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Die verkaufte Malkunst

1998
1970
1945
Salzburger Nachrichten 2 April 2013

Forscherkrimi. Die Dokumentation zur verweigerten Restitution des Gemäldes „Die Malkunst“ von Jan Vermeer liest sich spannend und spiegelt dramatische Zeiten der Sammlung Czernin.

ERNST P. STROBL WIEN (SN). Ein Versuch kann ja nicht schaden, dachte sich wohl Jaromir Czernin von Chudenitz. Der Spross aus altem Adel hatte das Gemälde „Die Malkunst“ an Adolf Hitler verkauft und einen Reingewinn von 1.550.000 Reichsmark gemacht. Dem Geschäft mit dem Juwel aus der familieneigenen Kunstsammlung waren viele andere Verkaufsversuche vorangegangen. Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte Graf Jaromir mit mehreren Anläufen, das mittlerweile im Besitz der Republik befindliche Gemälde per Restitution zurückzubekommen. Er scheiterte, wie auch noch seine Nachkommen im vergangenen Jahr. Diesmal wohl endgültig, folgt man dem Buch der Restitutionsforscher, die eine faszinierende Dokumentation zusammengestellt haben um das Schicksal eines Gemäldes – und um eine wahrhaft bunte Familiengeschichte derer von Czernin.


„Die Malkunst“ des holländischen Malers Jan Vermeer van Delft (1632–1675) kam durch einen Ahnen Jaromir Czernins 1804 anlässlich der Versteigerung des Nachlasses des Diplomaten Gottfried van Swieten in die Czernin’sche Gemäldesammlung. Mehrere Generationen später hatte sich die komplizierte Geschichte des Wiener und böhmischen Adelshauses – nach Untergang der Habsburgermonarchie und Entstehung der tschechoslowakischen Republik – nicht gerade zum Guten verändert, und was den Besitz des Vermeer-Gemäldes betrifft, gab es zwei Protagonisten. Jaromir Czernin (1908–1966) sowie seinen Onkel Eugen Czernin (1892–1955). „Im Vergleich zu Eugen Czernin, der gewissenhaft um die wirtschaftlichen Belange seiner Herrschaft bemüht war, schien Jaromir Czernin anders eingestellt zu sein“, ist im Buch zu lesen. Die Verwandtschaft zerstritt sich bis hin zu Gerichtsverhandlungen. „Ich stehe auf dem Standpunkt, dass es nicht angeht, einen so wertvollen Besitz (wie „Die Malkunst“, Anm.), der seit 100 Jahren Stolz unserer Familie ist, dafür zu opfern, dass Jaromir sein Lotterleben finanziere und seiner Mätresse in den Rachen werfe“, schrieb Eugen 1939 seinem Anwalt. Da war der Kampf um den Vermeer auf dem Höhepunkt angelangt. Der „anständige“ Onkel Eugen kann einem heute noch bei der Lektüre leidtun.

Ein Heer von Anwälten wurde beschäftigt, Zwischenhändler, die sich aufdrängten, Kunsthändler, die Interesse hatten, und Angebote sogar aus den USA waren dem eigentlichen Verkauf vorangegangen. Jaromir bediente trickreich dieses Interesse, ein Verkauf an den Sammler Philipp F. Reemtsma war nach Einspruch des „Führers“ gescheitert. Die Details sind eine große Leistung der Historiker, sie lesen sich bei aller Sachlichkeit wie ein Kriminalroman. Nach dem Krieg kam das Gemälde wieder nach Wien zurück und wurde der Republik zugeschlagen, seit damals ist es der Stolz des Kunsthistorischen Museums. Mit allen Mitteln versuchte Jaromir, wieder in den Besitz des Bildes zu gelangen, bezeichnete sich als Naziopfer, sogar als „jüdisch versippt“ (seine zweite Frau Alix May war von den NS-Machthabern als Halbjüdin eingestuft), die Fakten sprachen gegen ihn. Angeblich ruht der Adelige, der es auf vier Scheidungen brachte, in einem Münchener Armengrab. Auch seine Nachkommen hatten es nicht leicht, ihr Kampf um Vermeer blieb erfolglos.

Die Sammlung Czernin – einst neben der Sammlung Liechtenstein kultureller Stolz von ganz Wien – ist heute in alle Welt zerstreut, 71 Gemälde befinden sich in der Salzburger Residenzgalerie.Buch. „Die verkaufte Malkunst – Jan Vermeers Gemälde im 20. Jahrhundert“. Susanne Hehenberger, Monika Löscher (Hg.), Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung, Band 4, 340 Seiten. Böhlau Verlag.

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