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Die Münchner Raubkunst-Helfer - The Munich Looted Art Helpers

1998
1970
1945
Abendzeitung Muenchen 26 June 2016
von Lea Kramer

Prominente Nazis horteten Gemälde und Kunstschätze. Die Behörden schauten zu und halfen sogar beim Verkauf der Raubkunst - auch die Bayerischen Gemäldesammlungen


Heute Musikhochschule, früher „Führerbau“: Im „Collecting Point“ in der Arcisstraße sammelten die Amerikaner die Raubkunst der Nazis – und suchten nach den Besitzern.

München
- Der Kunstfund bei Cornelius Gurlitt 2013 erregte weltweit Aufsehen. Der 81-Jährige hatte 1280 Gemälde aus dem Nachlass seines Vaters, eines Kunsthändlers, in seiner Schwabinger Wohnung aufbewahrt – darunter Werke, die seit den Zweiten Weltkrieg als verschollen galten. Viele der Bilder waren in Verdacht, Raubkunst der Nationalsozialisten zu sein. Bis heute ließ sich das bei gerade mal fünf Gemälden beweisen.

Der Fall Gurlitt lässt erahnen, wie schwierig es ist, die Herkunft geraubter Bilder zu klären. Dabei ist der Schwabinger Kunstfund nur ein eine Randnotiz in den weitaus systematischeren Raubkunst-Verstrickungen der öffentlichen Häuser. Denn: In deutschen Museen hängen Hunderte Bilder, die das Nazi-Regime jüdischen Sammlern abpresste. Und die Museen versuchen bis heute, die Quelle dieser Werke zu verschleiern.

Wie die Süddeutsche Zeitung gemeinsam mit der Nichtregierungsorganisation „Commission for Looted Art in Europe“ nun aufgedeckte, sind auch die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, deren Besitz etwa in den Pinakotheken zu sehen ist, in den Kunstskandal verwickelt. Am Beispiel von Johannes van der Heydes „Holländischem Platzbild“ zeigt die SZ exemplarisch auf, wie die bayerischen Behörden noch bis in die 90er Jahre versuchten, aus geraubten Kunstschätzen Profit zu schlagen.

Skandalös ist vor allem, dass die Kunstobjekte an Angehörigen von Nazi-Größen zu Spottpreisen veräußert wurden, obwohl sie eigentlich an die ursprünglichen Besitzer zurückgehen sollten. So hatten es die Amerikaner, die die Raubkunst der Nazis an sogenannten „Collecting Points“ wie dem ehemaligen Führerbau in der Arcisstraße sammelten, bei ihrem Abzug verfügt. Doch die Behörden pflegten lieber alte braune Beziehungen und bereicherten sich an der Kunst. So tauchen auch nach dem Krieg prominente Namen ganz besonderer Kunstliebhaber in den Akten auf. Unter anderem der von Reichsmarschall Hermann Görings Witwe Emmy. Oder der von Henriette von Schirach, Frau von Hitlers Gauleiter in Wien. Letztere spielt auch eine Rolle in der Recherche um das „Holländische Platzbild“.

Das kleine Gemälde war bis 2011 im Dom von Xanten ausgestellt. Erst über Umwege kam es an den unteren Niederrhein, denn ursprünglich war es Teil der Sammlung von Gottlieb und Mathilde Krause.

Gottlieb Krause ist in den 30er Jahren tschechischer Konsul in Wien. Er ist Jude und lebt mit seiner Familie ein luxuriöses Leben. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich erkennt er die Gefahr und flüchtet im April 1938 mit Frau und Kindern in die USA. Seinen Besitz lässt er einlagern. 1941 wird der Familie die Staatsbürgerschaft entzogen, ihr Vermögen geht in den Besitz der Geheimen Staatspolizei (Vugesta) über.

Von dort aus werden die Bilder weiterverkauft – unter anderem an das Linzer „Führermuseum“. Und an Heinrich Hoffmann. Hitlers, Hilters Leibfotograf und Schwiegervater von Baldur von Schirach.

Wie das Bild schließlich zu seiner Tochter gelangt, ist unklar. Fest steht: Henriette, nach der Scheidung wieder Hoffmann, lebt in Schwabing und sucht unter anderem nach diesem Gemälde. Wie die SZ schreibt, wendet sie sich nach Kriegsende deshalb regelmäßig an den Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Eberhard Hanfstaengl. Der überlässt ihr zahlreiche Kunstgegenstände, schließlich seien sie schon vor dem Krieg im „Besitz“ von Familie Hoffmann gewesen. Später kauft Henriette Hoffmann Gemälde zurück. Das „Holländische Platzbild“ kostet sie Anfang der 60er Jahre 300 Mark, wenige Monate später lässt sie es versteigern. Der Dombauverein in Xanten erhält für 16 100 Mark den Zuschlag.

Und die rechtmäßigen Eigentümer? Gottlieb und Mathilde sind lange tot, doch ihr Urenkel, John Graykowski, kämpft hartnäckig um die Rückgabe der Raubkunst. Das ist sein gutes Recht, denn in den „Washingtoner Prinzipien“ haben sich 44 Staaten dazu verpflichtet, geraubte Kunst zu restituieren.

Im Fall des „Holländischen Platzbilds“ scheiterte er bislang. Der Dombauverein Xanten beruft sich darauf, überhaupt keine öffentliche Sammlung zu sein, und die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen sehen sich nach dem Verkauf des Bildes nicht mehr in der Verantwortung.

Fünf Fakten zur Restitution

  • Bei der „Washington Conference on Holocaus-Era Assets“ verpflichteten sich 44 Staaten Kunstwerke, die während der NS-Zeit beschlagnahmt würden, zu identifizieren und eine „gerechte Lösung“ für die Eigentümer zu finden.
  • Das Abkommen ist nicht bindend. In Deutschland gelten die Ansprüche der Opfer als verjährt.
  • Die Bundesrepublik verpflichtete sich aber, Ansprüche anzuerkennen. Öffentliche Museen, Archive und Bibliotheken sollen dazu ihre Bestände prüfen.
  • Die sogenannte Provenienzforschung ist schwierig. Prinzipiell können alle Werke, die vor nicht 1933 im Besitz des Museums waren, Raubkunst sein.
  • In der Datenbank „Lost Art Register“ werden Suchmeldungen veröffentlicht.
http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.historische-schandtaten-die-muenchner-raubkunst-helfer.fc7e0f76-2029-4603-a550-b00861155c3a.html
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