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Das Geheimnis um die Sammlung Prött - The secret of the Prött Collection

1998
1970
1945
RP Online 26 August 2017
Von Martin Heuchel

Die Kunsthistorikerin Uta-Christiane Bergemann in der Bibliothek des Textilmuseums. Vorsichtig nimmt sie Textilien aus der Sammlung Paul Prött in Augenschein, die 1943 ins Haus kamen.

Krefeld.
Textilien aus der Zeit des Nationalsozialismus sind ein unerforschtes Gebiet. Das Deutsche Textilmuseum nimmt jetzt die Sammlung des Künstlers Prött in den Fokus. Das Museum ist in der Erforschung der Herkunft von Textilien führend. Dort gibt es demnächst eine Tagung mit Experten.  

Seit 1943 schlummert die Sammlung des Künstlers und Grafikers Paul Prött im Deutschen Textilmuseum in Linn. Die Herkunft und Erwerbsgeschichte der insgesamt 1000 Textil- und Schmuckgegenstände, die das Museum damals für 120.000 Reichsmark von Prött erwarb, wirft jedoch einige Fragen auf - wie bei so manchen Museumsbeständen, die aus der Zeit des Nationalsozialismus stammen. Wer sich die Mühe macht, diesen Fragen auf den Grund zu gehen, begibt sich auf eine Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen.

Provenienzforschung nennt sich die komplizierte Suche nach Herkunft und ursprünglichen Besitzern von Kunstgegenständen. Uta-Christiane Bergemann, Dozentin für Kunstgeschichte an den Universitäten Bochum und Düsseldorf, wurde mit dem Forschungsprojekt beauftragt, das für die Provenienz- und Textilforschung in Deutschland eine Vorreiterrolle einnimmt.

Zwei Gürtel aus der Sammlung: Der obere stammt aus dem Alpenraum und wird auf Mitte des 19. Jahrhunderts datiert.

 

 

Für viele Museen ist die Herkunftsbestimmung ihrer Ausstellungsstücke nicht unproblematisch, sofern es sich dabei um NS-Raubkunst handelt. Wenn ein Nachfahre der ursprünglichen Besitzer Anspruch anmeldet, droht den Museen der Verlust von wertvollen Ausstellungsstücken, und ganze Sammlungen werden im Härtefall auseinandergerissen. "Andere Museen sind vorsichtig, weil es ein heikles Thema ist. Eine gewisse Beklommenheit ist spürbar", sagt Museumsdirektorin Annette Schieck. Gleichzeitig ist die Bestimmung ebenso notwendig wie aufwendig und kostspielig, da Experten über einen längeren Zeitraum mit der Recherche beauftragt werden müssen.

Bis die Stelle für Kulturgutverluste aktiv werden kann, müssen die Gegenstände aber klar bestimmt werden. Für diese "Detektivarbeit" wurde Bergemann, unterstützt von der Sparkassen Kulturstiftung, beauftragt. "Alle Gegenstände aus der Sammlung Prött wurden beim Erwerb 1943 zwar aufgelistet, über die genaue Datierung und Herkunft war aber nichts Weiteres bekannt, und auch die Person Prött war nicht wirklich erforscht. Wir mussten also bei Null anfangen", erklärt die Forscherin.

Nach zahlreichen Archivbesuchen und Vergleichsstudien in anderen Museen sowie langer Recherche über das Leben Paul Prötts sind die Forschungen entscheidend vorangekommen. So steht fest, dass die Sammlung in der zweiten Hälfte des Jahres 1943 gekauft wurden, nachdem Krefeld bombardiert worden war. Einzelne Stücke lassen sich recht präzise einordnen und bestimmen. So zum Beispiel ein "Ranzen", ein traditioneller Ziergürtel aus Leder und mit Federkielstickerei, der in die Mitte des 19. Jahrhunderts verortet wurde und aus dem Alpenraum nahe Salzburg stammt.

Für Schieck steht fest: "Prött hatte einen guten Riecher für Qualität." Auch dessen Lebensgeschichte hat Bergemann maßgeblich rekonstruieren können. Entgegen bisheriger Vermutung starb Prött nicht 1947, sondern wanderte damals in die USA aus, kehrte '57 nach Deutschland zurück und lebte noch bis 1967 in der Bundesrepublik.

Weitere wichtige Fragen sind aber noch offen: Wo kaufte Prött die Textilien? Bediente er sich womöglich bei NS-Sammelstellen, wo Raubkunst im großen Stil verkauft wurde? Und woher stammte das Geld für den Erwerb der Sammlung?

Das Textilmuseum verfügte nicht über die nötigen Mittel. Da Prött zeitlebens mittellos war, ist es eine Möglichkeit, dass er im Auftrag anderer gehandelt habe. Für Künstler seiner Zeit war es keineswegs unüblich, als Strohmann und Fachmann für Kunstliebhaber aktiv zu sein. Von Prötts Nachfahren kam der Hinweis, er habe in Kontakt mit Hermann Göring, dem Oberbefehlshaber der deutschen Luftwaffe und bekannten Kunstliebhaber, gestanden, sei sogar "Stammgast" bei ihm gewesen. Andererseits war Prött weder Parteimitglied bei der NSDAP, noch in der Reichskulturkammer registriert, womit er als Künstler keine Berufserlaubnis besaß.

Um die zusammengetragenen Informationen über Prött in einen größeren Rahmen zu setzen und verschiedene Experten an einen Tisch zu bringen, entstand die Idee zu einer Schwerpunkt-Tagung. "Durch den gegenseitigen Austausch hoffen wir auch Ideen zu sammeln, wie sich Indizien zur Herkunft finden lassen", so Schieck. Am Freitag, 8. September, finden sich neun Referenten in der Linner Museumsscheune, Albert-Steeger-Straße 5, ein, die zum Thema Provenienzforschung und Sammlungsstrategien europäischer Museen in der NS-Zeit Vorträge halten.

Veranstaltung: Freitag, 8. September, 8.30 Uhr. Die Teilnahme ist kostenlos, Anmeldung bis zum 1. September telefonisch unter 02151 9469450 oder per Mail an: textilmuseum@krefeld.de

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