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Ohne neues Geld keine Forschung - No Research Without New Money

1998
1970
1945
Der Bund 28 August 2015
Von Brigitta Niederhauser 

Das Kunstmuseum Bern möchte bei einer Reihe von Kunstwerken der Sammlung die Herkunft genau untersuchen. Und ist dafür auf Gelder vom Bund angewiesen.

Was genau alles mit dem Gurlitt-Erbe in das Kunstmuseum Bern kommt, ist immer noch nicht klar. Bild: Adrian Moser

Hätten wir das Geld dafür, würden wir sofort loslegen», sagt Matthias Frehner. Der Direktor des Berner Kunstmuseums möchte gerne die Herkunft einer Reihe von Bildern in der Sammlung des Museums genauer untersuchen und Lücken schliessen. Doch das Geld fehlt, denn im Leistungsvertrag des Museums ist Provenienzforschung nicht vorgesehen. «Für diese Aufgabe sind wir auf Gelder von Dritten, zum Beispiel von der Eidgenossenschaft, angewiesen.» Nicht anders sei übrigens die Situation anderer Schweizer Museen, betont Frehner. Er verweist auf Deutschland, wo dieses Forschungsgebiet zurzeit massiv ausgebaut wird und die Museen dafür mit Mitteln von der öffentlichen Hand ausgestattet werden.

Bisher liess das Kunstmuseum Bern immer verlauten, dass es nach der Veröffentlichung des Bergier-Berichts 1998 seine Bestände auf Raubkunst hin untersucht habe und kein Bedarf für weitere Abklärungen bestehe. Doch der Fokus hat sich in jüngster Zeit – unter anderem durch das Erbe Gurlitt – verändert. «Heute kommt man nicht mehr darum herum, Fluchtkunst anders zu begutachten als noch am Ende des 20. Jahrhunderts», sagt Frehner. «Wir wissen heute viel mehr als 1998.» Er verweist zum Beispiel auf die sogenannten Judenauktionen, die in Deutschland durchgeführt wurden. Der Erlös dieser Auktionen mit jüdischen Besitztümern sei den Eigentümern meist vorenthalten worden. «Das weiss man zum Beispiel noch nicht so lange, und viele solcher Fälle sind aus heutigem Verständnis gleich wie Raubkunst einzustufen.» Anders ­bewertet Frehner Kunstwerke, die von Nazi-Deutschland-Verfolgten in der Schweiz zu Marktpreisen veräussert wurden. «Da wurde die Notlage nicht ausgenutzt, denn die Verkäufer erhielten den Erlös des damals zu markt­üblichen Preisen auf Auktionen Verkauften.» Der Direktor betont aber, dass ­jeder Fall für sich betrachtet werden müsse. «Und jeder Museumsdirektor muss da Stellung beziehen.»

«Nähnadel im Heuhaufen»

Auf zehn bis zwanzig schätzt Frehner die Anzahl der Gemälde im Kunstmuseum, deren Herkunftsgeschichte im fraglichen Zeitraum (1933–1945) Lücken aufweist. Da sei zum Beispiel ein Manet, der dem Museum einst von einem Berner Sammler geschenkt worden sei. Dieser hatte ihn beim Kunsthändler Fritz Nathan gekauft, der 1936 von Deutschland in die Schweiz emigriert war. «Woher Nathan das Bild hatte, wissen wir nicht. Sein Sohn, der die Kunsthandlung weiterführte, teilte auf Anfrage mit, dass im Geschäftsarchiv keine Dokumente zu diesem Bild vorlägen.»

Frehner ist sich bewusst, dass sich die Suche 70 Jahre nach Kriegsende sehr zeitraubend und aufwendig gestaltet. Man müsse buchstäblich nach der Nähnadel im Heuhaufen suchen. «Doch die Suche ist wichtig, ob sie nun zu einem Resultat führt oder nicht.» Nicht ausgeschlossen von der Prüfung sind die Stiftungssammlungen, die in der Obhut des Museums sind. «Sollte sich dort die Herkunft eines Bildes als problematisch erweisen, müssten wir mit den Eigentümern diskutieren.» Zwar habe er nicht das Gefühl, dass dies in Bern der Fall sei, aber es habe sicher Werke mit Provenienzlücken. «Auch da müssen wir weiterkommen.» Wie viel die Aufarbeitung kostet würde, kann Frehner nicht genau beziffern. «Mit 100'000 Franken könnten wir wenigsten einmal starten.» 


http://www.derbund.ch/der-bund/raubkunst-kunstmuseum-will-herkunft-jetzt-doch-untersuchen/story/10066548
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