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Bücher aus vormalig jüdischem Besitz - Books from Jewish collections

1998
1970
1945
Bayern Radio 12 January 2017
Von Stefan Mekiska

Münchner Bibliotheken suchen seit 2003 in ihren Beständen nach NS-Raubgut. Bücher von Prof. August Liebmann Mayer wurden als Schenkung der Gestapo identifiziert.

Professor August Liebmann Mayer war Kustos für Spanische Malerei an der Alten Pinakothek München. Und weil er ein deutscher Jude war, wurde er bereits vor 1933 in Prozesse verstrickt: Wegen angeblich falscher Expertisen. Seinem Freund Lion Feuchtwanger diente er als Vorlage für die Hauptperson  Martin Krüger in seinem Schlüsselroman „Erfolg“. Bereits 1933 wurde Mayer verhaftet und gefoltert. Die Flucht der Familie, mit Kunstsammlung und Bibliothek, ging nach Paris, schließlich mittellos nach Monte Carlo. Vergeblich. Mayer wurde von Frankreich aus nach Auschwitz verschleppt und 1944 ermordet. Die 1935 geborene Tochter Angelika Mayer lebt heute in einem Seniorenheim in den USA. Nur einige wenige der Kunstwerke wurden an sie in den letzten Jahren zurückgegeben. Die Münchnerin Susanne Kienlechner wurde aus persönlichen Gründen auf den Fall „August Liebmann Mayer“ aufmerksam:

"Ich bin Erbin – glücklicherweise auch – einer sehr schönen Sammlung meiner Großeltern. Das war der Bankier Dr. Franz Bohner. Und der war sehr kunstinteressiert, denn der war auch Vorsitzer des Bremer Kunstvereins von 1918 bis 22. Und man hat halt damals als Bankier sich eine Sammlung angelegt. Und die hab`ich geerbt, zum Teil also. Und zwei Kunsthistoriker waren Berater hauptsächlich der Bohners. Und zwar der eine war August Liebmann Mayer und einer war Julius Meier-Graefe"

           Susanne Kienlechner

Die Suche nach der Bibliothek August Liebmann Mayers

Doch vom Schicksal August Liebmann Mayers wusste auch ihre Großmutter nichts zu erzählen. So begann Susanne Kienlechner zu recherchieren. Bald war klar, dass die vom „Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg“ 1942 in Paris beschlagnahmte Bibliothek der Mayers drei Jahre später im Central Collecting Point der amerikanischen Monuments Men im ehemaligen Führerbau am Münchner Königsplatz landete. So war die Vermutung naheliegend, dass Teile davon ihren Weg in die Bayerische Staatsbibliothek und in das kurz danach gegründete Zentralinstitut für Kunstgeschichte gefunden haben. Doch allein dort lagern rund 52 000 Bände, die vor 1945 erschienen sind. Man konnte bei der Suche also nur nach August Liebmann Mayers Interessengebieten vorgehen.

"Und er hat sich auch für moderne Kunst interessiert. Er war absolut ein Allroundman, eben schriftstellerisch begabt und hat auch angefangen für Filme was zu schreiben. Er hat auch dann versucht, ein Werkverzeichnis von Tizian dann zu schreiben. Velazquez ist ja erschienen von ihm. Goya, sein Hauptgebiet war ja Goya"

           Susanne Kienlechner

Besitznachweis durch Mayers handschriftliche Notizen

Mit Hilfe der Studentin Maria Tischner suchte Susanne Kienlechner also in vielen Büchern nach Hinweisen auf den Kunsthistoriker Mayer. Besitzervermerke wie Ex libris, handschriftliche Notizen und und und. Weiterhin eine uferlose Aufgabe, vor allem für ein nur viereinhalb Monate lang finanziertes Forschungsprojekt, wie Maria Tischner beschreibt:

"Ne Publikationsliste von circa 400 Aufsätzen und Monographien ist ja schon sehr umfangreich. Aber das war für uns sehr gut, weil wir so eben Themen herausfinden konnten, die ihn wirklich interessiert haben. Und dann auch nach Büchern gesucht haben, die damit in Zusammenhang standen. Spanische Künstler haben wir komplett durchgemacht. Auch die ganze „Spanische Topographie“-Abteilung natürlich. Das waren so die ersten Dinge, wo wir angesetzt haben.  Auch zu Büchern, die er rezensiert hat: Zum Beispiel der Bellini, der hier liegt. Das war ein wunderschöner eindeutiger Fall mit sehr sehr vielen Anmerkungen"

          Maria Tischner

Dieses Buch ist voller handschriftlicher Notizen. Kann Maria Tischner diesen Schreib-Duktus inzwischen auch schon an kurzen Wörtern wie „sic!“ erkennen?

"Es war vielleicht nicht so sehr die Anzahl der Wörter oder der Buchstaben, sondern irgendwann war`s dann eher so die Art, wie er Dinge kommentiert hat, dass er in Aufsätze reingeschrieben hat: Hier fehlt etwas. Das steht bei mir drin. Oder: Das ist der falsche Maler – und hat dann den richtigen Maler daneben geschrieben. Solche Dinge, die waren schon sehr eindeutig Mayer."

          Maria Tischner

Mayers persönlichste Gedanken - ein aufwühlendes Vermächtnis

Bisher haben sich so 27 Bücher in der Bibliothek des Zentralinstituts für Kunstgeschichte eindeutig August Liebmann Mayer zuordnen lassen, dazu drei in der Staatsbibliothek. Sie wurden jetzt natürlich der Tochter Angelika Mayer zur Rückgabe angeboten. Doch wie soll wirklich mit ihnen weiter verfahren werden? Susanne Kienlechner berichtet über ihre Gedanken, besonders anlässlich des Bandes über „Giovanni Bellini“:

"Und in diesem Buch war genau alles persönlich von ihm bemerkt, also sein ganzer Arbeitsgang. Da sage ich, da hat er recht, da hat er nicht recht. Und da meine ich das, und so. Das berührt einen dann schon sehr. Und da habe ich auch gedacht: Mein Gott, wenn das die Tochter in der Hand hat. Das ist so was Lebendiges. Das ist das lebendigste Dokument – mehr wie Fotos oder alles, was man je von ihm noch bekommen kann. Also auch seine persönlichsten Gedanken direkt niedergeschrieben. Und da habe ich gedacht, mein Gott, ich hätte direkt Angst, ihr das zu geben, was ich da wieder aufwühle. Und ihre Reaktion offiziell war dann, dass sie uns auch gesagt hat, die Bücher bleiben hier"

           Susanne Kienlechner

Die Bücher aus der ehemaligen Bibliothek Mayer tragen in München künftig auf der Innenseite des Buchdeckels einen an ihre Herkunft erinnernden Aufkleber. Ein weiter lebendes Denkmal für August Liebmann Mayer, ermordet 1944 in Auschwitz.

http://www.br.de/radio/bayern2/kultur/kulturwelt/raubkunst-buecher-august-liebmann-mayer-102.html
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