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Tanja Bernsau erforscht den Wiesbadener Kunsthandel zwischen 1918 und 1950 - Tanja Bernsau explores the Wiesbaden art trade between 1918 and 1950

1998
1970
1945
Wiesbadener Kurier 8 February 2017
Von Elmar Ferger



WIESBADEN - Tanja Bernsau forscht über den Kunsthandel in Wiesbaden. Für das Projekt Stadtteil-Historiker Wiesbaden der Wiesbaden Stiftung in Kooperation mit der Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt und mit der Unterstützung des Kulturfonds Rhein-Main wurden insgesamt 13 StadtteilHistoriker ernannt. Diese Zeitung als Medienpartner stellt sie und ihre Projekte in loser Folge vor. Zu ihnen gehört auch Dr. Tanja Bernsau. Die promovierte Kunsthistorikerin will mit ihrem Projekt die Enteignungen vorwiegend jüdischer Kunsthändler und Sammler in Wiesbaden untersuchen. Es soll herausgefunden werden, wer besonderen Anteil an der Konfiszierung jüdischen Eigentums hatte und auch, welche Rolle die jeweilige Besatzungsmacht gespielt hat, den Kunstmarkt zu fördern oder zu hemmen.

Frau Bernsau, was hat Sie bewogen, sich mit der Geschichte des Kunsthandels in Wiesbaden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu beschäftigen?

In meinem beruflichen Alltag beschäftige ich mich mit gestohlenen und verloren gegangenen Kunstwerken aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Gleichzeitig interessiere ich mich als „Wiesbadener Mädche“ für die Geschichte meiner Heimatstadt. Als ich von dem Stadtteil-Historiker-Projekt erfahren habe, dachte ich: Das ist der perfekte Rahmen, die Protagonisten des Kunstmarkts in Wiesbaden aus eben dieser Zeit ans Licht zu bringen. Die Sammler, die Händler, die Künstler.

Woher beziehen Sie Ihre Informationen?

Ich kann auf verschiedene Quellen zurückgreifen: Im Stadtarchiv konnte ich die wesentlichen Kunsthändler anhand der alten Branchenbücher herausfinden, im hessischen Hauptstaatsarchiv fand ich Unterlagen zum Beispiel über die enteigneten Sammlungen jüdischer Einwohner. Teilweise sind es alte Ausstellungs- oder Auktionskataloge, die mir helfen, Sammlungen zu rekonstruieren. Vor allem für die Zeit des Nationalsozialismus sind aber das Bundesarchiv Koblenz oder auch das US-amerikanische Nationalarchiv wertvoll, auch wenn es um den Wiederaufbau der Kulturlandschaft nach 1945 geht.

Ein spannender Fund?

In den Branchenbüchern entdeckte ich die Kunsthändlerin Elisabeth Adelsberger, die in der Taunusstraße ihr Geschäft betrieb. Nach dem Zweiten Weltkrieg stellte Frau Adelsberger einen Antrag auf „Erhaltung der Lizenz für Kunsthandlung“, sowie dies auch alle anderen Kunsthändler tun mussten, um ihr Geschäft in der amerikanischen Besatzungszone weiterführen zu dürfen. Darin mussten die Kunsthändler ihre „Unschuld“ in Bezug auf den Nationalsozialismus bestätigen. Frau Adelsberger gab an, niemals Kunstwerke aus jüdischem Besitz gekauft zu haben und sogar aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Widerstand selbst verfolgt gewesen worden zu sein, und erhielt ihre Konzession zurück. Im Bundesarchiv Koblenz konnte ich jedoch Belege dafür finden, dass sie mehrere Werke direkt an den Sonderauftrag Linz, an Hitlers Führermuseum, verkauft hatte.

Wie kommen Sie voran und was wird das Ergebnis bei Projektende sein?

Im Laufe der Forschungen habe ich festgestellt, dass ich mein Thema sehr weit gefasst habe. Zu weit, um es in der Projektlaufzeit in der Tiefe zu erforschen und alle Informationen bereitzustellen. Es ist schwierig, neben der Berufstätigkeit ausreichend Zeit für das spannende Forschungsprojekt abzuknapsen. Deshalb bin ich auch sehr froh, dass ich zur Präsentation meines Endergebnisses eine Website gewählt habe. Zum Ablauf des Stadtteil-Historiker-Projekts werde ich noch nicht alle Fakten beisammenhaben, aber die Website in einem guten Zwischenstand präsentieren können. Die Liste der Kunstsammler etwa erhebt dann keinen Anspruch auf Vollständigkeit, zeigt aber wesentliche Protagonisten. Und wenn das Projekt abgeschlossen ist, gehen meine Forschungen weiter. Insofern ist eine Website als Präsentationsform sehr flexibel, weil sie es ermöglicht, kontinuierlich weiter daran zu arbeiten. Denn wirklich abgeschlossen sind solche Forschungen nie. Weitere Informationen zum Projekt Stadtteil-Historiker Wiesbaden findet man im Internet unter www.stadtteilhistoriker-wi.de sowie unter facebook.com/ stadtteilhistorikerWI.

http://www.wiesbadener-kurier.de/lokales/wiesbaden/nachrichten-wiesbaden/stadteilhistoriker-serie-teil-2-tanja-bernsau-erforscht-den-wiesbadener-kunsthandel-zwischen-1918-und-1950_17666746.htm
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