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Die Schätze des Gurlitt-Klans. Das Museum in Linz erforscht die Herkunft seiner Sammlung - Treasures of the Gurlitt clan: The Linz Museum explores the origins of its collection

1998
1970
1945
O2elf 28 November 2013

Während der Zeit des Nationalsozialismus handelte Hildebrandt Gurlitt mit der so genannten „entarteten Kunst“ sowie kauften für das Hitlermuseum in Linz die Kunstwerke ein, die dem „arischen Geist “sowie dem Geschmack von Hitler entsprachen. Damit beschäftigte sich auch sein Cousin Wolfgang aber im geringeren Maßstab. Beide sind schon seit langem verstorben.

Österreichische und deutsche Experten untersuchen die Sammlung von Wolfgang Gurlitt im Kunstmuseum von Linz. Die Sammlung von Hildebrand Gurlitt, die bei seinem Sohn Cornelius beschlagnahmt wurde, ist nur teilweise veröffentlicht worden. Viele Privatpersonen sowie Öffentlichkeitsorganisationen fordern die Veröffentlichung der vollen Liste der beschlagnahmten Werke. Das soll helfen, die ehemaligen Besitzer oder ihre Erben festzustellen.

Stella Rolling, Kuratorin des Museums LENTOS, leitet die Arbeit zur Feststellung der Herkunft der Kunstwerke aus der Museumssammlung. In einem Interview mit STIMME RUSSLANDS erzählte sie über die Ziele dieser Arbeit.

ROLLIG: “Das Kunstmuseum in Linz wurde als neue Galerie der Stadt Linz unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, und Anfang der 1950er Jahre wurde dem Kunsthändler Wolfgang Gurlitt ein Teil seiner Sammlung abgekauft und befindet sich heute im Lentos Kunstmuseum Linz. Nun war Wolfgang Gurlitt in der Zeit des Nationalsozialismus als Kunsthändler tätig, und daher müssen wir die Provinienz der Werke jetzt genau untersuchen, um herauszufinden, welche davon Raubkunst sind und welche wir den Erben der ehemaligen Besitzern zurückgeben sollen, müssen, auch wollen.”

KORRESPONDENT: Es gab auch Gerüchte, dass Wolfgang Gurlitt was mit dem Verkauf von entarteter Kunst und auch mit Projekten im Zusammenhang mit dem „Führermuseum“ in Linz zu tun gehabt hatte. Was steckt hinter diesen Gerüchten?

ROLLIG: “Ja, also das sind nicht nur Gerüchte, sondern das ist Geschichte, das sind Tatsachen. Ich meine Wolfgang Gurlitt war kein grosser Kunsthändler im Nationalsozialismus. Er war selber kein Nazi ideologisch, er war kein Parteimitglied, er hatte auch keine etablierten Beziehungen zur nationalsozialistischen Regierung, zum Regime, aber er hat seinen Beruf als Kunsthändler ausgeübt. Und wir haben bis heute herausgefunden, dass zehn Werke, die wir in der Sammlung gehabt haben, unrechtmässig in unserem Museum waren. Die hat er von jüdischen Vorbesitzern, die unter Zwang verkaufen mussten, erworben, und wir haben mittlerweile diese zehn Bilder an die Erben der ehemaligen Eigentümer zurückgegeben, also restituiert.”

Können Sie diese Werke nennen, bitte?

ROLLIG: “Das berühmteste Bild, das wir 2009 zurückgegeben haben, ist von Gustav Klimt das Bildnis der Maria Monk. Dann haben wir ein Werk von Egon Schiele zurückgegeben, „Tote Stadt“, dann eines von (nicht verstanden) und insgesamt ein Konvolut von sechs Bildern von Anton Romako. Diese sind aber erfreulicherweise im Lentos geblieben, weil die neue, die heutige Besitzerin sie bei uns als Dauerleihgabe lässt, und in einem Fall bei einem Bild von Wilhelm Trübner haben wir uns mit den Erben geeinigt und haben das finanziell abgelöst.”

Denken Sie, dass noch einige solche Fälle vorkommen werden? Ich meine, dass neue Ansprüche von mutmasslichen Erben reinkommen können.

ROLLIG: “Wir glauben heute, dass die Möglichkeit nicht mehr sehr gross ist. Wir haben jetzt ungefähr 40 Prozent des Sammlungsbestandes genau angeschaut, also aus der Sammlung Gurlitt, und wir werden sicher noch einige Jahre forschen, aber wir denken, dass eigentlich nichts mehr zu erwarten ist, dass die Ansprüche gestellt sind. Was uns jetzt aber nicht daran hindert, weiter zu suchen. Im Moment sind drei Werke noch in Schwebe, da gibt es Ansprüche, und wir haben unsere Forschungen abgeschlossen und haben diese drei Werke zur Entscheidung jetzt an die Provinienzforschungskommission des Bundes, des Österreichischen Staates, übergeben.”

