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Die unklare Rolle von «Onkel» Kornfeld - The Unclear Role of 'Uncle' Kornfeld

1998
1970
1945
Der Bund 16 February 2015
von Alexander Sury

Nach der Annahme des Gurlitt-Erbes hoffte man im Kunstmuseum Bern auf mehr Ruhe. Vergeblich. Jüngst wurden die Geschäfte von Eberhard W. Kornfeld mit Gurlitt bekannt.

Möglicherweise sind die langjährigen Geschäftsbeziehungen zwischen Gurlitt und dem Berner Galeristen und Auktionär Eberhard W. Kornfeld der Grund für die Erbschaft des Kunstmuseums Bern.

Warum vermachte Cornelius Gurlitt seine umstrittene Sammlung ausgerechnet dem Kunstmuseum Bern? Auf diese zentrale Frage gibt es bislang keine wirklich plausible Antwort. Nun hat die «Süddeutsche Zeitung» in ihrer Ausgabe vom 6. Februar unter dem Titel «Sein Mann in der Schweiz» eine neue Erklärung angeboten, warum die Wahl Gurlitts ausgerechnet auf Bern fiel.

Nicht die nostalgische Erinnerung an Besuche als Jugendlicher bei seinem Onkel Willibald, der nach dem Zweiten Weltkrieg als Musikwissenschaftler einige Jahre in Bern an der Universität arbeitete, hätten Cornelius Gurlitt dazu bewogen, das Berner Kunstmuseum als Erben zu bestimmen.

Vielmehr seien wohl die florierenden langjährigen Geschäftsbeziehungen mit dem heute 92-jährigen Berner Galeristen und Auktionators Eberhard W.Kornfeld – dem wahren «Onkel» – mit ein Grund gewesen, sich für das Berner Kunstmuseum zu entscheiden. Für diese Vermutung kann die Autorin des Artikels, die Kunsthistorikerin und SZ-Redaktorin Catrin Lorch, zwar keine Belege liefern, sie zitiert dafür ausführlich aus ihr vorliegenden Briefen und Geschäftsunterlagen Kornfelds.

Daraus wird ersichtlich, dass die Geschäftsbeziehungen 1970 mit einem Brief Gurlitts begannen – Kornfeld stellt eine «unkomplizierte, stille und direkte Abwicklung» der Verkäufe in Aussicht – und sich bis Anfang der 1990er-Jahre hinzogen. Die SZ-Autorin schweigt sich allerdings darüber aus, wie sie in den Besitz der Dokumente gelangt ist.

Vermutlich wurden ihr die Dokumente von jemandem zugespielt, der als Anspruchssteller oder Wissenschaftler Zugang hat zum Archiv «Schwabinger Kunstfund» und damit auch zu den Geschäftskorrespondenzen von Gurlitt.

Filetstücke «entarteter Kunst»

Insgesamt verkaufte Kornfeld laut der «Süddeutschen Zeitung» Dutzende von Werken aus der Sammlung Gurlitt mit einem Gesamterlös von Hunderttausenden Franken. Im Zentrum stehen expressionistische Werke aus dem Bestand der sogenannt Entarteten Kunst mit so klingenden Namen wie Kirchner, Dix, Nolde, Beckmann oder Heckel, die 1937 von den Nazis aus Museen beschlagnahmt und dann unter anderem von Cornelius Gurlitts Vater Hildebrand im offiziellen Auftrag verkauft wurden.

Kornfeld suchte Gurlitt auch in dessen Münchner Wohnung auf, wählte Bilder aus und transportierte die Werke teilweise sogar selber in die Schweiz – und er scheint es dabei mit Steuer- und Zollbestimmungen nicht immer genau genommen zu haben.

Es sei alles gesagt. Tatsächlich?

