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Wenn NS-Raubkunst einer Familie zurückgegeben wird - When Nazi-looted art is returned to a family

1998
1970
1945
Badische Zeitung 26 January 2018
Von Letitia Witte

Vor fast einem Jahr gelangte eine Zeichnung Adolph von Menzels zu der Familie der Eigentümer zurück. Was die Rückgabe bedeutet, erzählte ein Familienmitglied bei der großen Gurlitt-Ausstellung in Bonn.

Die Ausstellung „Bestandsaufnahme Gurlitt“ ist noch bis 11. März 2018 in der Bundeskunsthalle in Bonn zu sehen

Diese Zeichnung sollte in die Öffentlichkeit – für Jasper M. Wolffson war es offenbar nie eine Frage, ob das Werk Adolph von Menzels in einer Ausstellung gezeigt wird: "Es ist ein Bild, dass die Familie berührt, das ich aber gerne mit anderen teile." Dabei ist "Inneres einer gotischen Kirche" von 1874 nicht irgendeine Zeichnung. Menzels Bild stammt aus dem aufsehenerregenden Nachlass von Cornelius Gurlitt und wurde – wie bisher einige wenige andere Werke aus diesem Nachlass – als NS-Raubkunst identifiziert.

Bis zum 11. März ist es in der Ausstellung "Bestandsaufnahme Gurlitt" in der Bundeskunsthalle in Bonn zu sehen. An dem Ort berichtete Wolffson jetzt auf einer Podiumsdiskussion, wie seine Familie wieder in den Besitz der Bleistiftzeichnung kam, die während des Nationalsozialismus verkauft werden musste. Wolffson nannte dies und damit zusammenhängende Ereignisse das "Trauma der Familie".

Verkauf zur Finanzierung der Flucht

Am Anfang stand ein Bericht des Magazins Der Spiegel von 2013, wie Wolffson sagte. Darin ging es um den Fall Gurlitt, den sogenannten Schwabinger Kunstfund in München mit mehr als 1200 Werken. Dass auch seine Familie Kunstwerke an Cornelius Gurlitts Vater Hildebrand, der Kunsthändler während des Nationalsozialismus war, verkauft hatte, sei ihm so nicht bekannt gewesen, sagte Wolffson.

Es seien 23 Zeichnungen gewesen, die seine Familie zwangsweise habe veräußern müssen. Wolffson nannte seinen Großvater Ernst Wolffson und seine Großtante Elsa Cohen, die beide von den Nationalsozialisten verfolgt worden seien. Der Provenienzbericht der mittlerweile aufgelösten "Taskforce Schwabinger Kunstfund" zu der Menzel-Zeichnung "Inneres einer gotischen Kirche" hält fest, dass anzunehmen sei, "dass die Zeichnung verfolgungsbedingt veräußert wurde, das heißt, der Finanzierung der Flucht in die USA diente".

Rückgabe an die Erben im Jahr 2017

Cohen verkaufte sie demnach laut Geschäftsbucheintrag Hildebrand Gurlitts am 31. Dezember 1938 für 150 Reichsmark an den Kunsthändler. Im August 1941 sei Cohen die Flucht gelungen, sie sei der Familie ihres Sohnes in die USA gefolgt. Menzels Zeichnung blieb laut Bericht vermutlich im Bestand Gurlitts und im Besitz von dessen Familie – bis zur Restitution, also Rückgabe an die Erben, im Februar 2017.

Bis dahin hatte Jasper M. Wolffson, selbst Rechtsanwalt, recherchiert. "Es ist wichtig, dass wir jedes Kunstwerk aus der Sammlung Gurlitt, dessen Provenienz zweifelsfrei geklärt ist und wenn es sich, wie diese Menzel-Zeichnung, als NS-Raubkunst erweist, restituieren", hatte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) seinerzeit gesagt.

Als Rechtsanwältin ist Friederike Gräfin von Brühl unter anderem mit dem Thema Restitution beschäftigt. Der Fall Gurlitt habe "auf jeden Fall" das öffentliche Bewusstsein verändert, sagte sie auf dem Podium in Bonn. Ulrike Schrader, Lehrbeauftragte unter anderem für Geschichte an der Bergischen Universität Wuppertal, meinte, dass es auf der politischen Ebene ein "Weiterdenken" gebe.

Der Intendant der Bundeskunsthalle, Rein Wolfs, hatte im vergangenen Jahr der Katholischen Nachrichten-Agentur KNA gesagt, er denke, dass der Fall Gurlitt verdeutlicht, dass man "lange zu wenig" gemacht hat, "und dass nun vieles in ein schnelleres Fahrwasser geraten ist und Deutschland diesbezüglich wichtige Schritte gemacht hat." Der Fall habe vieles in Bewegung gesetzt. "Sobald öffentlicher Druck entsteht, kommt alles ins Rollen."

Es sei "ungemein wichtig, dass dieses Kapitel der deutschen – und letztlich europäischen – Geschichte nicht in Vergessenheit gerät", so Wolfs. Der NS-Kunstraub sei längst nicht abschließend aufgearbeitet.

Was für ihn denn Restitution bedeutet, wurde Wolffson nun gefragt. "Es bedeutet eine unendliche Freude", sagte er. Allerdings sei damit auch eine Trauer verbunden, da man die Ereignisse nicht mehr mit den bereits gestorbenen Angehörigen teilen kann. "Diese Bilder waren in der Familie etwas Besonderes." Die Suche nach den bisher noch nicht wiedergefundenen Zeichnungen will er weiter betreiben.

http://www.badische-zeitung.de/ausstellungen/wenn-ns-raubkunst-einer-familie-zurueckgegeben-wird--148652144.html
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