Man weiss, dass Wolfgang Gurlitt aus einer berühmten Kunsthändler-Dynastie stammt und dass er ein Vetter von Hildebrand Gurlitt war. Und natürlich wird jetzt ganz viel über Cornelius Gurlitt in München gesprochen. Was meint man dazu in Fachkreisen? Haben Sie eine persönliche Meinung dazu?

ROLLIG: “Naja, ganz unbedingt muss man sehr genau schauen, was Raubkunst ist, was heute unrechtmässig im Besitz von Museen und von Privatpersonen ist. Man darf nur keine Vorverurteilungen treffen, wie es im Fall von Cornelius Gurlitt passiert ist. Cornelius Gurlitt hat selber nichts Unrechtes getan. Er hat eine Sammlung geerbt, und nach bestehenden deutschen Gesetzen muss er die eigentlich nicht zurückgeben. Es wird ja auch nur ein geringer Teil davon als Raubkunst vermutet. Also meine Meinung ist: Restitution wenn sie berechtigt ist, ja und ganz unbedingt, da bekenne ich mich persönlich dazu, das ist meine Überzeugung. Aber in dem Fall Gurlitt, der jetzt aktuell ist, ist der Herr Cornelius Gurlitt von den Medien sehr schnell verurteilt und verteufelt worden und das war eigentlich nicht richtig und das wird ja heute, zwei Wochen nach Beginn dieses Falles, auch schon wieder anders gesehen.”

Glauben Sie, dass es noch weitere solche Sammlungen der Familie Gurlitt gibt?

ROLLIG: “Man kann das nicht ausschliessen. Also Wolfgang Gurlitt hat eine Tochter, die noch lebt. Wir wissen eigentlich nicht, was sie besitzt. Wieder mit aller Vorsicht gesagt, es kann niemand wissen, aber natürlich kann man nicht ausschliessen, dass auch sie etwas von ihrem Vater geerbt hat, das wir nicht kennen. Es gibt ja auch noch weitere Familienmitglieder, ich kenne nicht alle. Ich weiss nur ein Verwandter ist auch in Barcelona aufgetaucht, der sich in dem Fall zu Wort gemeldet hat. Ein anderer in Würzburg, der dann seine Bilder sogar zur Verfügung gestellt hat, weil er sie nicht mehr zu Hause wollte. Also, es ist sicher noch nicht alles ganz klar und abgeschlossen.”

Und was die Ansprüche betrifft, gab es auch Ansprüche aus dem Ausland? Zum Beispiel aus Polen, Russland, Frankreich etc.

ROLLIG: “Ja es gab Ansprüche, aber eigentlich aus Deutschland. Das heisst von deutschen Anwälten. Also einige der Anspruchsberechtigten sind von deutschen Anwälten in Berlin vertreten, andere aus Österreich, aber aus anderen europäischen Ländern oder aus den USA haben wir keine Rückstellungsforderungen erhalten.”

Nochmals zur Geschichte. Am Anfang haben wir ja gesagt, dass Wolfgang Gurlitt etwas mit dem Führermuseum in Linz zu tun gehabt hat. Gibt es mehr Informationen darüber?

ROLLIG: “Es gibt Informationen, aber er hat nicht sehr viel damit zu tun gehabt hat. Er war eigentlich im Unterschied zu Hildebrand Gurlitt kein Haupteinkäufer für das geplante Führermuseum. Es gibt eigentlich bis heute nur einen Beleg, der besagt, dass sich Wolfgang Gurlitt einmal für eine Reise ins Elsass eine Bescheinigung hat ausstellen lassen, dass er dort beauftragt ist für das Führermuseum einzukaufen. Wir glauben heute, dass das eine Gefälligkeitsbescheinigung war. Wir wissen eigentlich nichts Näheres, wir wissen auch nichts von irgendwelchen Erwerbungen durch Wolfgang Gurlitt für das geplante Führermuseum.”

Viele Leute verlangen jetzt von den deutschen Behörden, die volle Liste von Cornelius Gurlitts Sammlung zu veröffentlichen. Unterstützen Sie diese Idee?

ROLLIG: “Nein, eigentlich nicht. Ich fände, das wäre Unrecht. Ich fände man würde dann historisches Unrecht mit neuem Unrecht kontern und das kann nicht zu Gerechtigkeit führen. Unrecht und Unrecht führt nicht zu Gerechtigkeit. Das ist eine Privatsammlung und es sollen jetzt die Provinienzforscher, die eingesetzt sind, einmal in Ruhe schauen, welche Bilder Raubkunst sind und dann mit Herr Gurlitt sprechen, wie er mit diesen umgehen möchte. Aber die anderen Bilder sind sein Privateigentum, also eigentlich sind alle Bilder sein Privateigentum, und niemand würde wollen -dass möchte ich nicht, dass möchten Sie nicht – dass unser Privatbesitz detailliert in der Presse aufgelistet wird.”

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