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Museumsleiter: „Alle deutschen Museen sollten NS-Raubkunst zurückgeben“ - Museum director "All German museums should return Nazi-looted Art"

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1970
1945
Schwäbische.de 6 May 2013

Biberacher Braith-Mali-Museum besitzt keine Kunstwerke aus ehemaligem Reichsbesitz mehr


Museumsleiter Frank Brunecker. (Foto: Rehm)

Biberach / sz Wie man mit NS-Raubkunst umgehen kann, zeigt das Braith-Mali-Museum in Biberach. Es machte im vergangenen Jahr reinen Tisch: Die Gemälde, die das Museum 1966 aus ehemaligem Reichsbesitz erhielt, wurden an das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) zurückgegeben. Tobias Rehm sprach mit Museumsleiter Frank Brunecker über Provenienzforschung in Biberach, eine Ausstellung für den größten Kunstraub der Geschichte und ein Kunstwerk, das an seine Erben zurückgegeben werden konnte.

Herr Brunecker, NS-Raubkunst ist für Museen ein heikles Thema. Weshalb haben Sie sich dazu entschieden, die Kunstwerke aus ehemaligem Reichsbesitz zurückzugeben?

Oberbürgermeister Norbert Zeidler, Kulturdezernent Jörg Riedlbauer und ich sind der Auffassung, dass das Museum der Stadt Biberach keine Kunstwerke in seinen Sammlungen haben sollte, die auch nur mutmaßlich mit NS-Verbrechen in Verbindung stehen. Zudem haben die fünf Gemälde, die als Leihgaben aus ehemaligem Reichsbesitz im Museum Biberach waren, für uns keinen enormen Wert dargestellt.

Wie bewerten Sie heute die Entscheidung der Stadt Biberach, sich im Jahr 1965 für die Ausleihe von insgesamt 20 Kunstwerken mit mutmaßlich dunkler Vergangenheit zu bewerben?

Peinlich. Es war der Versuch, auf nahezu kostenlose Weise an kostbares Ausstellungsgut zu kommen. Die Herkunft der Kunstwerke interessierte nicht. Eine Auseinandersetzung mit der deutschen Schuld und Verantwortung erfolgte nicht.

Weshalb erfolgte die Rückgabe der Kunstwerke erst 2012?

Ich bin seit 1997 Museumsleiter in Biberach. Auch kam erst 1998 mit der Washingtoner Erklärung Bewegung in dieses Thema. Ein Jahr später erhielten wir einen Brief des Bundesfinanzministeriums, in dem wir aufgefordert wurden, alle Informationen über unsere Leihgaben aus ehemaligem Reichsbesitz zusammenzutragen. Daraufhin haben wir begonnen, die Bilder zu untersuchen. Markierungen, Stempel oder Aufkleber auf den Rückseiten der Gemälde haben wir dokumentiert und an unseren Leihgeber, das Bundesfinanzministerium, geschickt. Die gesammelten Informationen wurden auf der Internetseite www.lostart.de veröffentlicht. 2006 haben wir das Thema in einer großen Ausstellung in Biberach aufgearbeitet, bekannt gemacht und in dem Band „Nationalsozialismus in Biberach“ publiziert.

In einem Fall führte dies zum Erfolg. 2010 erhielten die rechtmäßigen Erben ihre gotische Altartafel zurück.

Bei den Erben handelt es sich um zwei ältere Damen aus Rom. Ihr Vater, der ungarische Baron András Herzog, verkaufte das Werk noch kurz vor seiner Internierung und seinem Tod in einem ungarischen KZ 1942. Aber unter welchen Umständen das geschah lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Das Bundesamt für offene Vermögensfragen ging davon aus, dass der Verkauf unter Verfolgungsdruck zustande kam, und bewertete das auf den ersten Blick legale Geschäft als Zwangsverkauf. Somit ging die Altartafel an die beiden Töchter des ehemaligen Besitzers zurück.

Wie muss man sich die Übergabe eines solchen Kunstwerks vorstellen?

Zunächst haben wir der Rückgabe enthusiastisch zugestimmt und gehofft, dass die beiden Frauen nach Biberach kommen oder wir nach Rom fahren. Das war im Nachhinein etwas naiv gedacht. Die Übergabe wurde über eine Berliner Anwaltskanzlei abgewickelt. Mitarbeiter einer Kunstspedition kamen nach Biberach und holten das Gemälde ab. Danach wurde das Bild über das Kölner Auktionshaus Lempertz versteigert - zu einem Mindestpreis von 170 000 Euro, der aber nicht erreicht wurde. Wo es letztlich landete, weiß ich nicht.

War die Rückgabe für Sie eine Art späte Wiedergutmachung?

Ein stückweit schon. Die beiden Frauen haben früh ihren Vater verloren, vom Verkauf im Jahr 1942 hatten sie keinen Nutzen. Jetzt ist verspätet etwas Geld angekommen, abzüglich der Honorare für die Anwälte und Kunstdetektive. Immerhin.

Bei den anderen vier Gemälden gab es keine Reaktionen auf die Datenbankeinträge. Was konnten Sie hier herausfinden?

Bei drei Bildern waren wir von Anfang an in einer Sackgasse. Es gab keine Zeichen, keine Namen. Wir haben nichts gefunden, was uns irgendwie weitergeholfen hätte. Anders beim Werk „Öschprozession am Chiemsee“ von Anton Braith. Auf der Rückseite fanden wir den Namen Hans Lehmkuhl, samt Anschrift in Berlin. Wir haben im Internet recherchiert, beim Einwohnermeldeamt und bei Nachbarn angerufen. Ohne Erfolg. Mehr konnten wir von Biberach aus nicht machen. Wir waren auch nicht der Eigentümer des Bildes. Das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen sitzt hingegen in Berlin. Es könnte vor Ort recherchieren.

Nachdem Sie nichts über mögliche Eigentümer in Erfahrung bringen konnten, gaben sie die vier restlichen Gemälde dem BADV zurück. Was gab es dort für Reaktionen?

Man war verwundert. Es gibt wohl nicht so viele Museen, die ihre Leihgaben aus ehemaligem Reichsbesitz zurückgeben. Unser Standpunkt ist: Wir sehen keine Chance, dass die Provenienzforschung in diesen Fällen von Biberach aus zu einem Ergebnis führt. Das muss von Berlin aus gemacht werden. In Biberach sucht niemand nach Hans Lehmkuhl.

Was müsste Ihrer Meinung nach mit der NS-Raubkunst passieren?

Alle deutschen Museen sollten ihre Leihgaben aus ehemaligem Reichsbesitz an das Bundesfinanzministerium zurückgeben. Alle diese Kunstgegenstände sollten an zentraler Stelle erfasst, erforscht und gegebenenfalls ausgestellt werden. Wie wäre es mit einem Ausstellungshaus in Berlin, das über den größten Kunstraub der Geschichte aufklärt?

Wird diese Hoffnung eines Tages Realität?

Es sieht nicht danach aus.

http://www.schwaebische.de/region/biberach-ulm/biberach/stadtnachrichten-biberach_artikel,-Museumsleiter-Alle-deutschen-Museen-sollten-NS-Raubkunst-zurueckgeben-_arid,5434597.html
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