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Museum der bildenden Künste: Sechs Niederländer ziehen aus Leipzig nach Hause zurück

1998
1970
1945
Leipziger Zeitung 4 March 2012
By Daniel Thalheim


Niederländischer Botschafter Marnix Krop und Uwe Heye (Auswärtiges Amt) unterzeichnen Restitutionsprotokolle.
Niederländischer Botschafter Marnix Krop und Uwe Heye (Auswärtiges Amt) unterzeichnen Restitutionsprotokolle.
Foto: Daniel Thalheim

Ist das ein Widerspruch? Die Ausstellung "Die schönsten Holländer in Leipzig" ziert die Wände des Leipziger Museums der bildenden Künste. Sechs "Holländer" wandern jetzt aus den Beständen des Bildermuseums zurück in die Niederlande. Am Sonntag den 4. März wurde das Protokoll über die Rückführung sechs Gemälde aus der Sammlung Alfred Kummerlé im MdbK unterzeichnet. Ein kleines Kapitel der NS-Raubkunst im 2. Weltkrieg schließt sich.
Jetzt ist alles rechtskräftig. Die Protokolle für sechs Gemälde sind unterzeichnet. Der Leiter der Leipziger Gemäldesammlung Dr. Jan Nicolaisen ist froh, dass sechs Ölgemälde aus der Sammlung Alfred Kummerlé (1887-1949) in die Niederlande zurück geführt werden. Denn sie wurden nach Recherchen des Bundesamtes für offene Vermögensfragen zwischen 1940 und 1945 unrechtmäßig erworben. Ihre Reise vom Tulpenland ins Nazi-Deutschland hört sich wie ein Kriminalstück an.

Der niederländische Botschafter in Deutschland Marnix Krop sagt, dass kurz nach der deutschen Besetzung der Niederlande die Bilder aus einer Kunsthandlung am 14. Mai 1940 nach der Flucht der jüdischen Kunsthändler aus Holland in die Hände von Reichsmarschall Hermann Göring gerieten und dann direkt in den Besitz von Alfred Kummerlé gelangten. Einschlägiger Nazi war er anscheinend nicht, sagte Nicolaisen, aber Nazis gingen in der Fabrik des Brandenburger Industriellen ein und aus. Die Informationen dazu sind unzureichend, so der Leiter der Leipziger Gemäldesammlung. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Erbin von Alfred Kummerlé durch die DDR-Behörden wegen Republikflucht enteignet.

Hans-Werner Schmidt und Marnix Krop vorm "Bärtigen Trinker" von Hendrick Gerritsz.
Hans-Werner Schmidt und Marnix Krop vorm "Bärtigen Trinker" von Hendrick Gerritsz.
Foto: Daniel Thalheim

Aus Brandenburg zogen die sechs "Holländer" des 17. Jahrhunderts in ein Leipziger Bankhaus. Schon da ermittelte die Kripo gegen die Erbin Johanna Kummerlé.

Durch Ermittlungen der Leipziger Kriminalpolizei wurden die Bilder von Philips Wouwerman, Hendrick Gerritsz, eine Kopie nach Jan Steen, Pieter van der Croos, einem unbekannten holländischen Meisters des 17. Jahrhunderts und Dominicus van Tol beschlagnahmt und wanderten ins Leipziger Kunstmuseum. Das war 1954. Nicolaisen beschreibt, als er seine Arbeit am Museum der bildenden Künste vor Jahren aufnahm, man ihm sagte, dass die Sammlung Alfred Kummerlé Probleme bereiten könnte. Da war einiges unklar. Jetzt nicht mehr.

Der Leiter des Referats für überregionale Kulturobjekte, Künste und Kulturgüterrückführung im Auswärtigen Amt, Uwe Heye und der Botschafter der Niederlande in Deutschland, Marnix Krop und Museumsdirektor Hans-Werner Schmidt betonten in ihren Reden, wie wichtig die Rückführung der sechs "Alten Meister" in die Niederlande für die zwischenstaatlichen Beziehungen ist. Was im 2. Weltkrieg zu Unrecht erworben wurde und ebenso unrechtmäßig ans Museum der bildenden Künste gelangte, muss wieder zurück an ihre rechtmäßigen Besitzer. Zunächst ist das erst einmal das Staatliche Amt für das Kulturerbe (Rijksdienst voor het Cultureel Erfgoed).

