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Streit wegen Raubkunst: Kunsthistorikerin kritisiert Schweinfurt - Dispute over looted art - Art historian criticises Schweinfurt

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Bayerischer Rundfunk 22 January 2020
Von Norbert Steiche

Seit 20 Jahren gibt es in Schweinfurt das Georg-Schäfer-Museum. Eine Expertin sollte herausfinden, wie viel Raubkunst die Sammlung beinhaltet. Die Kunsthistorikerin hat nach drei Jahren ihre Forschung vorzeitig beendet und kritisiert jetzt die Stadt.

Rund um das Museum Georg Schäfer in Schweinfurt gibt es Streit. Der Grund: Die Kunsthistorikerin Sybille Ehringhaus aus Berlin setzt ihre Arbeit in Sachen Herkunftsforschung nicht mehr fort. Drei Jahre lang hatte sie im Auftrag der Stadt Schweinfurt geforscht. Sie sollte herausbekommen, woher die Bilder der umfangreichen Sammlung stammen und ob unter den Werken auch sogenannte Raubkunst ist. Also Kunst, die einst jüdischen Besitzern während der NS-Zeit geraubt worden sind oder die Kunst verkaufen mussten, weil sie fliehen mussten.

Expertin sei in ihrer Arbeit behindert worden

Aus Sicht von Ehringhaus geht das Museum nicht öffentlichkeitswirksam mit ihren Ergebnissen um. Außerdem sei sie in ihrer Arbeit behindert worden. "Es gibt ein Einkaufsbuch von Georg Schäfer und dieses Einkaufsbuch bekam ich nie zu sehen", sagte sie gegenüber dem Bayerischen Rundfunk. Auch seien einzelne Nachforschungen nicht gewünscht gewesen.

Museumsleiter weist Anschuldigungen zurück

Wolf Eiermann, der Leiter des Georg-Schäfer Museums, sagt: "Das stimmt nicht". Sibylle Ehringhaus habe auch ihren Abschlussbericht noch nicht vorgelegt. Weiterhin seien die bislang vorlegten Texte recht vage formuliert. Außerdem stelle das Museum bereits identifizierte Raubkunst aus einst jüdischem Besitz aus. Eiermann zeigte eine Vitrine, in der ein Werk von Carl Blechen präsentiert wird. Es gehörte dem jüdischen Berliner Industriellen Berthold Nothmann. Wie alle Juden musste er - weil er das Land verlassen wollte – die sogenannte Reichsfluchtsteuer und Judenvermögensabgabe bezahlen. Zudem wurden seine Konten gesperrt. Ihm blieb vor seiner Flucht nur der Verkauf seiner Bilder. Nach dem zweiten Weltkrieg kaufte das Werk Georg Schäfer von einer Münchner Kunsthandlung.

Raubkunst soll nicht umfangreich ausgestellt werden

Auch neben einem Werk von Adolf von Menzel in der ständigen Sammlung ist auf einer Texttafel erklärt, dass das Bild einst einem jüdischen Kunstsammler gehörte. Eine umfangreiche Ausstellung mit Raubkunst der Sammlung Dr. Georg Schäfer lehnt Wolf Eiermann aber ab. "Wer das fordert, möchte unser schönes Museum in einen Gerichtssaal verwandeln. Das würde dazu führen, dass es heftige Auseinandersetzungen vor den Bildern gäbe, dass sich die Rechtsanwälte streiten würden und ich muss ganz ehrlich sagen: Ich möchte meine Mitarbeiter vor einer solchen Diskussion auch schützen", so Eiermann.

Weniger als 60 Werke unter Raubkunst-Verdacht

Die Sammlung von Dr. Georg Schäfer umfasst etwa 6.000 Werke. Weniger als ein Prozent, also weniger als 60, stehen laut Eiermann unter dem Verdacht Raubkunst zu sein. Aus seiner Sicht gehe sein Haus mit dem Thema sehr offen um. Das Museum Georg Schäfer besteht seit gut 20 Jahren in Schweinfurt. Es beherbergt die weltweit umfangreichste und qualitativ bedeutendste Privatsammlung deutscher Malerei des 19. und frühen 20. Jahrhunderts mit Werken von Carl Spitzweg, Caspar David Friedrich, Lovis Corinth oder Max Liebermann.

Museum gehört dem Freistaat Bayern

In Schweinfurt gibt es ein außergewöhnliches Konstrukt: Das Museum gehört dem Freistaat Bayern. Es wird von der Stadt Schweinfurt betrieben und die ausgestellten Werke sind komplett im Eigentum der Sammlung Dr. Georg Schäfer Stiftung.

Kritik: Forschungsergebnisse zu wenig öffentlich bekannt gemacht

Sybille Ehringhaus hätte erwartet, dass ihre Forschungsergebnisse offensiv öffentlich bekannt gemacht werden. Schließlich sei ihre Arbeit in Sachen Herkunftsforschung auch aus dem städtischen Haushalt bezahlt worden. Wörtlich sagte sie gegenüber dem BR: "Wenn man beginnt zu forschen, möchte man natürlich, dass die Ergebnisse der Öffentlichkeit bekannt werden und das ist in Schweinfurt nicht passiert. Oder viel, viel zu wenig." Die Anregungen der Expertin, Tagungen, Workshops oder ähnliches zu machen, seien nicht aufgegriffen worden. "Meine Arbeit wurde gelegentlich sogar behindert, also: Es war nicht wirklich gewünscht, was ich mache.", so Ehringhaus weiter.

Georg Schäfer und Adolf Hitler

Georg Schäfer hatte laut Ehringhaus nach dem zweiten Weltkrieg auch bei Adolf Hitlers bevorzugter Händlerin, Maria Almas-Dietrich, dem Fotografen Adolf Hitlers, Heinrich Hoffmann oder auch Hermann Görings Kunsthändler und –berater Walter Andreas Hofer gekauft. Aus Sicht von Wolf Eiermann, dem Leiter des Museums-Georg-Schäfer, sei das nicht ungewöhnlich gewesen, weil Hitler für sein geplantes Museum in Linz ähnliche Kunst gesammelt habe.

Erben fordern Rückgabe eines Werks

Die Erben des Impressionisten Max Liebermann fordern seit langem, dass die Sammlung Dr. Schäfer Stiftung ein Werk zurück gibt: Martha im Lehnstuhl. Liebermann hatte 1930 seine Frau portraitiert. Als Privatsammlung ist die Stiftung rechtlich zur Rückgabe nicht verpflichtet und sie denkt im Augenblick auch nicht daran.

Museum will Herkunftsforschung fortsetzen

Die Zusammenarbeit mit Sibylle Ehringhaus ist gescheitert. Grundsätzlich aber will das Museum die Herkunftsforschung der Bilder fortsetzten. Der Abschlussbericht von Sibylle Ehringhaus soll Ende des Monats eingereicht werden. Spätestens dann wird man erfahren, ob noch weitere Raubkunstbilder identifiziert worden sind. Und dann muss auch über die Frage der Rückgabe an Erben neu gesprochen werden.


 

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