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Görings christliche Kunstkammer - Goering's Collection of Christian Art

1998
1970
1945
Mittelbayrische 22 October 2014
Von Britta Schultejans

Das Nationalmuseum zeigt Skulpturen, die die Nazi-Größe für seinen Landsitz Carinhall zusammengerafft hatte. 15 Provenienzen gelten als bedenklich.


Das Kunstwerk „Stiftergruppe mit Heiligen (Nordfrankreich um 1470)“ aus der „Sammlung Hermann Göring“ im bayerischen Nationalmuseum.

Engel und Ritter, Heilige und Madonnen: Nazi-Größe Hermann Göring hatte ausgerechnet eine Vorliebe für christliche Kunst. Sogar ein Bischofsstab und ein Messgewand gehörten zu seiner mehr als umfangreichen Kunstsammlung, die diesen Namen eigentlich gar nicht verdient, weil ein Großteil Opfern des Nationalsozialismus geraubt oder abgepresst wurde. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges brachten die Amerikaner Görings Sammlung, die er in einem Bunker in Berchtesgaden versteckt hatte, in den Central Collecting Point in München.

Auf den Anhänger hoben die US-Soldaten damals auch eine Skulptur des Heiligen Georgs zu Pferd aus dem Jahr 1530, wie in der Wochenschau vom 29. Juni 1945 dokumentiert ist. Und diese Skulptur wird derzeit zusammen mit anderen aus der „Sammlung“ Göring im Bayerischen Nationalmuseum ausgestellt.

Schmuck für Carinhall

Denn das Museum arbeitet sein Nazi-Erbe auf. Die Kunsthistorikerin Ilse von zur Mühlen hat zwei Jahre lang 72 Skulpturen aus der Sammlung des Reichsmarschalls auf der Suche nach möglicher Raubkunst unter die Lupe genommen. In Görings Landsitz Carinhall nördlich von Berlin standen nach Museumsangaben einst um die 250 Skulpturen – viele von ihnen wurden zerstört.

„Er hatte viele Madonnen und noch mehr Ritterheilige“, sagt Museumsreferent Matthias Weniger. Der Heilige Michael ist Teil der Sammlung, ebenso wie die Heilige Agnes, der Heilige Martin oder auch die Heilige Familie.

Freistaat verwaltet Nachlass


„Stehender Ritter (Österreich um 1520)“ aus der Sammlung Hermann Göring im bayerischen Nationalmuseum

Das Museum verwaltet 434 Objekte, die Göring vor allem in seinem Prunksitz hortete. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges fand ein großer Teil den Weg zurück zu den rechtmäßigen Besitzern. Es blieb aber ein Restbestand, deren Verwaltung heute Aufgabe von Bundesrepublik Deutschland und Freistaat Bayern ist.

Im Nationalmuseum in München befinden sich heute im Wesentlichen Kunstgegenstände, bei denen es sich nicht um Bilder handelt. Denn um die kümmern sich die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, die bereits im Jahr 2004 einen Katalog mit 125 Werken aus der ehemaligen Sammlung Göring herausbrachten. Auch die „Sitzende Frau“ von Henri Matisse, die dem Fall Cornelius Gurlitt quasi ein Gesicht gab, befand sich einst in Görings Besitz. 

Der Wert ist nicht entscheidend

Ob die Skulpturen heute noch von großem Wert sind, sei bei der Erforschung nicht maßgeblich, sagt Alfred Grimm, der seit diesem Jahr als Hauptkonservator der Beauftragte des Museums für die Provenienzforschung ist. Nach dem Forschungsprojekt über die Göring-Skulpturen will sich das Museum auch mit der Herkunftsforschung der übrigen Sammlung befassen. Ein entsprechender Antrag liegt noch bei der Arbeitsstelle für Provenienzforschung, die auch schon das Skulpturenprojekt mitfinanziert hat.

Das Ergebnis der Untersuchung: 15 der Skulpturen, die Göring einst in seinem Besitz hatte, werden als „bedenklich“ oder „vermutlich belastet“ eingestuft, wie das Museum mitteilte. Bei dem Fragment eines Reliefs aus dem 16. Jahrhundert besteht den Einschätzungen zufolge etwa „höchster Recherchebedarf“, weil es in der Familie eines Vorbesitzers einen „Euthanasie“-Fall gegeben habe. So nannten die Nationalsozialisten bekanntermaßen die Ermordung behinderter Menschen im Rassenwahn.

Noch viele Lücken

Endgültig abgeschlossen, geklärt, ist aber auch dieser Fall nicht – wie so viele andere. „Es gibt immer diese Lücken“, sagt Weniger. Unterlagen seien unvollständig, Angaben müssten überprüft werden, weil Görings Kunstagenten die wahre Herkunft von Objekten auch verschleiert hätten. Alle Skulpturen wurden in die spätestens seit dem Fall Gurlitt berühmt gewordenen Online-Datenbank Lostart eingestellt, um mögliche rechtmäßige Vorbesitzer ausfindig zu machen.

Weniger befürchtet aber: „Man wird in vielen Fällen nicht weiter kommen.“ Und die Sammlung Göring ist noch nicht das ganze Nazi-Erbe, das das Museum belastet: Auch 110 Gegenstände aus dem Besitz der NSDAP oder der Parteikanzlei befinden sich heute im Bayerischen Nationalmuseum.

 

http://www.mittelbayerische.de/nachrichten/oberpfalz-bayern/artikel/goerings-christliche-kunstkammer/1138912/goerings-christliche-kunstkammer.html
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