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Deutschland bekräftigt Pflicht zur Aufarbeitung - Germany affirms its duty to do more

1998
1970
1945
Staatsministerin für Kultur und Medien 27 November 2018

Deutschland und die Vereinigten Staaten haben in Berlin zum 20. Jubiläum der Washingtoner Erklärung weitere Anstrengungen zur Aufarbeitung des NS-Kunstraubs vereinbart. Kulturstaatsministerin Grütters kündigte an, hierzu die mit Bundesmitteln geförderten Museen künftig stärker in die Pflicht nehmen.


US-Sonderbotschafter Stuart Eizenstat und Kulturstaatsministerin Monika Grütters bei der Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung.

1998 haben sich Deutschland, die USA und 42 weitere Staaten in der Washingtoner Erklärung dazu verpflichtet, im Umgang mit NS-Raubkunst "faire und gerechte Lösungen" zu finden. Zum 20. Jahrestag der Erklärung haben Kulturstaatsministerin Grütters und Außenamts-Staatsministerin Müntefering gemeinsam mit den US-Sonderbeauftragten für Holocaust-Fragen, Stuart Eizenstat und Thomas Yazdgerdi, auf einer internationalen Fachkonferenz den gemeinsamen Willen zu weiteren Anstrengungen bei der Umsetzung der Washingtoner Prinzipien bekräftigt.

Die Konferenz "20 Jahre Washingtoner Prinzipien: Wege in die Zukunft" des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste (DZK) findet bis zum 28. November 2018 im Haus der Kulturen der Welt in Berlin statt. Unter den rund 1.000 Konferenzteilnehmern sind internationale Provenienzforscherinnen und -forscher sowie Vertreterinnen und Vertreter von Kulturgut bewahrenden Einrichtungen wie Museen oder Bibliotheken, des Kunsthandels, aus Ministerien der Bundesländer, ausländischen Behörden sowie von Interessenverbänden der jüdischen Gemeinschaft und Überlebende des Holocaust. Themen sind unter anderem die Weiterentwicklung der Provenienzforschung, die Suche nach Möglichkeiten für Lösungen gemäß der Washingtoner Prinzipien bei Restitutionsfragen und der Umgang mit Provenienzlücken.

Handeln im Bewusstsein der immerwährenden Verwantwortung

Kulturstaatsministerin Grütters sieht die gemeinsame Erklärung zwischen Deutschland und den USA als "Ausdruck unserer Entschlossenheit und unseres Willens weitere Fortschritte zu ermöglichen." In ihrer Rede zur Eröffnung der Konferenz betonte Grütters, dass die Aufarbeitung des NS-Kunstraubs jede nur mögliche Anstrengung verdiene. "Das sind und bleiben wir den ihres Eigentums und ihrer Rechte beraubten, von den Nationalsozialisten verfolgten und vielfach ermordeten Menschen schuldig", fügte sie hinzu.


Kulturstaatsministerin Grütters: "Hinter jedem entzogenen, geraubten Kunstwerk steht das individuelle Schicksal eines Menschen: Dies anzuerkennen und die Öffentlichkeit darüber aufzuklären, sind wir den Opfern der nationalsozialistischen Terrorherrschaft und deren Nachfahren schuldig."

Die Bundesregierung arbeite und handele im Bewusstsein der immerwährenden historischen Verantwortung Deutschlands, die von den Nationalsozialisten verübten Menschheitsverbrechen aufzuarbeiten, die Erinnerung an die Opfer wach zu halten, und aus dem Bewusstsein dieser Verantwortung heraus mit aller Kraft gegen Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus und Diskriminierung vorzugehen, erklärte Grütters weiter.

Vieles ist erreicht

Die Kulturstaatsministerin machte deutlich, dass der Bund von 2008 bis 2017 rund 31 Millionen Euro für die Provenienzrecherche zur Verfügung gestellt hat. In ihrem eigenen Etat habe sie die Mittel für Provenienzforschung vervierfacht. Für 2018 und 2019 seien rund 17 Millionen Euro vorgesehen.