Botschafter Krop dankt Museumsdirektor Schmidt, dass die Übergabe der Gemälde öffentlich erfolgt. "Krieg zieht Unrecht nach sich", holt Krop in seiner Rede aus. "Unrecht lässt sich nicht immer leicht korrigieren." Der diesjährige Schirmherr des Leipziger Bach-Festes Krop blickt zurück in die Vergangenheit, dass die Niederlande schon 1945 Rückgabeforderungen von NS-Raubkunst geltend machte. Später auch gegenüber der DDR. "Eine Entscheidung über die Kummerlé-Sammlung trafen die DDR-Behörden jedoch nicht." 20 Jahre nach der Wiedervereinigung klappt das nun. Krop schildert, dass NS-Beutekunst-Rückgaben wie die der "Kummerlé-Bilder" in den Niederlanden mit Interesse und Bewunderung verfolgt werde. Er dankt dem MdbK, weil man hier gut für die Bilder sorgte und alle Rückgabebemühungen tatkräftig unterstützte.

V.l.n.r.: Jan Nicolaisen, Hans-Werner Schmidt, Marnix Krop und Uwe Heye am 4. März 2012 im Museum der bildenden Künste Leipzig.
V.l.n.r.: Jan Nicolaisen, Hans-Werner Schmidt, Marnix Krop und Uwe Heye am 4. März 2012 im Museum der bildenden Künste Leipzig.
Foto: Daniel Thalheim

Für Heye ist die Rückgabe eine Auflösung bestehenden Unrechts. "Die heute erfolgte Rückgabe bedeutet eine Aufarbeitung des Unrechts in zweifacher Hinsicht", bekräftigt Heye. Einerseits geht es um die im Zusammenhang der deutschen Besatzungszeit in den Niederlanden im 2. Weltkrieg "erworbenen" Gemälde von den jüdischen Vorbesitzern. Andererseits geht es um die Enteignung der Erbin Alfred Kummerlés in der DDR, Johanna Kummerlé. Heye: "Die sechs Gemälde erinnern uns schmerzlich an das Unglück, das viele Niederländer während der deutschen Besatzung erlitten."

"Die Stadt Leipzig und das Museum der bildenden Künste sind im Rahmen von Restitutionsvorgängen stets transparent gewesen", führt Hans-Werner Schmidt aus. Er meint, dass in der Presse von einem seltsamen Zusammenspiel gesprochen wird, weil die aktuelle Ausstellung "Die schönsten Holländer in Leipzig" und die Restitution von sechs niederländischen Werken zusammenfalle. Für ihn ist das kein widersprüchliches Ansinnen.

"Hier hat nicht etwa das Schicksal zugeschlagen", betont Schmidt in seiner Rede, "Diese Parallelität der Ereignisse ist von uns so gewollt! In Absprache mit der niederländischen Botschaft haben wir die sechs Werke nicht mit in den aktuellen Bestandskatalog aufgenommen."

Schmidt und Nicolaisen weisen darauf hin, dass die Werke, die sich noch in einem Restitutionsvorgang befinden, entsprechend im Bestandskatalog "Niederländische Malerei 1430-1800" gekennzeichnet wurden. Mit der Rückführung kommt die BRD des Artikels 56 der Haager Kriegsordnung und den Washingtoner Prinzipien zur NS-Raubkunst von 1998 nach, so dass die Erben der jüdischen Familie wieder an ihr Eigentum kommen.

Für Botschafter Krop und Uwe Heye sind die Untersuchungen zur Sammlung Kummerlé noch nicht abgeschlossen. Die Sammlung Kummerlé umfasste 42 Gemälde, wovon 32 Stücke im Museum der bildenden Künste sind. Das Leipziger Kunstmuseum initiierte die Recherchen zur Sammlung Kummerlé, um auch für weitere rechtliche Klarheit zu sorgen. Am Montag den 5. März steht der Transport für die sechs "Holländer" schon bereit.

 

http://www.l-iz.de/Kultur/Ausstellungen/2012/03/Museum-der-bildenden-Kuenste-Restitution-Sammlung-Alfred-Kummerle-Leipzig.html
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