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Website für NS-Raubkunst: Jäger der verlorenen Kunstschätze

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Spiegel Online 30 January 2013
Bt Steffen Winter

Tausende Kunstwerke wurden im Krieg von den Nazis geraubt oder von Bomben zerstört. Über die Website Lost Art suchen die Nachkommen der früheren Besitzer heute nach diesen Schätzen - häufig vergebens, denn Museen wie Privatbesitzer haben die Herkunft vieler Werke bis heute nicht geklärt.

Fast 70 Jahre nach Kriegsende suchen noch immer Hunderte Menschen nach im Krieg abhandengekommenen Kunstwerken. Bei der Internet-Datenbank Lost Art der Koordinierungsstelle Magdeburg, einer Einrichtung von Bund und Ländern für Kulturgutdokumentation und Kulturgutverluste, suchen derzeit 469 Privatpersonen aus aller Welt nach 23.800 NS-Raubkunst-Stücken. Die Kunstwerke können sich heute in Museums- oder Privatbesitz befinden, sie können aber auch in den Kriegswirren vernichtet worden sein.

Lost-Art-Chef Michael Franz sieht es als Aufgabe und Verantwortung aller Beteiligten, die Diskussion um Raubkunst in den Kunsthäusern weiter voranzutreiben. "Der Dialog auch mit den einstigen NS-Verfolgten ist wichtig", sagte Franz. Zuvor hatten bereits der einstige Kulturstaatsminister Michael Naumann und der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler von den Museen mehr Anstrengungen bei der Herkunftsforschung ihrer Exponate gefordert. Der SPIEGEL hatte diese Woche berichtet, dass die Suche nach Raubkunst in den Kunsthäusern der Bundesrepublik nach wie vor nur schleppend vorangeht und noch weitere Jahrzehnte dauern wird.

"Ein Ende der Aufarbeitung ist momentan nicht abzusehen", stellt Michael Franz fest. Er verzeichnet ein über die Jahre stetig steigendes Engagement auch der Museen an Provenienzforschung - flankiert von finanziellen Hilfen des Bundes. Hätten im Jahr 2002 nur 13 Einrichtungen 750 möglicherweise geraubte Kunstgüter in der Datenbank gemeldet, seien es aktuell 106 Institutionen mit 18.200 fraglichen Objekten. Monatlich gebe es inzwischen 1,6 Millionen Zugriffe auf das Portal. "Das Engagement der Häuser ist stetig gestiegen", so Franz. Allerdings gibt es in Deutschland mehr als 6000 Museen, die alle ihre Bestände auf mögliche Raubkunst der Nationalsozialisten hin durchforsten müssten.

Nicht nur eine Frage des Geldes

Auch Privatpersonen würden sich mehr und mehr für die Herkunft geerbter Kunstgüter interessieren. Mehr als 50 Menschen hätten über 300 Kunstgegenstände aus eigenem Besitz gemeldet, deren Herkunft ihnen unklar ist. So gab ein Kanadier eine Holzstatue an die Stiftskirche Kleve zurück, die sein Vater als Soldat im Krieg mitgenommen hatte.

Der Berliner Historiker Jürgen Lillteicher kritisiert ein immer noch mangelndes Engagement und eine abwehrende Haltung der deutschen Museen in Sachen Raubkunst. Durch Ablehnung von Ansprüchen seien die Opfer gezwungen, Anwälte zu beauftragen, was eine Kostenspirale in Gang setze. "Die Anwälte sind teuer, am Ende müssen die Kunstwerke versteigert werden, was den Erben auch noch vorgeworfen wird", so Lillteicher. Lillteicher, der zur Rückerstattung jüdischen Eigentums nach Ende des Zweiten Weltkriegs promovierte, fordert ebenfalls verstärkte Anstrengungen bei der Provenienzforschung.

Der Bochumer Restitutionsexperte Constantin Goschler zieht das Fazit, dass viele Museen in der Vergangenheit auch aus Kostengründen kein Interesse daran gehabt hätten, ihre Kunstgegenstände auf ihre Herkunft hin klären zu lassen. "Es mag an fehlendem Problembewusstsein gelegen haben, in manchen Fällen wird man aber auch die Absicht dahinter vermuten dürfen, die Herkunft solcher Objekte im Ungewissen zu lassen."

Heute sei der Umgang mit dem braunen Erbe nicht nur eine Frage des Geldes. Es müsse darüber nachgedacht werden, stärkere Verbindlichkeiten bei der Provenienzforschung einzuführen. Es reiche nicht aus, auf freiwillige Forschungsprojekte der betroffenen Museen zu hoffen. Goschler sitzt als Sachverständiger im Beirat der bundeseigenen Arbeitsstelle für Provenienzrecherche- und -forschung.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/lost-art-hilft-privatpersonen-auf-der-suche-nach-ns-raubkunst-a-880529.html
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