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Wo ist die Sammlung von Eduard Fuchs? - Where is the collection of Eduard Fuchs?

1998
1970
1945
DPA 5 April 2018
Anja Heuß, Provenienzforscherin der Staatsgalerie, vor Max Slevogts Porträt von Eduard Fuchs (1905)

Darmstadt/Stuttgart (dpa) - Gemälde der bedeutenden Impressionisten Max Liebermann und Max Slevogt sowie fast alle Lithographien des französischen Realisten Honoré Daumier: Die unter den Nazis zwangsversteigerte berühmte Kunstsammlung von Eduard Fuchs (1870-1940) war gigantisch.

Ulrich Weitz, der Biograf des Marxisten, spricht von rund 20.000 Kunstgegenständen. Wie viel die berühmte Sammlung heute wert ist, vermag aber weder der Stuttgarter Historiker und Kunsthistoriker (67) zu schätzen, noch das Ehepaar Rosemarie (69) und Bernhard Kosel (76) aus dem hessischen Odenwald. Die Kosels sind Nachfahren von Fuchs.

Die drei wollen die in alle Winde zerstreute Sammlung wissenschaftlich rekonstruieren. Das Deutsche Zentrum für Kulturgutverluste unterstützt ihr Vorhaben zwei Jahre lang mit insgesamt rund 78.000 Euro und erwartet eine genaue Dokumentation. «Erstmalig ist dem Antrag einer Privatperson auf Förderung von Provenienzforschung entsprochen worden», sagt der wissenschaftliche Vorstand des Zentrums, Gilbert Lupfer.  

Fuchs war ein Mitbegründer des Spartakus-Bundes und der KPD, und er sei sich politisch stets treu geblieben, sagt Experte Weitz. «Die SPD verließ er nach der Zustimmung zu den Kriegskrediten und die KPD nach dem Stalinterror.» Direkt nach dem Reichstagsbrand 1933 flüchtete er mit seiner zweiten Frau Margarete nach Paris. Ein Teil der Kunstsammlung wurde geplündert und verbrannt; der Großteil auf mehreren Auktionen verkauft.

Der pensionierte Kinderarzt Kosel habe es sich zur Lebensaufgabe gemacht, den auch testamentarisch festgelegten Wunsch von Fuchs und seiner Frau umzusetzen, die ehemalige Sammlung der Öffentlichkeit zu erhalten, berichtet das Deutsche Zentrum für Kulturgutverluste in Magdeburg. «Ich will keine finanziellen Vorteile von der Sammlung Fuchs haben», betont Bernhard Kosel. 

Fuchs sammelte in seiner Berliner Villa - ein Frühwerk des bedeutenden deutsch-amerikanischen Architekten Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969) - nicht nur Bilder und Grafiken, sondern auch Skulpturen, Bücher, Möbel, Schmuck, Gläser, Geschirr und Bronzefiguren. «Man hatte nicht Augen genug zu sehen», zitiert Weitz aus dem Tagebuch der Frau des Malers August Macke, Elisabeth Erdmann-Macke. Fuchs hatte zudem ein Faible für Karikaturen und für asiatische Kunst. So soll er nach der Queen die größte Sammlung von Stichen des britischen Karikaturisten Thomas Rowlandson (1756-1827) besessen haben.

Seine Sammlung von chinesischen Tang-Dachreitern gelte als die größte in Deutschland, sagt Weitz. Etwa 100 dieser glasierten Ziegel hätten schon ausgemacht werden können. Dazu kommen chinesische Keramik aus der Ming-Zeit sowie antike Buddhastatuen aus dem 4. bis 5. Jahrhundert.

Woher hatte Fuchs das Geld für all die Kunst? Der Schriftsteller, Karikatur-Liebhaber und Herausgeber habe allein mit seiner «Illustrierten Sittengeschichte» in sechs Bänden eine Millionenauflage erreicht, berichten Weitz und Kosel. Seine Frau Margarete sei zudem vermögend gewesen; ihr Vater war der wohlhabende Kaufhausbesitzer Louis Alsberg. Dazu kommt: Slevogt war ein enger Freund von Fuchs, auch Liebermann kannte er persönlich - und er tauschte immer wieder Kunst gegen Kunst. «Fuchs galt als Kunsthistoriker, aber das war er eigentlich nicht, sondern ein Sammler mit Geld», sagt Kosel. Daher - so die Forschung - seien dem Autodidakten zumindest anfangs auch einige weniger bedeutende Kunstwerke untergeschoben worden.

Vor allem die große Zahl von Ostasiatica aber machte das Vorhaben von Weitz und den Kosels «sehr schwierig», sagt Anja Heuß, Provenienzforscherin bei der Stuttgarter Staatsgalerie. «Es gibt in Deutschland nur ganz wenige Provenienzforscher, die diese Materie beherrschen.» Ein anderer Fallstrick seien Daumiers Druckgrafiken. Der französische Realist habe sozialkritische und politische Karikaturen in hoher Auflage produziert. Wenn nicht gerade ein Stempel von Fuchs darauf sei, werde es sehr schwierig sein zu belegen, dass eine Grafik aus seiner Sammlung stamme.

Die Staatsgalerie verfügt nach eigenen Angaben mit mehr als 75 Gemälden, Postkarten, Exlibris, Büchern und Lithographien «über die meisten Werke aus der ehemaligen Sammlung des ebenso berühmten wie originellen Kulturwissenschaftlers» - dank einer Schenkung von Theodor Fuchs (1891-1974). Eduards geliebter Neffe lebte in Stuttgart und war Rosemarie Kosels Stief-Großvater. Unter den Bildern ist auch ein von Slevogt angefertigtes Porträt seines Freundes Fuchs.

Der Aufenthaltsort etwa jedes zweiten Gemäldes aus der Sammlung sei bereits bekannt, sagt Weitz. Das wertvollste sei vermutlich Daumiers «Troubadour», das in Ohio im Cleveland-Museum hängt. Ein anderes besonders wertvolles gehört zum Stuttgarter Bestand: Slevogts Triptychon «Der verlorene Sohn» aus dem Jahr 1899, das Fuchs bis zu seiner Emigration besaß. Es sei auf verschlungenen Wegen in die Sammlung gelangt, sagt Heuß. Sie stuft die Provenienz als «problematisch» ein. Der Erbe habe jedoch auf Ansprüche verzichtet. Theodor Fuchs habe seit 1960 gewusst, dass sich das Triptychon in der Staatsgalerie befand - dies sei womöglich sogar der Auslöser für die Schenkung mehrerer Familienporträts gewesen.

Ulrich Weitz, Eduard Fuchs: Der Mann im Schatten, Dietz Vlg Berlin, 2014, ISBN-10: 3320022997, 399 Seiten, 39,90 Euro

http://www.wn.de/Welt/Kultur/Kunst/3243955-Kommunist-und-Kunstliebhaber-Wo-ist-die-Sammlung-von-Eduard-Fuchs
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