Arts Bern inherits Gurlitt Collection

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Neue Zürcher Zeitung 7 May 2014
 


«Zwei Reiter am Strande» von Max Liebermann.

Der am Dienstag verstorbene Kunstsammler Cornelius Gurlitt hat das Kunstmuseum Bern zu seiner «unbeschränkten und unbeschwerten Alleinerbin» eingesetzt. Wann aber die Werke nach Bern übersiedeln, ist derzeit völlig offen.

München Die Sammlung des am Dienstag verstorbenen Kunsthändlersohns Cornelius Gurlitt kommt in die Schweiz. Dies teilte das Kunstmuseum Bern am Nachmittag in einer Medienmitteilung mit und bestätigte damit frühere Medienberichte. Das Museum sei am Mittwoch durch Christoph Edel, den Rechtsanwalt des Verstorbenen, informiert worden, «dass Herr Cornelius Gurlitt die privatrechtliche Stiftung Kunstmuseum Bern zu seiner unbeschränkten und unbeschwerten Alleinerbin eingesetzt habe».

«Wie ein Blitz aus heiterem Himmel»

Trotz Spekulationen in den Medien darüber, dass die Sammlung testamentarisch einer Kunstinstitution ausserhalb Deutschlands vermacht worden sei, sei die Nachricht wie ein Blitz aus heiterem Himmel eingeschlagen, bestanden doch zu keiner Zeit irgendwelche Beziehungen zwischen Herrn Gurlitt und dem Kunstmuseum Bern, heisst es in der Medienmitteilung weiter.

Der Stiftungsrat und die Direktion seien einerseits dankbar und freudig überrascht, wollten andererseits aber auch nicht verhehlen, dass das grossartige Vermächtnis ihnen eine erhebliche Verantwortung und eine Fülle schwierigster Fragen aufbürdet, Fragen insbesondere rechtlicher und ethischer Natur. Zu einer konkreten, sachbezogenen Stellungnahme sehe man sich vor Einsicht in die relevanten Akten und vor einem ersten Kontakt mit den zuständigen Behörden nicht in der Lage.

Cornelius Gurlitt verstarb am Dienstag im Alter von 81 Jahren in seiner Münchner Wohnung. Er war im November Weltweit in die Schlagzeilen geraten, als bekannt wurde, dass er über Jahrzehnte hinweg mit über 1200 Kunstwerken in seiner Schwabinger Wohnung gelebt hatte. Gurlitt hatte die Bilder, deren Wert auf eine hohe zweistellige Millionensumme geschätzt wird, von seinem Vater Hildebrand geerbt. Die Sammlung umfasst Bilder von Picasso, Chagall, Matisse, Beckmann und Nolde. Die Staatsanwaltschaft Augsburg hatte die Münchner Sammlung Anfang 2012 beschlagnahmt.

400 Werke unter Raubkunstverdacht

Wann genau die Werke aus Gurlitts Sammlung nun nach Bern übersiedeln, ist derzeit völlig offen. Wie das Amtsgericht München auf Anfrage erläuterte, müsse man zuerst das bei einem Notar in Baden-Württemberg hinterlegte Testament Gurlitts erhalten und dann dieses prüfen. Dies kann Tage bis Wochen dauern.

Sollte das Testament gültig sein, so würde das Kunstmuseum Bern nicht nur die Bilder, sondern auch damit verbundene Pflichten erben. Somit müsste das Museum auch die von Gurlitt Anfang April unterzeichnete Vereinbarung bezüglich der Provenienzforschung einhalten, wie Amtsgericht und das bayerische Justizministerium unisono betonten. Alle Bilder, welcher unter dem Verdacht Raubkunst stehen, bleiben also mindestens für ein weiteres Jahr in Deutschland und in staatlichem Gewahrsam, damit sie von Forschern analysiert und Ansprüche von Erben damaliger Opfer des Naziregimes abgeklärt werden können. In diese Kategorie fällt zum Beispiel das Ölgemälde «Die sitzende Frau» von Henri Matisse, oder auch «Zwei Reiter am Strand» von Max Liebermann. Laut den Forschern der mit der Herkunftsanalyse betrauten Task Force stehen ungefähr 400 Werke aus Gurlitts Sammlung unter dem Verdacht, Raubkunst zu sein.

Hingegen können sämtliche als «unbelastet» eingestuften Objekte nach der Anerkennung des Testaments nach Bern überführt werden. Das könnte noch in diesem Jahr erfolgen. Denn bereits im Januar hatte die Staatsanwaltschaft Augsburg Gurlitt selber die Rückgabe dieser Werke angeboten, es kam jedoch wegen dessen Krankheit sowie Aufbewahrungsproblemen nie dazu. Dem Vernehmen nach sind das einige Hundert Werke. Zu dieser Kategorie zählen ebenfalls Gemälde und Zeichnungen international bekannter Künstler diverser Epochen. Unklar ist noch, ob auch die 238 Ölgemälde und Aquarelle von Monet, Renoir, Nolde und anderen herausragenden Künstlern, welche Gurlitt in seinem Salzburger Haus aufbewahrt hatte und welche nie beschlagnahmt worden waren, nun ebenfalls der Provenienzforschung zur Verfügung gestellt werden.

 

http://www.nzz.ch/aktuell/panorama/kunstmuseum-bern-erbt-gurlitts-sammlung-1.18297793
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