Gurlitt wiederum kam jeweils nach den Auktionen, an denen sich seine «Lose» fast ausnahmslos sehr gut verkauften, jeweils für einige Stunden in die Schweiz, um den ihm zustehenden Teil des Erlöses bar in Empfang zu nehmen. Kornfeld selber hatte seine Rolle als Verkäufer von Gurlitt-Werken stets heruntergespielt und die Beziehungen als nicht besonders eng bezeichnet.

Gegenüber dem «Bund» wollte Eberhard Kornfeld zu seinen Geschäftsbeziehungen mit Gurlitt und dem SZ-Artikel nicht Stellung nehmen – es sei alles gesagt. Aus seinem Umfeld war jedoch zu vernehmen, dass er offenbar eher amüsiert reagiert habe ob der angeblich so wichtigen Rolle, die er laut der «Süddeutschen Zeitung» bei der Entscheidung Gurlitts für das Kunstmuseum Bern gespielt hat.

Kornfeld hat in der Vergangenheit verschiedentlich zu Protokoll gegeben, dass er Gurlitt 1988 zum letzten Mal persönlich getroffen habe, ab 1993 sei die Post aus Bern in München nicht mehr beim Empfänger angekommen. Mit anderen Worten: Gurlitt wünschte aus nicht näher bekannten Gründen keinen Kontakt mehr zum Auktionshaus Kornfeld.

Das Kunstmuseum Bern als Erbe des Gurlitt-Sammlung hat den Artikel in der «Süddeutschen Zeitung» zur Kenntnis genommen. Die Hindernisse und Schwierigkeiten nach der Annahme des Erbes häufen sich – die Anfechtung des Erbes durch eine Gurlitt-Cousine wird wohl zur zeitlichen Verzögerungen führen – und scheinen im Kunstmuseum die eh schon defensive Kommunikationsstrategie noch weiter zu verstärken.

Stiftungsratspräsident Christoph Schäublin ist auf Anfrage sehr kurz angebunden und verneint die Frage, ob das Kunstmuseum Handlungsbedarf sehe angesichts der nun mit Dokumenten belegten engen Geschäftsbeziehung zwischen Gurlitt und Kornfeld.

Es galten andere Standards


Allein, die vorgelegten Dokumente belegen zwar eine intensive Geschäftsbeziehung mit Gurlitt, sie liefern aber keine Hinweise darauf, dass Eberhard W. Kornfeld sich etwas hat zuschulden kommen lassen oder gar wissentlich Raubkunst verkaufte.

Es gilt hierbei auch den historische Kontext der damaligen Zeit zu berücksichtigen: Während der gut zwei Jahrzehnte, die Kornfeld mit Cornelius Gurlitt regelmässig Geschäfte machte, wurden Werke der «entarteten Kunst» im Kunsthandel noch als frei von jeglichem Makel betrachtet, der Stempel «Entartete Kunst» war lange sogar eine Art Gütesiegel.

Das Bankgeheimnis erlaubte zudem Cornelius Gurlitt die problemlose Eröffnung von Konten in der Schweiz, die er wahrscheinlich mit den Barzahlungen Kornfelds füllte. Die Pressestelle von Kornfeld streicht den Umstand heraus, dass Barzahlungen heute kaum mehr vorkämen: Das Auktionshaus habe strenge Kriterien, an wen und von wem Geld bar ausbezahlt respektive angenommen werde.

Die Standards seien zudem heute generell höher: So würden heute alle Auktionskataloge vorgängig von den damals noch nicht existierenden Raubkunstregister wie etwa der Lost-Art-Internet-Datenbank geprüft.

Eberhard W. Kornfeld selber kann sich nicht vorstellen, dass er Gurlitt überzeugt haben soll, seine Sammlung dem Berner Kunstmuseum zu vermachen. Im Interesse einer vollständigen und transparenten Aufarbeitung des Gurlitt-Erbes scheint es gleichwohl angezeigt, dass Kornfeld zu seinen Geschäftsbeziehungen mit Gurlitt selber Stellung nimmt.

http://www.derbund.ch/kultur/kunst/Die-unklare-Rolle-von-Onkel-Kornfeld--------/story/24173888
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