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Ritter und Kanonikus reisen in die USA - Knight and canon travel to the USA

1998
1970
1945
Mittelhessen.de 28 September 2017


Stadt gibt zwei Stifterscheiben aus dem 15. Jahrhundert an rechtmäßige Besitzer zurück

Wetzlar
Seit 2012 nach Jahren im Depot hingen zwei Stifterscheiben im Hause von Dr. Irmgard von Lemmers-Danforth, heute Palais Papius. Zu Unrecht, wie sich nach rund 80 Jahren zeigte.

Die Provenienzforscherin Dr. Katja Terlau hat belegt, dass es sich um zwei Stücke handelt, die dem Kölner Sammler und Industriellen Ottmar Strauss (1878 bis 1941) während der NS-Zeit unrechtmäßig „entzogen“ wurden und daher restituiert, will sagen: zurückgegeben, werden müssen. Was am Donnerstag nun erfolgt ist.

Kulturdezernent Jörg Kratkey hat die Exponate, die bislang, von vielen eher unbemerkt, im Fenster des Treppenhauses hingen, an die Rechtsanwältin der Erben, Dr. Imke Gielen, übergeben. Der Transporter wartete schon, damit die kostbare Fracht (Wert rund 5000 Euro) sicher verpackt die Reise zu den Erben in die USA antreten kann. Was diese dann mit den Kostbarkeiten machen, ist unbekannt.

Damit ist die Sammlung von Lemmers-Danforth zur europäischen Wohnkultur um zwei Exponate ärmer, bleiben noch etwa 440. Ob unter den Dingen, die die Wetzlarer Kinderärztin und Ehrenbürgerin vor allem in den 30er, 40er und 50er Jahren gekauft hat, weitere Gegenstände sind, die als „Raubkunst“ gelten und aus sogenannten Judenauktionen stammen, lässt die Stadt grundlegend klären, erzählte Kratkey. Die zwei Stifterscheiben „Kniender Ritter“ und „Kniender Kanonikus“ stammen nachweislich aus einer solchen Judenauktion 1934/35. In sechs Fällen zuvor – alle aus dem Palais – hatten Nachforschungen einen Verdacht bereits erhärtet, so dass die Stücke das Haus verlassen mussten. So wie nun Nr. 7 und 8. Laut Kulturamt ist die Herkunft vieler weiterer Exponate „klärungsbedürftig“, genug Arbeit für den Gutachter. Die Kosten der Recherche (rund 6000 Euro) übernimmt die Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste.

Beide Seiten machten klar, dass es nicht um eine Schuldzuweisung geht

Bis alle Ergebnisse vorliegen, kann es dauern. Denn der Gutachter muss in Archive eintauchen und Auktionskataloge wälzen, sofern es noch Unterlagen gibt, die besagen, wer was wann wo und unter welchen Umständen an wen veräußert hat. Fernziel des Dezernenten ist es, den gesamten Bestand abzuklopfen. Zudem prüft das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen, ob eventuell für Objekte bereits Entschädigung gezahlt wurde.

Anwältin Gielen dankte für die Übergabe. Vor nur etwa einem Jahr sei sie in dieser Sache erneut an die Stadt herangetreten, nachdem man bereits vor rund zehn Jahren einen Kabinettschrank an die Erben von Strauss zurückgeben konnte. Was, wie jetzt auch, in gutem Einvernehmen geschehen sei. Was wiederum, so Kratkey, eine Selbstverständlichkeit sei. Beide machten klar, dass es nicht um eine Schuldzuweisung an die Adresse Lemmers-Danforth gehe, sondern an die Adresse der politischen, scheinbar rechtmäßigen Strukturen jener Zeit. Von den mehr als 1000 Objekten der Sammlung Strauss habe man bislang etwa 40 wiedergefunden, sagte Imke Gielen und machte damit klar, wie viel Arbeit da noch wartet.

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