Die stetige Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Erforschung und Rückgabe von NS-Raubkunst in Deutschland zeige Wirkung, bekräftigte Grütters. "Wir sehen dies nicht zuletzt an der steigenden Zahl von Restitutionen. Seit Erklärung der Washingtoner Prinzipien 1998 wurden bis September 2018 in Deutschland - soweit bekannt - mehr als 5.700 Kulturgüter restituiert. Hinzu kommen weit mehr als 11.000 Bücher und anderes Bibliotheksgut."

Grütters gab zu bedenken, dass viele Restitutionsfälle einerseits deswegen unbekannt bleiben, weil Einigungen - auch zum Schutz der Betroffenen und Beteiligten - oftmals in großer Diskretion getroffen wurden. Aber auch aufgrund föderaler Zuständigkeiten und weil Restitutionen in Deutschland nicht zentral erfasst werden, "sind diese Zahlen leider unvollständig."

Vor diesem Hintergrund kam die Staatsministerin auch auf die Arbeit der Beratenden Kommission zu sprechen, die wegen der vergleichsweise geringen Zahl verhandelter Fälle - 15 seit Bestehen - in der Kritik steht. Nach Ansicht von Grütters zeige diese Zahl, "dass viele Kultureinrichtungen zum Glück auch ohne Vermittlung Außenstehender zu 'gerechten und fairen Lösungen' bereit sind." Die Beratende Kommission sei ein Hilfsangebot, wenn eine Verständigung anderweitig nicht erreichbar ist. Offensichtlich seien Einigungen in einer Vielzahl von Fällen jedoch ohne die Unterstützung der Beratenden Kommission erreichbar gewesen, unterstrich die Staatsministerin.

Zur Mediation strittiger Restitutionsfragen hat der Bund in Zusammenarbeit mit den Ländern und Kommunalen Spitzenverbänden im Jahr 2003 die Beratende Kommission eingesetzt. Sie kann nach Einzelfallprüfung Empfehlungen für "gerechte und faire Lösungen" im Sinne der Washingtoner Prinzipien von 1998 aussprechen, wenn dies von der betroffenen öffentlichen Einrichtung oder Privatperson und den ehemaligen Eigentümern der Kulturgüter oder deren Erben gemeinsam gewünscht wird. Da die Suche nach solchen Lösungen grundsätzlich unter den jeweils beteiligten Einrichtungen und Personen stattfindet, gibt es bislang keinen Gesamtüberblick über getroffene Einigungen in der Vergangenheit. Um ein entsprechendes Verzeichnis zu erstellen, sind alle Museen, Bibliotheken und Archive in Deutschland dazu aufgerufen, sich an einem Online-Meldeverfahren des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste zu beteiligen.

Vieles bleibt zu tun

Ein Grund zur Zufriedenheit bestehe trotz des Erreichten freilich nicht, betonte die Kulturstaatsministerin. Keinerlei Verständnis habe sie zum Beispiel dafür, "dass sich auch heute noch manche aus öffentlichen Mitteln getragenen Einrichtungen der Anrufung der Beratenden Kommission verweigern." Daher werde sie ab dem kommenden Jahr alle mit Bundesmitteln geförderten Museen und andere Kultureinrichtungen verpflichten, auch einseitigen Wünschen auf Anrufung der Beratenden Kommission von Seiten potentieller Anspruchsteller nachzukommen, kündigte Grütters an.

Mit einem Help Desk will die Staatsministerin ihnen zudem Orientierung und Unterstützung bieten, wenn es darum geht, in komplizierten Restitutionsfällen zunächst einmal die richtigen Ansprechpartner in Deutschland zu finden. Unter anderem hätten Opfer des NS-Regimes, ihre Angehörigen oder Nachfahren "ihre liebe Mühe mit dem alles andere als übersichtlichen deutschen Föderalismus" und auch der diversen Museumslandschaft in Deutschland, begründete die Kulturstaatsministerin das Vorhaben.

An private Besitzer, Sammler und Einrichtungen richtete Grütters eindringlich den Appell, "sich ebenfalls nicht zu verschließen und im Sinne der Washingtoner Prinzipien zu handeln. Denn die historische und moralische Verantwortung für die Aufarbeitung des NS-Kunstraubes liegt nicht allein beim Staat und seinen Institutionen."

https://www.bundesregierung.de/breg-de/bundesregierung/staatsministerin-fuer-kultur-und-medien/deutschland-bekraeftigt-pflicht-zur-aufarbeitung-1554822
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