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Es fehlen Experten, Gesetze, Anlaufstellen - Experts want laws and points of contact

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Sueddeutsche Zeitung 2 December 2016
Von Susanne Hermanski

Bei einer Podiumsdiskussion zum Stand der Provenienzforschung kommen viele Probleme auf den Tisch

München stand in dieser Woche ganz im Zeichen der Restitution - mit einer Tagung im Museum Fünf Kontinente, einem Kolloquium des Zentralinstituts für Kunstgeschichte, einem Workshop über die Entnazifizierung des Kulturbereichs im Haus der Kunst, der feierlichen Rückgabe eines Aquarells aus der Grafischen Sammlung an die rechtmäßigen Erben ("Das Arbeitszimmer des Künstlers" von Rudolf von Alt), einer lang erwarteten Buchveröffentlichung zum Kunstraub an Münchner Juden und schließlich mit einer prominent besetzten Podiumsdiskussion. Die lieferte im Schnelldurchlauf noch einmal den Überblick zum "Stand der Provenienzforschung 2016" und deren wichtigsten Herausforderungen.

Die lägen nämlich nicht in nur der notorischen personellen Unterbesetzung von Museen und Sammlungen - sprich den zu wenigen Leuten, für all die nun spät aber doch begonnenen Recherchen. Darin waren sich alle Teilnehmer vom Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen Bernhard Maaz bis zur Kunstauktionatorin Katrin Stoll einig. "Ein Dilemma", erklärte Matthias Mühling, Direktor das Lenbachhauses: "Es gibt keinen Gesetzestext, auf den wir uns bei Restitutionsforderungen berufen können. Wir sind eingeklemmt zwischen den ethisch-moralischen Vorstellungen der Öffentlichkeit, der Kunstgeschichte und unserer selbst. Stellen Sie sich vor, ich als Direktor empfände ein Unrecht, das jemandem widerfahren ist, als so schlimm, dass ich ihm nicht nur das Bild zurückgeben will, das seiner Familie zusteht, sondern am liebsten noch eines des ,Blauen Reiters' dazu. - Ethisch richtig zu handeln, ist schwer. Wir sind schließlich aus Leidenschaft für die Kunst zu unserer Arbeit gekommen, nicht als Juristen."

Ausgerechnet Frido Mann fiel als Betroffenem und Enkel von Thomas und Katia Mann, die Aufgabe zu, bei der Diskussion eine Lanze für das bereits Geleistete der Restitutionsforschung zu brechen: "Als jemand vor unserer Tür stand, um uns Bücher zurückzugeben, die der Familie meiner Großmutter, den Pringsheims, gehört haben, war das toll. Jahre zuvor hätte ich das nie gedacht. Was mich besonders beeindruckt: Wenn heute ein Museum ein Bild als Raubkunst ablehnt, weil es jemand in den Dreißigerjahren unter entsprechenden Umständen gekauft hat."

Katrin Stoll, die in ihrem Auktionshaus häufig mit entsprechenden Anfragen konfrontiert ist, forderte für den Handel unterdessen dringend eine zentrale Anlaufstelle, die in Zweifelsfällen weiterhilft. "Wir warten darauf seit der Gründung des Zentrums für Kulturgutverluste", sagte sie. Wie diese Podiumsdiskussion so waren auch die anderen Veranstaltungen auffallend gut besucht. Nicht zuletzt von vielen angehenden Kunsthistorikern, die sich für eine künftige Arbeit auf dem Gebiet der Provenienzforschung interessieren.

Dass diese nicht allzu bald ausgehen dürfte, machte der Ausblick klar, den Ute Haug, die Vorsitzende des bundesweit agierenden Arbeitskreises Provenienzforschung, gab: "Der Prozess hat erst angefangen. Er weitet sich nun aus. Auf Themenfelder wie die Raubkunst aus der Sowjetisch besetzten Zone und die deutsche Kolonialgeschichte.

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