"Bern die Lust, Berlin die Last" - so hat die niederländische Zeitung "de Volkskrant" am Dienstag das Abkommen zwischen der Schweiz und Deutschland im Bezug auf das Gurlitt-Erbe zusammengefasst. Schließlich zahlen die deutschen Steuerzahler für die Untersuchung der Gurlitt-Sammlung auf Nazi-Raubgut, während der Schweizer Staat kein Geld dafür ausgibt. Dabei geht die Sammlung laut Testament dem Kunstmuseum der Stadt Bern zu.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) hatte das hohe Engagement Deutschlands im Fall Gurlitt mit der "besonderen deutschen Verantwortung gegenüber den Opfern der NS-Diktatur" begründet. Das streitet zwar niemand ab, doch immer wieder werden Stimmen laut, die die Mitverantwortung der Schweiz betonen. Das Land war eine große Drehscheibe für den Verkauf von Raubkunst, vor allem an private Sammler in den USA.
Im Washingtoner Abkommen verpflichteten sich 43 Staaten dazu, Museumsbestände auf Kulturgüter zu überprüfen, die Nazis ihren jüdischen Besitzern gestohlen hatten. Die am Abkommen beteiligten Länder, darunter Deutschland und die Schweiz, stimmten 1998 zu, solche Kunstwerke an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben.
Der Schweizer Historiker Thomas Buomberger mahnte nun: "90 Prozent der hiesigen Museen haben ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht." Ein Bild der Untätigkeit hat sich geboten, als das Schweizer Bundesamt für Kultur (BAK) bei mehr als 500 Museen angefragt hatte. Buomberger hofft auf mehr Druck vonseiten der Behörden, um durch das Gurlitt-Abkommen den Stein ins Rollen zu bringen.
Das BAK weist darauf hin, dass es sich bei den Washingtoner Richtlinien nicht um "bindende Grundsätze" handle und dass diese nur staatliche Institutionen betreffen, nicht aber private Einrichtungen. Private Kunsthandelsfirmen, die einst in den Verkauf von Nazi-Raubkunst verwickelt waren, könnten allerdings viel mehr zur Aufklärung beitragen.
Dass das Kunstmuseum Bern die Kunstsammlung Gurlitts zwar annimmt, selbst aber keine Initiative ergreift, bezeichnet Raubkunstexperte Buomberger als "sehr guten Deal". Er kritisierte: "Es wäre ein Zeichen der Verantwortung gewesen, moralisch wie auch finanziell, wenn man die Aufgabe - so groß sie auch erscheinen mag - gänzlich übernommen hätte. Nun entsteht der Eindruck, man schiebe die Probleme nach Deutschland ab." dpa/sh