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Die Beute unter den Museen aufgeteilt

1998
1970
1945
Frankfurter Allgemeine 1 August 2012
Von Hans Riebsamen

Dem jüdischen Stifter Julius Heyman ist nach seinem Tod übel mitgespielt worden. Frankfurt nahm gerne sein Privatmuseum und seine Sammlungen, die nationalsozialistischen Stadtoberen hielten sich später aber nicht an die Abmachungen.

Julius Heyman hat Frankfurt ein Museum geschenkt. Die Stadt hat es ihm nicht gedankt: Heymans Privatmuseum wurde 1940 aufgelöst, seine Sammlung entgegen dem ausdrücklichen Stifterwillen aufgelöst. Vermutlich glaubten die damaligen nationalsozialistischen Stadtoberen, sich diesen Akt von Vertragsbruch und Untreue leisten zu können, weil Heyman Jude war. Noch im Nachhinein als bedrückend muss man es empfinden, dass auch die Kulturleute der Stadt, also die verantwortlichen Kuratoren und Museumsleiter, zustimmten, Heymans Sammlung auf mehrere Museen aufzuteilen. Jedes Haus bekam so ein Stück der Beute ab.

Das Privatmuseum des Julius Heyman befand sich im Haus Palmstraße 16, gelegen im Nordend zwischen Anlagenring und Sandweg. Der wohlhabende Bankier hatte nach dem Tod seines Vaters 1894 den Entschluss gefasst, in seinem Haus Wohnräume im Stil der deutschen Gotik und Renaissance einzurichten. In den folgenden Jahren erstand er auf Versteigerungen, aus Nachlässen und im Kunsthandel Vertäfelungen, Decken, Kamine, Türen, Möbel und Kunstgegenstände, die er mit Geschick zusammenfügte. So formte Heyman eine „Gotische Bibliothek“, ein „Renaissancezimmer“ und einen „Wohnraum um 1500“. Weitere Räume stattete er mit Kunstwerken des 18.Jahrhunderts, mit Glasobjekten und Keramik, aber auch mit zeitgenössischen Gemälden aus. Kunstkenner bescheinigten dem Sammler einen sicheren Geschmack für Qualität.

100 Jahre geschlossen

Heyman war kein eigenbrötlerischer Mensch, der sich eine Kunstwelt eingerichtet hatte, in der er sich verkriechen konnte. Vielmehr teilte er seine Sammlungen mit anderen. Wer Interesse an seinen Schätzen zeigte, konnte jeden Tag zwischen 14 und 15 Uhr sein Privatmuseum besuchen. Der Bankier nahm darüber hinaus regen Anteil am Kunst- und Kulturleben der Stadt und lieh seine Exponate für viele bedeutende Ausstellungen aus.

Haus und Sammlung vermachte er testamentarisch der Stadt Frankfurt, allerdings unter der Bedingung, dass die Kollektion mindestens 100 Jahre lang geschlossen bestehen bleiben solle und dass die Palmstraße nach ihm benannt werde. Tatsächlich wurde jener Teil der Straße, in dem sich das Privatmuseum befand, in Julius-Heyman-Straße umbenannt. 1938 machte die nationalsozialistische Stadtverwaltung die Änderung rückgängig, erst nach dem Krieg wurde Heyman wieder in sein Recht gesetzt.

Alle Versprechen sind gebrochen worden

Frankfurts Stadträte hatten Heymans Schenkung im Januar 1926 angenommen. 1928, drei Jahre nach dem Tod des Stifters, wurde sein Haus an der Palmstraße in einem feierlichen Akt als Museum eröffnet. Oberbürgermeister Ludwig Landmann versprach in seiner Rede, die Stadt werde dafür sorgen, dass des Verstorbenen letzter Wille „auf den Buchstaben“ erfüllt und die Sammlung erhalten bleibe. Heymans adoptierte Lebensgefährtin Maria Wagner wurde Kuratorin des Museums, erhielt in dem Haus ein lebenslanges Wohnrecht und sollte von der Stadt bis zu ihrem Lebensende mit einer jährlichen Summe unterstützt werden.

Alle Versprechen sind gebrochen worden. Maria Heyman-Wagner wurde 1938 von den Behörden zum Auszug gezwungen, das Privatmuseum aufgelöst, die Sammlung auf andere Frankfurter Museen verteilt und zum Teil im Kunsthandel veräußert. Überlegungen dazu waren bald nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und der Vertreibung des jüdischen Oberbürgermeisters Landmann aufgekommen. 1937 rühmte sich Direktor Alfred Wolters, der die Städtische Galerie im Städel von 1928 bis 1949 geleitet hat, in einem Brief an das Kulturamt, dass er die Bilder der jüdischen Maler Felix Nussbaum und Max Liebermann aus der Sammlung genommen habe. „Was das Bildnis des jüdischen Stifters Heyman anbetrifft, so wäre natürlich auch wünschenswert, wenn es entfernt werden könnte.“ Ferner empfahl er, das Privatmuseum aufzulösen und die Bestände auf die Museen zu verteilen - was schließlich Ende 1939 auf Anweisung des Kulturamtes geschah.

Virtuell wiederauferstehen lassen

Nur einer äußerte Bedenken: Albert Rapp, Kurator am Stadtgeschichtlichen Museum. Wenngleich er nichts ausrichten konnte, hat er doch die Ehre der Frankfurter Museumsleute gerettet. Im Sommer 1940 konnte das Kulturamt vermelden: „Die Julius-Heyman-Sammlung ist nunmehr aufgelöst. Das Haus steht dem Bauamt zur Vermietung zur Verfügung.“

Einmal noch schlug der Fall nach dem Krieg Wellen. Besagter Albert Rapp, mittlerweile Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums, und sein Kustode Heinrich Bingemer wandten sich entschieden gegen die Berufung von Ernst-Otto Graf zu Solms-Laubach zum Direktor des Museums für Kunsthandwerk. Schließlich trage er als damaliger Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums die Verantwortung dafür, dass die Sammlung Heyman ohne Genehmigung der Aufsichtsbehörde aufgelöst worden sei, argumentierten die beiden Opponenten. Ihr Protest verlief im Sande. Städeldirektor Ernst Holzinger, sein Kollege Wolters von der Städtischen Galerie und Walter Mannowsky, der Chef des Kunsthandwerk-Museums, sprachen sich einhellig für den Grafen aus.

Das Historische Museum, das während der Nazizeit in Stadthistorisches Museum umbenannt worden war, unternimmt jetzt den Versuch, die Sammlung Heyman zumindest virtuell wiederauferstehen zu lassen. In einer Art Detektivarbeit haben seine Kuratoren die Objekte aufgespürt. Einige gehören zu den Beständen des Hauses, andere sind über die ganze Welt verstreut. In der neuen Dauerausstellung „Frankfurter Sammler und Stifter“, die Mitte August in den Altbauten des Museums eröffnet wird, ist dem Frankfurter Sammler Julius Heyman ein Raum gewidmet. So wird das Unrecht, das dem Bankier angetan wurde, zumindest ein wenig wieder gut gemacht.

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