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Märkisches Museum Verschollenes Gemälde ist ab Juni wieder zu sehen - A lost painting will be on display at the Märkische Museum Berlin from June

1998
1970
1945
Berliner Zeitung 24 January 2017
Von Andreas Förster



Paul Spies, Direktor der Stiftung Berliner Stadtmuseum, vor dem ins Märkische Museum zurückgekehrten „Blumenstillleben mit Wolfsmilchschwärmer“.

Der 13. Januar war ein besonderer Tag für Martina Weiland. Die Sammlungschefin der Stiftung Berliner Stadtmuseum erhielt an diesem Tag Post aus London. Ein kleines, sorgfältig verpacktes Paket, von einem Kurierdienst geliefert. Es enthielt ein gerade mal 27 mal 22 Zentimeter großes Ölgemälde des niederländischen Malers Willem Frederik van Royen. Das „Blumenstillleben mit Wolfsmilchschwärmer“ war vom Märkischen Museum 1929 erworben worden. Nach Kriegsende verlor sich seine Spur, das kleine Kunstwerk galt als verschollen oder gar zerstört. Nun aber, nach mehr als sieben Jahrzehnten, ist es wieder dort angelangt, wo es hingehört – im Märkischen Museum. „Das Bild ist heimgekehrt“, sagt Martina Weiland, und es ist der Sammlungschefin anzumerken, wie glücklich sie darüber ist.

In drei Flaktürmen eingelagert

Willem Frederik van Royen (1645-1723), Hofmaler des Großen Kurfürsten und ab 1698 Rektor an der Berliner Akademie der Künste, hatte das kleine Bild 1706 gemalt. Es ist eines von zwei Gemälden des Niederländers, die sich im Besitz des Märkischen Museums befinden. Während aber das andere Bild den Krieg unbeschadet überstand, verschwand van Royens Stillleben im Jahr 1945.

Bereits im September 1939, unmittelbar nach dem Überfall Hitlerdeutschlands auf Polen, war das Märkische Museum für die Öffentlichkeit geschlossen worden. Die Sammlung blieb aber vorerst noch im Hause. Erst 1943, als die Alliierten ihre Bombenangriffe auf die Hauptstadt verstärkten, begann das Museum mit der Auslagerung seines Bestandes. Ein Großteil der Sammlung ging in das Schloss Radun auf der westlichen Seite der Oder, das einem mit dem damaligen Museumsdirektor Walter Stengel befreundeten Gutsbesitzer gehörte. Die Gemälde des Märkischen Museums, ungefähr 80 an der Zahl, hingegen blieben in Berlin. Sie wurden 1944 in einem der drei Flaktürme der Stadt eingelagert, und zwar in den am Friedrichshain.

Die Geschichte des Friedrichshainer Flakturms, der wie seine beiden Brüder am Zoo und im Humboldthain aus zwei Gebäuden bestand – dem Leit- und dem Gefechtsturm – , ist bis heute geheimnisumwittert. Das liegt vor allem daran, dass auf mehreren Stockwerken in dem 45 Meter hohen Leitturm nicht nur die 80 Bilder aus dem Märkischen Museum eingelagert wurden, um sie vor Kriegsschäden zu bewahren, sondern auch bedeutende Kunstwerke der Berliner Gemäldegalerie. Im März 1945 wurde noch einmal ein großer Teilbestand aus dem Flakturm in zwei Kalischächte in der Rhön umgelagert. Bis heute aber ist unklar, welche Gemälde nach Thüringen gelangten, wo die US-Truppen sie beschlagnahmten, und welche in Berlin zurückblieben. Fest steht nur, dass die im Flakturm verbliebenen Kunstwerke das Kriegsende von Bombentreffern unbeschadet überstanden. Danach aber verliert sich ihre Spur.

Schon in den Vormittagsstunden des 2. Mai 1945 hatten russische Truppen den Flakleitturm im Friedrichshain besetzt. In der Nacht zuvor waren die Museumswächter verschwunden, nachdem die Lichtanlage ausgefallen war. Einer der Museumsangestellten kam am 4. und 5. Mai noch einmal in den Friedrichshain, um in dem unbewachten Gebäude nach dem Rechten zu sehen. An diesen beiden Tagen, so gab er später zu Protokoll, habe er noch alles intakt vorgefunden. Am 6. Mai aber, bei einem neuerlichen Kontrollgang, musste er feststellen, dass der erste Stock des Turmes aus unbekannten Gründen ausgebrannt war. Die darin befindlichen Gemälde, sofern sie nicht vorher von Unbekannten entwendet wurden, waren offenbar bei dem Feuer zerstört worden.

Einen Tag später sprach der damalige Generaldirektor der Staatlichen Museen, Professor Otto Kümmel, bei der russischen Besatzungsbehörde vor und drängte darauf, das Depot in dem Flakturm zu bewachen. Aber nichts geschah. Als ein Museumsangestellter am 18. Mai noch einmal den Flakturm besichtigen wollte, fand er das Restdepot im zweiten und dritten Stockwerk des Bauwerks ebenfalls ausgebrannt vor. 1946 wurde das Flakturmpaar vom Friedrichshain gesprengt, auf seinen Trümmern erhebt sich heute der „Mont Klamott“ am Volkspark.

Von den einst 80 Gemälden, die das Märkische Museum in den Flakturm ausgelagert hatte, fehlen bis heute rund 60 Werke. Vor einigen Jahren hatte das Museum die vermissten Kunstwerke in die Lost-Art-Datei des Deutschen Zentrums für Kulturgutverluste eingestellt. Dieser Eintrag in der im Internet für jedermann einsehbaren Datenbank führte nun auf die Spur des Van-Royen-Bildes.

Hoffnung für andere Bilder

Der auf die Suche nach vermissten Kunstgütern spezialisierten Agentur Artloss Register war im Herbst 2016 aufgefallen, dass das vom Museum vermisste Stillleben vom Londoner Auktionshaus Bonhams versteigert werden sollte. Über Bonhams einigte sich das Museum mit dem unbekannt gebliebenen Besitzer auf den Ankauf des Bildes. Für 1 300 Euro, den vorgesehenen Einstandspreis für die Auktion, ist das Blumenstillleben des niederländischen Meisters an die Spree zurückgekehrt.

Sammlungschefin Weiland ist erleichtert. „Ich bin sehr sehr froh über diese glückliche Heimkehr unseres Bildes“, sagt sie. „Zeigt uns diese Geschichte doch auch, dass wir vielleicht noch andere unserer Bilder zurückbekommen, die seit Kriegsende verschollen sind.“ Jetzt wird dem Van-Royen-Gemälde erst noch ein neuer Rahmen angepasst. Ab Mai, spätestens Juni, so verspricht es Martina Weiland, wird man das mehr als 300 Jahre alte „Blumenstillleben mit Wolfsmilchschwärmer“ wieder im Märkischen Museum anschauen können.

 

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